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Wer bezahlt was?

Renten Streit um Finanzierung der Koalitionspläne

02.12.2013
2023-08-30T12:24:08.7200Z
3 Min

Eigentlich hätten die Abgeordneten der Linken nach diesem Satz von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) applaudieren müssen. In der Bundestagsdebatte um einen Gesetzentwurf der Linken zur Stabilisierung der Rentenbeiträge am vergangenen Donnerstag kündigte die Ministerin nämlich fast nebenbei an: "Deswegen stabilisieren wir den Beitragssatz bei 18,9 Prozent." Genau das wollte die Linksfraktion mit ihrem Entwurf eines "Beitragsgesetzes 2014" (18/52) auch erreichen. Allerdings gehen die Vorstellungen zwischen Union und Linken über den Einsatz der so gewonnenen Milliarden weit auseinander. Gemeinsamkeiten zwischen beiden Fraktionen gibt es also nur auf den ersten Blick, weshalb der Applaus aus den Linken-Reihen dann doch ausblieb.

Matthias Birkwald, Rentenexperte der Linken, verweigerte jedoch nicht nur den Applaus, sondern äußerte auch scharfe Kritik an den einen Tag zuvor bekannt gewordenen Rentenplänen von Union und SPD. Er warf der SPD vor, die "nötigen Schritte im Kampf gegen Altersarmut und für mehr Rentengerechtigkeit dem Sparwahn von CDU und CSU geopfert" zu haben. Das "dramatische Absinken des Rentenniveaus" zu stoppen, habe die SPD zwar im Wahlkampf versprochen. Stattdessen würden nun aber die Renten weiter hinter den Löhnen hinterherhinken. "Das ist Ihre größte Unterlassungssünde", lautete der Vorwurf Birkwalds. Den Plan für eine "solidarische Lebensleistungsrente" kritisierte er als "nicht armutsfest", und die abschlagsfreie Rente ab 63 Jahren als in Zukunft nur noch für eine Minderheit geltend.

Höhere Zuschüsse

Ursula von der Leyen verteidigte die Pläne der schwarz-roten Koalition: Mütterente, Rente mit 63, Erleichterungen bei der Erwerbsminderungsrente und solidarische Lebensleistungsrente von 850 Euro für Geringverdiener (mehr zum Koalitionsvertrag auf Seite 8). Der Kritik von Grünen und Linken, aber auch von Wirtschaftsverbänden zur Finanzierung dieser milliardenschweren Projekte entgegnete sie: "Ja, das alles muss finanziert werden. Es musste in der Vergangenheit finanziert werden und es muss in Zukunft finanziert werden." Die Stabilisierung des Beitragssatzes der Rentenversicherung sei dabei nur ein Mittel.

Eigentlich müsste der Rentenbeitrag im kommenden Jahr gesenkt werden, da die Rücklagen der gesetzlichen Rentenversicherung derzeit mehr als das 1,5-fache der Monatsausgaben betragen. Sie belaufen sich auf satte 31 Milliarden Euro, das entspricht 1,75 Monatsausgaben.

Zusätzlich kündigte die Ministerin die Erhöhung der Bundeszuschüsse zur Rentenversicherung im Jahr 2018 an, von heute 80 Milliarden auf dann 82 Milliarden Euro zur Finanzierung der Mütterrente. "All das funktioniert nur, wenn die Wirtschaft brummt und wenn die Menschen gute Arbeit haben", betonte von der Leyen. Nach den aktuellen Arbeitsmarktzahlen seien heute 29,8 Millionen Menschen in Deutschland sozialversicherungspflichtig erwerbstätig. "Das ist das Entscheidende für solide Sozialkassen."

Auch die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Elke Ferner machte sich um die Finanzierung der schwarz-roten Rentenpläne keine Sorgen. Die Beibehaltung des Beitragssatzes gebe der Rentenversicherung eine Stabilität, die sie lange Jahre nicht gehabt habe. Auf diese Weise könne man eine "langfristige Entscheidung hinsichtlich der Bandbreite der Schwankungsreserve" treffen anstatt jedes Jahr neu über die Beitragssätze zu diskutieren. Zum Vorwurf jüngerer Abgeordneter, es sei nicht generationengerecht, die Beiträge jetzt stabil zu halten, sagte sie: "Das Gegenteil ist der Fall. Die jetzige rentennahe Generation zahlt durch diese Maßnahme höhere Beiträge, als sie es nach geltender Rechtslage tun müsste, damit sie ihre Rente bekommt und gleichzeitig auf die folgende Generation nicht zu hohe Beitragssatzsprünge hinzukommen", erläuterte Ferner.

Die Gerechtigkeitsfrage

Markus Kurth, sozialpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, konnte weder dem Gesetzentwurf der Linken noch den Vorhaben der Koalition etwas abgewinnen. "Auf der einen Seite sieht Die Linke die Aussetzung der Beitragssatzsenkung als Auftakt zu einer ganzen Kette von Beitragssatzerhöhungen, um in Zukunft sämtliche rentenpolitische Reformen nicht nur zu verändern, sondern gleich abzuschaffen. Auf der anderen Seite wollen Union und SPD mit den Geldern der Beitragszahler sozialpolitische Geschenke machen, die eigentlich von den Steuerzahlern bezahlt werden müssen", kritisierte Kurth. "Das ist die Vorbeifahrt des rentenpolitischen Prinzenwagens." Nur die Grünen wollten die Gelder der Rücklage im Sinne der Versicherten einsetzen - zum Beispiel für ein "angemessenes Reha-Budget".

Max Straubinger (CSU), Sozialexperte der Union, warf Linken und Grünen vor, widersprüchlich zu argumentieren und "in keinster Weise positive Vorstellungen von der Zukunft der Alterssicherung der Menschen" zu haben. Die neue Koalition dagegen entwickle das "verlässliche Rentenversicherungssystem im Sinne der Gerechtigkeitsfrage" weiter - zum Beispiel durch die Mütterrente und die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren. "Es ist ein gelungener Kompromiss gefunden worden", verteidigte Straubinger die schwarz-roten Pläne.