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"Clowns" machen Ernst

GROSSBRITANNIEN Die Europagegner der UKIP-Partei treiben die regierenden Tories vor sich her

28.10.2013
2023-08-30T12:24:06.7200Z
3 Min

Europawahlen wie Lokalwahlen sind in Großbritannien traditionsgemäß die Knüppel, mit dem die frustrierten Bürger auf die Regierungspartei dreschen. Doch im Mai dieses Jahres profitierte nicht die Labour-Opposition von dem Urnen-Protest, sondern die rechts-populistischen Außenseiter der UKIP. Die "Unabhängigkeitspartei für das Vereinigte Königreich", die keinen einzigen Parlamentssitz hat, lehrte bei der Abstimmung für die Stadt-und Kreisräte mit einem Ergebnis von mehr als 20 Prozent den Konservativen das Fürchten. In der gleichzeitig gelaufenen Nachwahl für den vakanten Parlamentssitz von South Shields, behauptete sich zwar Labour, aber die UKIP rückte in der Wählergunst auf den zweiten Platz vor den Konservativen. Deren Koalitionspartner, die Liberaldemokraten, landeten auf einer kläglichen siebten Position. Der wortgewandte UKIP-Chef Nigel Farage jubelte über "die Umwälzung der britischen Politik" und bedankte sich ironisch für die Wahlhilfe der Konservativen, die seine Partei als "Wirrköpfe und Clowns" abgetan hatten.

Wahlrecht

Solche Euphorie ist jedoch nur mit gehöriger Skepsis zu genießen. Die Abstrafung der Regierungspartei auf der lokalen Ebene erlaubt noch lange nicht eine Prognose für die nächsten Unterhauswahlen im Jahre 2015. Allenfalls lässt das Ergebnis die Labour Party hoffen, dass sie nun noch bessere Chancen hat, den Konservativen in zwei Jahren die Regierungsverantwortung zu nehmen. Gegen eine Flut von UKIP-Abgeordneten im Unterhaus steht allein schon das britische Mehrheitswahlverfahren. Bei Europawahlen gilt aber auch in Großbritannien das Verhältniswahlrecht, mit dem sich die UKIP 2009 bereits 13 der 73 britischen Sitze in Straßburg sichern konnte. Ein EU-Austritt und die Abschottung der Grenzen sind eigentlich die einzigen konkreten Programmpunkte der rechtspopulistischen Partei, die darüber hinaus bislang nur recht konfuse Vorstellungen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik entwickelt hat.

Für Premierminister David Cameron von den konservativen Tories ist die UKIP ein ernstes Problem. Definierte er sich noch beim Einzug in die Downing Street als "Mann der Mitte", so nähert er sich unter dem Druck der populistischen Partei seit Monaten dem "euroskeptischen" und teils fremdenfeindlichen Flügel der eigenen Partei immer mehr an. Dies wiederum bringt ihn in Konflikt mit dem liberaldemokratischen Koalitionspartner, dem antieuropäische Ressentiments völlig gegen den Strich gehen. Labour sollte sich nicht zu früh über diese Entwicklung freuen. Ihr jugendlicher Chef Ed Miliband bietet sich nun mit der Losung "Eine Nation" als "Mann der Mitte" an. Doch gerade in den Labour-Hochburgen der englischen Industriezonen stimmten die Wähler massenhaft für UKIP, die ihnen versprach, polnische, rumänische oder bulgarische Konkurrenten für die immer weniger werdenden Arbeitsplätze vom Hals zu halten.

Referendum

Vergeblich hatte Cameron seine Rebellen im Mai mit der Versicherung beruhigen wollen, dass die Briten im Falle seiner Wiederwahl im Jahr 2015 binnen einer Frist von zwei Jahren einen Volksentscheid bekommen, in dem sie ein klares "Yes" oder "No" zum Verbleib in der EU bekunden können. Diese Beruhigungspille half so wenig wie Camerons Verpflichtung, dass er noch stärker auf EU-Reformen drängen will, die im "nationalen Interesse" liegen, wobei er vor allem die "Repatriierung britischer souveräner Rechte" aus Brüssel meint. Sein Parteifreund Adam Afriye versetzte die Regierung in tiefe Verlegenheit, weil er jetzt im Parlament fordert, dass das Referendum um ein Jahr vorverlegt wird.

Schon Camerons letzter konservativer Vorgänger John Mayor fluchte über die antieuropäischen "Bastarde" in seiner zerstrittenen Partei, die ihm den Wahlsieg gekostet hätten. Mag das Für und Wider der EU-Mitgliedschaft auch die politische Agenda und die Medien Großbritanniens beherrschen, so steht es in der Sorgenliste der Briten laut Meinungsumfragen ziemlich weit hinten. Bis zur Wahl in zwei Jahren hätte Cameron eigentlich alle Hände voll zu tun, um die Wähler von seinem radikalen Sparkurs als Ausweg aus Wirtschaftsflaute, Arbeitslosigkeit und sozialem Kahlschlag zu überzeugen. Stattdessen muss er sich nun gegen die Lemminge in seiner Partei stemmen, die die Tories wieder mit sich über die europäische Klippe stürzen wollen.

Der Autor ist freier Korrespondent in London.