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Kurz notiert

03.02.2014
2023-11-08T12:31:29.3600Z
4 Min

Anfang 2010 machte Pater Klaus Mertes als Rektor des Berliner Canisius-Kollegs den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche öffentlich. Mit einem Abstand von drei Jahren hat der Jesuit jetzt den Bogen weiter gespannt und setzt sich grundsätzlich mit der Vertrauenskrise in der Kirche auseinander. Dabei ist es Pater Mertes ein Anliegen, jene Strukturen aufzuzeigen, die missbräuchliche Machtausübung in der katholischen Kirche erst ermöglichen.

Als ein Beispiel für die vergiftete Atmosphäre nennt er das auf allen Hierarchieebenen geduldete "Petzen". "Eine kleine Schicht von Denunzianten petzt nach oben, die Leitung nimmt die Denunziation an und gibt zugleich den Denunzianten Anonymitätsschutz", schreibt Mertes. Zwar könnte das Petzen durch ein "Machtwort der Autorität unterbunden werden". Wer aber das "Ohr voll von Denunziationen habe, sei schwerhörig für die Geschichten von Opfern", zumal wenn deren Erlebnisse die Kirche nicht so gut dastehen ließen. Als weiteres Zeichen für Machtmissbrauch und Gewalt nennt Mertes die männerbündische Frauenfeindlichkeit in der katholischen Kirche. Eindringlich wirbt der Autor für einen theologischen Mentalitätswechsel in Bezug auf die Stellung der Frau. Kritisch merkt er an: "Wieso Jesus, der so auffällig mit dem Patriarchat brach, dezidiert darauf bestanden haben sollte, dass für die Dauer der Kirchengeschichte nur Männer Nachfolger der Apostel werden, ist nicht nachvollziehbar, zumal er auch Frauen in seine Nachfolge rief."

Immerhin gibt es Hoffnung: Die Kirche hat eine Sprache gefunden, die es allen Beteiligten ermöglicht, offen über das Thema sexuelle Gewalt zu sprechen. Auch in Rom gibt es Ansätze für einen Mentalitätswechsel: Papst Franziskus hat in einem Gefängnis Frauen die Füße gewaschen und 400 Priester in Österreich haben sich zusammengeschlossen, um wiederverheirateten Geschiedenen die Kommunion zu geben. Wem der "Schatz der Kirche" wichtig ist, dem sei das ehrliche und kluge Buch von Pater Mertes ausdrücklich empfohlen.

Klaus Mertes:

Verlorenes Vertrauen. Katholisch sein in der Krise.

Herder Verlag, Freiburg 2013; 223 S., 19,99 €

Wo liegen die Ursachen der Wirtschafts- und Finanzkrise seit dem Jahr 2009? Antworten findet der Leser in einigen hundert Studien und Büchern zahlreicher Wirtschaftsexperten, die vor der Krise zwar kein Wort über die drohende Gefahr veröffentlichten, sich dafür aber nach ihrem Ausbruch umso emsiger zu Wort meldeten. Wolfgang Hetzer hingegen interessiert sich vor allem für die Auswirkungen der Krise auf unsere Demokratien. Der promovierte Jurist ist ein anerkannter Experte im Kampf gegen Korruption, organisierte Kriminalität und internationale Geldwäsche. Im Kanzleramt in Berlin war er viele Jahre mit der Aufsicht über den Bundesnachrichtendienst betraut und später als Abteilungsleiter im Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung tätig.

In seinem neuen Buch analysiert Hetzer die Rolle der internationalen Banken in der globalen Finanzkrise. Die Finanzmärkte vergleicht der Autor mit Krisenherden, wobei es die Euro-Zone besonders hart getroffen habe. Das durch harte und ehrliche Arbeit geschaffene Vermögen ganzer Generationen werde angegriffen, meint der Autor. Die Aggressoren in Gestalt der Banker mit ihrer "hemmungslosen persönlichen Bereicherungsgier" hätten die Finanzkrise nicht nur ausgelöst, sondern die Politik weltweit auch noch gezwungen, die Banken zu retten. So glaube man heute, "die Expertenregierungen" könnten den Müll beseitigen, "den die Akteure auf den Finanzmärkten hinterlassen haben". Cliquen der internationalen Finanzwirtschaft, die wie "marodierende Söldnerarmeen" handelten, hätten nicht nur den demokratisch legitimierten Regierungen, sondern auch dem sozialen Frieden in Europa den Krieg erklärt. Als Hetzer dies schrieb, war der Telefonmitschnitt, in dem der Ex-Chef der Anglo Irish Bank, David Drumm, die Politik verhöhnt und sich über Verluste von mehreren Milliarden Euro lustig macht, noch nicht bekannt.

Dem Autor gelingt es in einer überzeugenden Analyse, das ganze Ausmaß der Bedrohung zu beschreiben. Hetzer hat ein kluges, informatives und faszinierendes Buch vorgelegt.

Wolfgang Hetzer:

Finanzkrieg. Angriff auf den sozialen Frieden in Europa.

Westend Verlag, Frankfurt/M. 2013; 320 S., 21,99 €