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Norbert Lammert (CDU)

28.10.2013
2023-08-30T12:24:06.7200Z
3 Min

Es war eine mehr als überzeugende Bestätigung im protokollarisch zweithöchsten Staatsamt, über die sich Bundestagspräsident Norbert Lammert vergangene Woche bei der konstituierenden Sitzung des Parlaments freuen konnte: Von den 625 Abgeordneten, die ihre Stimme abgaben, votierten 591 für eine dritte Amtszeit des 64-Jährigen an der Spitze des Hohen Hauses - das sind stolze 94,56 Prozent. Bei seiner ersten Wahl zum Präsidenten des höchsten deutschen Parlamentes im Jahr 2005 hatten 92,9 Prozent der Abgeordneten für den CDU-Parlamentarier gestimmt; vier Jahre später war er auf immerhin 84,6 Prozent gekommen.

Die fraktionsübergreifende Anerkennung, die in dem neuerlichen Votum deutlich wird, gilt einem Mann, der sich immer wieder als unabhängiger und bisweilen auch für das eigene Lager unbequemer Geist gezeigt hat. So zeigte sich der Vater von vier Kindern nach der Wahl nicht nur beeindruckt von dem Abstimmungsergebnis, das er "sowohl als Ermutigung wie als Verpflichtung" empfinde, sondern richtete auch einen besonderen Dank an seine eigene Fraktion. Diese habe ihn erneut für das Amt nominiert, "obwohl sie weiß und damit rechnen muss, dass mein Verständnis der damit verbundenen Aufgaben in den eigenen Reihen nicht immer stürmische Begeisterung erzeugt".

Souveräne Unabhängigkeit

Nicht zur Freude seiner Fraktionsspitze hatte der gebürtige Bochumer etwa bei den Debatten über die Euro-Rettung auch koalitionsinternen Kritikern des schwarz-gelben Regierungskurses im Bundestag das Wort erteilt. Im jahrelangen Tauziehen um eine Reform des Wahlrechts, bei dem auch eine vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist verletzt wurde, hatte er öffentlich eine frühere Lösung angemahnt. Und die Föderalismusreform II lehnte er im Bundestag als einziger seiner Fraktion ab, weil ihm die damit verbundenen Grundgesetzergänzungen "unmaßstäblich" erschienen.

Dass der Doktor der Sozialwissenschaften und Honorarprofessor gleichwohl nun schon zum dritten Mal zum Bundestagspräsidenten gewählt wurde, darf auch als Bestätigung solch souveräner Unabhängigkeit gewertet werden, die im Politikbetrieb der Hauptstadt keinesfalls von allen Akteuren gepflegt wird. Schon 2005 hatte der Sohn eines Bäckermeisters das beste Ergebnis verbucht, das ein Bundestagspräsident je bei seiner ersten Wahl erreichte; zuvor schon hatte sich der ausgewiesene Kulturexperte drei Jahre als Vizepräsident des Parlaments mit seiner so souveränen wie humorvollen und sprachlich eleganten Sitzungsleitung profiliert.

Zunächst Kommunalpolitik

Lammerts politisches Interesse sei "früh im Elternhaus und in der Schule entstanden", schreibt er auf seiner Homepage, habe sich aber als Berufsentscheidung "erst durchgesetzt, nachdem ich einsehen musste, dass meine Begeisterung für Musik und Fußball als Grundlage für einen Beruf vermutlich nicht ausreichen würde". 1964 wurde das älteste von sieben Geschwistern Mitglied der Jungen Union und trat 1966 in die CDU ein, für die er später fünf Jahre im Rat seiner Heimatstadt sitzen sollte, zeitweise zusammen mit seinem Vater. Mehr als 20 Jahre, von 1986 bis 2008, war er Bezirksvorsitzender der CDU Ruhr, deren Ehrenvorsitzender er seitdem ist; von 1991 bis 1997 fungierte er zudem als Vizevorsitzender des nordrhein-westfälischen Landesverbandes der Partei.

Dem Bundestag gehört Lammert seit 1980 an, stets gewählt über die Landesliste der NRW-CDU. Von 1996 bis 2005 Vorsitzender der einflussreichen CDU-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, galt er vielen als "Strippenzieher". Regierungserfahrung sammelte der Katholik, der als private Interessen Sport, Musik und Literatur angibt, zwischen 1989 und 1998, als er als Parlamentarischer Staatssekretär erst im Bildungs-, dann im Wirtschafts- und schließlich im Verkehrsministerium arbeitete.

Anschließend war Lammert bis zu seinem Wechsel ins Bundestagspräsidium 2002 kulturpolitischer Sprecher der Unionsfraktion. 2005 in Angela Merkels Wahlkampfteam zuständig für Kultur und als möglicher Kulturstaatsminister im Gespräch, rückte er statt dessen als zwölfter Bundestagspräsident an die Spitze des Parlamentspräsidiums.

Als 2010 der damalige Bundespräsident Horst Köhler, im Vorjahr wiedergewählt, überraschend zurücktrat, war auch Lammert als Nachfolgekandidat im Gespräch. Auf Köhler folgte indes Christian Wulff, und mit dessen Rücktritt 2012 wurde Norbert Lammert der erste Bundestagspräsident, der binnen einer Wahlperiode gleich zwei Bundesversammlungen geleitet hat.