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Streit um besseres Klima

ENERGIE In Warschau und Berlin wurde um die Zukunft des Klimaschutzes gerungen. International fordern Experten, dass Deutschland dabei weiter Vorreiter…

02.12.2013
2023-08-30T12:24:08.7200Z
5 Min

Eine Eigenschaft müssen die Teilnehmer von Klimakonferenzen aber auch von Koalitionsverhandlungen mitbringen: Sie müssen gute Kondition besitzen, um lange Nachtschichten durchzustehen. Sowohl beim 19. UN-Klimagipfel in Warschau als auch bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin wurde noch zu später Stunde um kleinste Formulierungen gerungen. So auch zum Abschluss des jährlichen Treffens der Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonferenz (COP 19), die am 23. November in Warschau zu Ende ging. "Die Konferenz hat uns auf den Weg zu einer Vereinbarung im Jahr 2015 gebracht, aber nicht zu einer Welt mit weniger als zwei Grad Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter", so das nüchterne Fazit der Chefin des UN-Klimasekretariats, Christina Figueres.

Klimakonferenz Paris 2015

Die Erwartungen an die Warschauer Konferenz, an der auch wieder Parlamentarier des Bundestages teilnahmen, waren schon im Vorfeld eher gedämpft gewesen. Zwei Jahre vor dem geplanten Gipfel in Paris, auf dem erstmals ein verbindliches Klimaabkommen für alle Vertragsstaaten vereinbart werden soll, einigten sich die Teilnehmer auf einen nicht bindenden Fahrplan für die kommenden zwei Jahre. Insbesondere China und Indien wollten sich dabei aber nicht auf feste Zusagen für die Reduzierung der Treibhausgase und damit der Einhaltung eines Temperaturziels bis zum Jahr 2015 festlegen, sodass viele Formulierungen weiter vage blieben.

Außerdem präzisierten die Teilnehmer eine bereits beschlossene Vereinbarung, wonach die reichen Industrieländer ab 2020 ärmere von den Folgen des Klimawandels betroffene Staaten mit rund 100 Milliarden Dollar jährlich "kontinuierlich" unterstützen sollen. Positive Signale gab es bei der Einigung zum Waldschutz. Das Waldschutzprogramm REED (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation), einem Mechanismus, mit dem Emissionen aus Entwaldung und Holzabbau vermindert werden sollen, konnte nach jahrelangen Verhandlungen abgeschlossen werden. So können etwa die Fortschritte in Entwicklungsländern von unabhängigen Experten überprüft werden.

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), der bei der Klimakonferenz 2012 in Doha als Verhandler mit großem Durchhaltevermögen in Erinnerung geblieben war, wohnte der Konferenz nur kurz bei. Er brauchte seine Energie für die parallel stattfindenden Koalitionsverhandlungen in Berlin. In der vergangenen Woche wurde dann der Kurs der Großen Koalition in Sachen Klima und Energiewende (siehe Seite 8) bekannt gegeben. Sie fußt nach dem Willen der Koalitionäre auf einem "energiepolitischen Dreieck": Klima- und Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit. Gerade die hohen Kosten der Energiewende für den Verbraucher hatten in der Vergangenheit zunehmend für Unmut gesorgt.

