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Claudia Roth (Grüne)

28.10.2013
2023-08-30T12:24:06.7200Z
3 Min

Die Szene war nicht untypisch: Sie habe sich "ernsthaft vorgenommen, es so zu machen, wie ich bin", antwortete Claudia Roth vergangene Woche nach ihrer Wahl zur Vizepräsidentin des Parlaments auf die Frage, ob sie das Amt annehme. Diese Bemerkung, konstatierte daraufhin Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), habe "im Präsidium die spontane Reaktion erzeugt: Das berechtige ja zu den schönsten Hoffnungen".

Keine Frage, man darf gespannt sein auf die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, die Frau, die 2001/02 sowie seit 2004 als Grünen-Vorsitzende gewissermaßen Gesicht und Stimme ihrer Partei war: bunt, leidenschaftlich, schrill, wie sie manche beschreiben. Eine streitbare Moralistin, deren Talent zu offener Empörung wie zu ehrlicher Herzlichkeit gleichermaßen ausgeprägt ist.

Am Samstag vor der Konstituierung des Bundestages hatte sich Roth auf dem jüngsten Grünen-Parteitag in Berlin aus dem alten Amt verabschiedet, das sie mit insgesamt elf Jahren weit länger inne hatte als alle ihre zahlreichen Vorgänger. Die "emotionale Wahrheit" grüner Politik habe sie verkörpert, wurde ihr in einer Lobrede bescheinigt. Roth, hieß es in einer weiteren Laudatio mit Blick auf das neue Parlamentspräsidium, werde "anstrengend", aber "Claudia Roth rockt das Amt". Sie selbst schrieb in ihrer Bewerbung um die Nominierung für den Präsidiumsposten an die Grünen-Fraktion, "eines der wichtigsten Anliegen" wäre es ihr, "die parlamentarische Idee" wieder für die Bürger "erlebbar zu machen und die Distanz zwischen Politik und Gesellschaft zu verringern".

Nur Platz vier

Den Verzicht auf den Parteivorsitz hatte die 58-Jährige nach dem mageren Abschneiden der Grünen bei der Bundestagswahl vom 22. September verkündet; mit dem Gedanken an einen solchen Schritt hatte sie schon im vergangenen November gespielt, als sie bei der Grünen-Urwahl der Spitzenkandidaten mit nur gut 26 Prozent der Stimmen lediglich auf dem vierten Platz landete. Nur ein virtueller "Candy-Storm", der ihr eine Riesenwelle des Zuspruchs bescherte, bewegte sie damals, eine Woche danach doch wieder für das Amt der Parteivorsitzenden zu kandidieren. Auf dem Parteitag in Hannover konnte sie dann wieder strahlen, als 88,4 Prozent der Delegierten die einstige Managerin der Polit-Rock-Gruppe "Ton Steine Scherben" an der Parteispitze bestätigten.

Dabei wird Roth den Tagungsort zunächst nicht gerade in guter Erinnerung gehabt haben: Zehn Jahre zuvor, Ende 2002, war sie in der Eilenriedehalle im Hannover Congress Centrum zusammen mit ihrem damaligen Co-Vorsitzenden Fritz Kuhn zur Abgabe der Parteiführung gezwungen worden. Gestolpert waren sie über die von den Grünen später gelockerte Trennung von Amt und Mandat. Ganze acht Stimmen fehlten auf dem Parteitag zur Zweidrittelmehrheit für eine Satzungsänderung, die ihnen trotz des frisch errungenen Bundestagsmandats den Verbleib an der Parteispitze ermöglicht hätte. Roth wurde anschließend Menschenrechtsbeauftragte der rot-grünen Bundesregierung, um 2004 wieder in den Parteivorsitz zurückzukehren, dieses Mal mit Bundestagsmandat.

1955 im schwäbischen Ulm als älteste Tochter einer Lehrerin und eines Zahnarztes geboren, wuchs sie in einer linksliberalen Familie auf. Den Jungdemokraten, bis 1982 ein FDP-Jugendverband, gehörte sie von 1971 bis 1990 an. In München studierte sie Theaterwissenschaften; später arbeitete sie als Dramaturgin. Bevor Roth 1987 den Grünen beitrat, war sie schon zwei Jahre lang Pressesprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion; dies blieb sie bis zu ihrer Wahl ins Europaparlament 1989. Bei der folgenden Europawahl 1994 erfolgreiche Spitzenkandidatin, avancierte sie anschließend zur Fraktionsvorsitzenden.

Rekordergebnis

Hatte sie sich schon in Brüssel insbesondere als Menschenrechtspolitikerin hervorgetan, übernahm sie nach ihrem Wechsel in den Bundestag 1998 den Vorsitz des neu geschaffenen Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe. Eigentlich war das ein "Traumjob" für Claudia Roth, doch 2001 legte sie ihr Abgeordnetenmandat nieder, um für die Nachfolge der in die Regierung gewechselten Parteivorsitzenden Renate Künast zu kandidieren. Bei ihrer ersten Wahl zur Grünen-Chefin fuhr die damalige Vorzeigefrau der Parteilinken dann mit satten 91,5 Prozent das beste Ergebnis in der Grünen-Geschichte überhaupt ein, was freilich auch als Vertrauensvorschuss des realpolitischen Flügels zu werten war.

Ganz so groß war die Zustimmung ihrer Bundestagskollegen bei der Wahl zur Vizepräsidentin dann doch nicht: Da kam Roth auf 415 Ja-Stimmen bei 128 Neinstimmen und 69 Enthaltungen.