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Zähes Ringen um die Macht der Länderkammer

GESCHICHTE Die Vorläufer des Bundesrats im Kaiserreich und der Weimarer Republik hatten deutlich weniger Einflussmöglichkeiten

18.11.2013
2023-08-30T12:24:07.7200Z
3 Min

Am 7. September 1949 konstituierte sich in Bonn neben dem Deutschen Bundestag auch der Bundesrat. Damit war die Gründung der Bundesrepublik vollzogen. Bei der Konzeption des Bundesrats griffen die Mütter und Väter des Grundgesetzes zwar auf Vorbilder zurück, zugleich wollten sie Fehler der Vergangenheit vermeiden.

In der Kaiserzeit (1871-1918) war der Bundesrat das Organ der 58 (seit 1911: 61) Vertreter der insgesamt 25 Bundesstaaten des Reiches. Alle Reichsgesetze bedurften seiner Zustimmung. Streitigkeiten zwischen den Ländern wurden hier entschieden und kaiserlichen Hoheitsakten wie der Auflösung des Reichstages stimmte der Bundesrat zu. Vorsitzender war der Reichskanzler.

Noch weniger war der Reichsrat der Weimarer Republik (1918-1933) ein paritätisches Gegengewicht der Länder gegenüber dem Reichstag. Er hatte zwar das Vetorecht im Gesetzgebungsverfahren, konnte aber selbst keine Gesetze einbringen. Die untergeordnete politische Stellung der Länderkammer kam darin zum Ausdruck, dass Bundesrat und Reichsrat im Reichstagsgebäude tagten und der preußische Ministerpräsident in Personalunion Reichskanzler war und damit auch Vorsitzender des Bundesrates.

Als sich im September 1948 in Bonn der Parlamentarische Rat konstituierte, um für die Bundesrepublik Deutschland eine Verfassung, das spätere Grundgesetz, zu schaffen, hatte man die Schwächen der Ländervertretung in den untergegangenen politischen Systemen deutlich vor Augen. Im Parlamentarischen Rat standen drei Vorschläge zur Diskussion.

CDU und CSU sowie einzelne Vertreter von FDP, DP und Zentrum wünschten einen Bundesrat, bestehend aus Vertretern der Landesregierungen, die nicht an Weisungen ihrer jeweiligen Regierung gebunden sein sollten.

Die SPD hingegen forderte einen utilitaristischen Nationalstaat und trat für einen Senat ein, in den jedes Land die gleiche Anzahl von Mitgliedern entsenden sollte. Unabhängig von Wahlperioden sollten die Mitglieder sukzessive erneuert werden (sogenannter "ewiger Senat").

Einen Kompromiss aus den beiden Positionen bildete der Vorschlag von Teilen der FDP: Die Hälfte der Mitglieder sollte von den Landesregierungen auf jederzeitigen Abruf bestellt, die andere Hälfte von den Landtagen gewählt werden.

Finanzverfassung

Vom Umfang ihrer Mitwirkung an der Gesetzgebung sollte auch die Zusammensetzung der Länderkammer abhängig gemacht werden. Bei voller Gleichberechtigung von Bundesrat/Senat und Bundestag, hätten größere Zugeständnisse an die Länderkammer gemacht werden müssen als wenn diese nur ein suspensives Vetorecht hätte erhalten sollen. Es bedurfte einer grundsätzlichen Entscheidung, die offen blieb, solange die zukünftige Finanzverfassung ungeklärt war. Je größer die Steuerhoheit der Länder war, desto geringer sollte der Einfluss des Bundesrates sein.

Auf einen Bundesrat mit suspensivem Vetorecht einigten sich unter konspirativen Umständen im Oktober 1948 in einem vertraulichen Gespräch der nordrhein-westfälische Innenministers Walter Menzel (SPD) und der bayerische Ministerpräsident Hans Ehard (CSU). Demnach waren Bundesrat und Bundestag nicht gleichberechtigt. Eine Bundesratsentscheidung konnte vom Bundestag bei einer Zweidrittelmehrheit überstimmt werden. Eine Gleichberechtigung sollte lediglich beim Finanzausgleichsgesetz und bei Änderung der Kompetenzen des Bundes bestehen.

Dieser Kompromiss war ohne Wissen des Parlamentarischen Rats ausgehandelt worden. Parlamentspräsident Konrad Adenauer (CDU) war entsetzt, dass am Parlament vorbei derartige weitreichende Entscheidungen gefällt wurden und legte am 9. November einen eigenen Entwurf vor, in dem der Senatsgedanke zum Tragen kam. Dieser war aber so kompliziert, dass Adenauers eigene Fraktion diesen Vorschlag nur ungerne befürwortete. Er wurde dann auch von der SPD abgelehnt.

Erst am 26. November votierte die CDU/ CSU-Fraktion mit 13:9 Stimmen für einen Bundesrat mit - je nach ihrer Größe - gestaffeltem Stimmrecht der Länder. Er sollte der Ersten Kammer, also dem Bundestag, gleichberechtigt gegenüberstehen und sich aus den von den Länderregierungen ernannten weisungsgebundenen Vertretern zusammensetzen.

Blockademöglichkeit

Die Länderkammer sollte zugleich das kritische Korrektiv zum Bundestag und der Regierung werden. Die Abgeordneten nahmen in Kauf, dass diese Länderkammer die Handlungsfähigkeit des Bundestags blockieren könnte.

In den späteren Beratungen des Parlamentarischen Rates, auch jenen mit den alliierten Militärgouverneuren, blieb dieses Modell für den Bundesrat bestehen. Gleichwohl waren zuletzt noch in den Verhandlungen am späten Abend des 24. April 1949 die vorgesehenen Kompetenzen des Bundesrates im Sinne der Forderungen von SPD und FDP wieder erheblich reduziert worden. Im Gegenzug gaben SPD und FDP bei der Regelung des Finanzwesens nach, demzufolge nun der erhebliche Teil der Steuern, ausgenommen der Umsatzsteuer, von den Ländern eingezogen werden sollte.

Nun konnte das Grundgesetz, in dem die Kompetenzen und die Finanzverfassung zwischen Bund und Ländern sehr differenziert ausbalanciert waren, am 8. Mai verabschiedet und am 23. Mai 1949 verkündet werden.