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Mehr als Sport und Spiele

MENSCHENRECHTE Fraktionen streiten über den Nutzen eines Boykotts der Olympischen Spiele in Sotschi

17.02.2014
2023-11-08T12:31:40.3600Z
3 Min

Wladimir Putin hatte sich vor den Olympischen Spielen in Sotschi großzügig gezeigt. Homosexuelle, betonte der russische Präsident bei einem Treffen mit freiwilligen Olympia-Helfern, seien in Sotschi willkommen. Sie müssten jedoch die Kinder in Ruhe lassen. Zuvor hatte die russische Staatsduma im Sommer 2013 ein Gesetz verabschiedet, welches die "Propaganda nicht-traditioneller Beziehungen" unter Strafe stellt. Zudem verbot sie Demonstrationen gegen die Diskriminierung von Menschen nicht-heterosexueller Orientierung.

Diese Vorgänge haben die Grünen-Fraktion im Bundestag eine Entscheidung fällen lassen: Wir fahren nicht zu Olympia nach Sotschi. "Er herrscht ein himmelweiter Unterschied zwischen den hehren Zielen der olympischen Bewegung, die in der Charta jede Form von Diskriminierung verbietet, und den tatsächlichen Zuständen in Russland", begründete die Abgeordnete Monika Lazar den Schritt ihrer Fraktion am Donnerstag im Plenum. Thema der Debatte waren die "Menschen- und Bürgerrechte im Sport". "Für uns macht eine Reise nach Sotschi während der Olympischen Spiele keinen Sinn, da keine Möglichkeit besteht, sich mit kritischen Stimmen in Russland zu treffen", sagte Lazar. Diese Personen bekämen entweder keinen Zugang zum olympischen Gelände oder säßen gar im Gefängnis. Für die "Putin-Spiele" stehe ihre Fraktion nicht zur Verfügung.

Miteinander reden

Diese Haltung stieß auf Kritik bei den anderen Fraktionen. Ein Boykott sei nicht zielführend, sagte der Unionsabgeordnete Frank Steffel in der Debatte. Und auch Andre Hahn von den Linken bedauerte, dass die Grünen nicht nach Sotschi fahren würden. Miteinander zu reden sei besser als übereinander zu reden, befand er. "Boykotte bringen wenig bis gar nichts; sie schaden aber immer, in jedem Fall dem Sport", sagte Hahn. Er habe in der aktuellen Mediendiskussion manchmal den Eindruck, dass die sportlichen Leistungen der Athleten, "die bei Olympia vielleicht den Höhepunkt ihrer Laufbahn erleben", in den Hintergrund gerieten. "Das haben die Sportler nicht verdient", betonte Hahn. Seine Fraktionskollegin Katrin Kunert habe vor Ort ein Zeichen gesetzt: Mit der Regenbogenfahne während der Eröffnungsfeier habe sie "wahrhaft Flagge gezeigt".

Sowohl Hahn als auch Steffel kritisierten die Grünen für ihr Ansinnen, einen kurzfristig vorgelegten Antrag (18/494) zum Thema sofort abstimmen zu lassen. Eine breite Diskussion im Sportausschuss hätte dem Anliegen mehr gedient, lautete ihre Einschätzung, der sich auch der SPD-Abgeordnete Detlev Pilger anschloss. Das "Hauruck-Verfahren" sei falsch, urteilte er. Ein solch wichtiges Thema brauche mehr Zeit und müsse "fundiert angegangen werden". Ebenso wie die Union könne auch seine Fraktion der Vorlage daher - trotz manch inhaltlicher Übereinstimmung - nicht zustimmen. Die Linksfraktion votierte hingegen trotz ihrer Bedenken hinsichtlich des Verfahrens für den Antrag, "da wir wissen, dass die von Homophobie und Ausgrenzung Betroffenen für derartige Verfahrensstreitigkeiten wenig Verständnis haben, sondern klare politische Zeichen erwarten".

In der Vorlage fordern die Grünen von der Bundesregierung unter anderem, "jede Einschränkung von Bürgerrechten für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender - kurz LGBT - bei Sportgroßereignissen, Olympischen und Paralympischen Spielen öffentlich zu benennen und zu kritisieren und aktuell auf die russische Regierung entsprechend einzuwirken". Auch solle die Bundesregierung die eingeschränkten Möglichkeiten des Protests während der Olympischen Spiele gegenüber der russischen Regierung thematisieren und sich dafür einsetzen, dass Menschen in unmittelbarer Nähe der olympischen Stätten für die Anliegen von LGBT demonstrieren dürfen. "Die Bundesregierung ist in der Pflicht", betonte Monika Lazar während der Debatte. Gleichzeitig zeigte sie sich enttäuscht von Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Dieser habe sich im Sportausschuss dahingehend geäußert, dass die Olympischen Spiele der falsche Ort seien, um auf Menschen- und Bürgerrechtsstandards zu drängen. "Die Olympischen Spiele sind genau der richtige Ort, um dies zu tun", befand hingegen Lazar. "Sport und Politik sind untrennbar miteinander verbunden." Ihr dränge sich der Eindruck auf, dass die Union kein Interesse an dem Thema habe.

Frank Steffel sprang de Maizière zur Seite. Der Minister habe sich im Sportausschuss sehr differenziert zu dem geäußert, was er in Sotschi tun werde und klar Position bezogen. Er habe darauf aufmerksam gemacht, dass er sich bei seinen Russland-Aufenthalten sehr wohl mit Regime-Kritikern und Vertretern von Menschrechtsgruppen treffe. De Maizière sei aber der Auffassung, "dass das ohne Scheinwerferlicht zielführender ist als mit". Diese Ansicht teile er, betonte Steffel und fügte überzeugt hinzu: Der Minister werde "wahrscheinlich in der Sache mehr bewegen, als durch manch schrilles Argument, das wir über die Zeitungen austauschen".