Reform des EEG

Die Koalition strebt daher zuerst eine schnelle und grundlegende Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) an. Dafür gibt es ehrgeizige Pläne: Bis Ostern 2014 sollen neue Rahmenbedingungen für die Energiepolitik vorgelegt werden und ein Gesetz bis zum Sommer 2014 den Bundestag passieren. Im EEG wird dementsprechend ein "Ausbaukorridor Erneuerbare Energie" festgelegt. Im Jahr 2025 soll rund 40 bis 45 Prozent der Stromversorgung aus erneuerbaren Energien und zehn Jahre später 60 Prozent der Energie aus Sonne, Wind und Biomasse gewonnen werden. Mit einem jährlichen Bericht wird der Ausbau der erneuerbaren Energien überprüft. Eine Große Koalition setze dabei weiter auf konventionelle Kraftwerke - und damit auf Strom aus Braunkohle, Steinkohle und Gas. Sie seien "als Teil des nationalen Energiemixes auf absehbare Zeit unverzichtbar", heißt es dazu im Koalitionsvertrag. Auch in der neuen Regierung bleibt es dabei, dass das letzte Atomkraftwerk in Deutschland bis 2022 abgeschaltet werden soll. Die Frage, welche Kraftwerke wie lange am Netz bleiben, wird gerade im Zusammenhang mit den Klimaschutzzielen immer wieder kontrovers diskutiert. Auch die Koalitionäre messen dem Klimaschutz "einen zentralen Stellenwert" zu, heißt es. Konkret ist damit gemeint, dass der Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2020 gegenüber dem Stand von 1990 um 40 Prozent reduziert werden soll. Auch in der Europäischen Union wolle man sich dafür einsetzen, dass bis 2030 eine Reduktion um 40 Prozent erfolgt. Die geplanten Ziele sollen aber nicht, wie ursprünglich von der SPD gefordert, in einem Klimaschutzgesetz festgeschrieben werden, sondern in einem unverbindlichen Klimaschutzplan.

Beim Emissionshandel, der derzeit wegen des Preisverfalls der Zertifikate am Boden liegt, will die neue Regierung der von der EU geplanten Herausnahme von Zertifikaten - backloading genannt - zustimmen. Es solle sich dabei aber um einen "einmaligen Eingriff" ins System handeln, wird im Koalitionsvertrag betont. Die Pläne von CDU, CSU und SPD in Sachen Energie und Klimaschutz für die kommenden vier Jahre wurden von der Opposition in einer Debatte zur Klimakonferenz in Warschau am vergangenen Donnerstag heftig kritisiert. Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete den Koalitionsvertrag als ein Desaster. "Wir sind wieder da im Kohlezeitalter in Deutschland", sagte sie.

Baerbock kritisierte die Deckelung des Ausbaus der erneuerbaren Energien ebenso wie den Verzicht auf ein Klimaschutzgesetz. Die Grünen hatten zur Debatte einen Antrag eingebracht (18/96), in dem sie forderten, den Emissionshandel zu stärken und das Emissionsziel der EU bis 2020 auf 30 Prozent zu erhöhen.

Für die Linke fasste Eva Bulling-Schröter die Ergebnisse des Warschauer Klimagipfels und die der Koalitionsgespräche mit einem Bild zusammen: "Mit Vollgas gegen die Wand". Die Gefahr des Klimawandels "wird kollektiv verdrängt", beklagte sie.

Autokoalition

Das Bündnis sei eine "Kohle- und Autokoalition", die wenig Gutes bringen werde. Auch Papst Franziskus, erklärte sie, habe jüngst weniger Egoismus und mehr Gerechtigkeit gerade auch in Klimafragen gefordert. "Wenn selbst der Papst das sagt, dann, meine ich, sollten auch Sie ihm einmal zuhören und nicht nur ich als alte Linke." Der Bundesumweltminister wies die Kritik zurück und erklärte, dass man sich im Koalitionsvertrag zu ambitionierten Treibhausgaszielen in der EU bekannt habe. "Wir wollen, dass Europa insgesamt Vorreiter wird", sagte er. Dies müsse man jedoch "mit Augenmaß tun", damit Arbeitsplätze in Deutschland erhalten bleiben und sich den neuen Bedingungen anpassen könnten. Denn es nütze nichts, wenn Unternehmen die Stahl, Kohle oder Aluminium produzierten, in andere Länder abwanderten, wo es weniger strenge Auflagen gebe. "Wir brauchen einen klaren nationalen Rahmen, wie wir Klimaschutzpolitik eigentlich organisieren wollen", sagte Frank Schwabe für die SPD. Er bedaure, "dass es ein solches Klimaschutzgesetz jetzt nicht geben soll". Auch sein Fraktionskollege Matthias Miersch räumte ein, dass es in jeder Koalition Kompromisse gebe. Diese Große Koalition müsse erreichen, dass Deutschland in Sachen Klimaschutz im internationalen Vergleich auch weiterhin ein nationales Vorbild darstelle: "Das muss unsere Messlatte sein."