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Reiseziel Nummer Eins

TOURISMUS Die Branche boomt. Ländlicher Raum und Arbeitskräftemangel sind Problemfelder

24.02.2014
2023-08-30T12:26:10.7200Z
4 Min

Die Deutschen fahren gerne in Urlaub. Sehr gerne, und zwar sowohl im Inland als auch im Ausland. Nicht zu Unrecht trugen sie deshalb jahrelang den Titel "Reiseweltmeister". Diesen haben inzwischen die Chinesen inne und vielleicht auch deshalb kommen immer mehr ausländische Touristen nach Deutschland. Entsprechend boomt zurzeit die deutsche Tourismusindustrie: Deutschland ist beliebtestes Reiseziel und Kulturreiseland Nummer eins in Europa. Zum ersten Mal übernachteten 2012 über 400 Millionen Gäste zwischen Nordsee und Alpen. Die Branche erwirtschaftet jährlich 100 Milliarden Euro und beschäftigt 2,9 Millionen Menschen. Das offenbart der 17. Tourismuspolitische Bericht der Bundesregierung (17/13674), der am vergangenen Freitag im Bundestag debattiert wurde. Der Bericht war noch von der schwarz-gelben Vorgängerregierung in Auftrag gegeben worden.

Entsprechend positiv äußerte sich dann auch die Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium

und neue Beauftragte der Bundesregierung für Mittelstand und Tourismus, Iris Gleicke (SPD). Der Bericht zeige, dass der Tourismus in Deutschland eine eindrucksvolle Wirtschaftskraft entfalte. Wer vermute schon, dass im Jahr rund 280 Milliarden Euro Konsumausgaben in Deutschland dahinter stehen, sagte sie. 2,9 Millionen Menschen fänden in diesem Dienstleistungssektor Arbeit. Trotz aller guten Nachrichten gebe es auch Herausforderungen: Die Sorge der Branche über einen zunehmenden Mangel an Fachkräften sei sicherlich berechtigt, sagte Gleicke, aber auch die Arbeitgeber müssten sich fragen lassen, wie sie selbst zu attraktiveren Arbeitsbedingungen beitragen könnten. "Die Branche muss aus dem Schmuddelimage rauskommen", sagte sie. Der Mindestlohn setze hier eine unterste Haltelinie. Vielen kleinen Tourismusbetrieben im Mittelstand müsse man bei der Digitalisierung unter die Arme greifen. Schwierig sei zudem die Situation im ländlichen Raum. Der profitiere "noch nicht wirklich" von dem Boom der Tourismuswirtschaft. Dabei könne gerade die Reisebranche Arbeitsplätze und Einkommen in oft strukturschwache Regionen bringen. Für die Zukunft kündigte Gleicke einen konstruktiven Dialog mit den Bundesländern in der Tourismuspolitik an.

Kerstin Kassner (Die Linke) wies in ihrer ersten Rede im Bundestag darauf hin, dass der Bericht der Bundesregierung zwar viel Wissenswertes enthalte, an einigen Stellen aber weitere Impulse vermissen lasse. Auch Kassner sprach den Arbeitskräftemangel in der Tourismusindustrie an. Das Problem habe allerdings auch seine Gründe: "Man muss diesen Beruf lieben, denn wenn sich andere erholen, arbeiten die Touristiker." Kassner warf der Regierung vor, den Menschen nicht auch außerhalb der Saison zu helfen. Winterakademien wären hier nötig. Zur Verbesserung der Situation forderte sie außerdem einen ressortübergreifenden Koordinator für Tourismuspolitik im Bundeskanzleramt. Dieser könne die tourismuspolitischen Ansätze miteinander verknüpfen.

Für die Obfrau der CDU/CSU-Fraktion im Tourismusausschuss, Daniel Ludwig, zeigt der Bericht ganz klar: "Tourismus in Deutschland ist bekanntermaßen eine Erfolgsgeschichte." Darauf könne man aufbauen. Da die Tourismuswirtschaft ein so starker Wirtschaftszweig ist, begrüßte sie die Zuordnung zum Wirtschaftsministerium. Trotzdem dürfe man die andere Ministerien nicht aus der Verantwortung lassen, denn: "Tourismus ist ein Querschnitt durch alle Häuser." Zugleich wies Ludwig darauf hin, dass, obwohl Tourismuspolitik zwar eigentlich Ländersache sei, der Bund auch eine Rolle dabei spiele. "Die Rahmenbedingungen sind bei uns, daher müssen wir im Bund darauf schauen, dass diese passen." Als zukünftige Herausforderungen nannte sie neben dem Tourismus im ländlichen Raum und der Digitalisierung auch die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur. Bei den Arbeitsbedingungen im Tourismussektor könne man zudem einiges über das Berufsbildungsgesetz machen.

Markus Tressel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sagte, die Zahlen des Berichts seien zwar imposant, jetzt gelte es jedoch, das Erreichte zu sichern und weiter zu entwickeln. Der Bericht stelle eine Bilanz der Regierungskoalition der letzten vier Jahre dar, "aber Sie tragen Verantwortung, dass es voran geht mit der Tourismuspolitik in diesem Land". Ganze zwei Sätze widme der Bericht dem Thema Klimaschutz und Verkehr, kritisierte er. Dabei stelle gerade ersteres althergebrachte Urlaubsmodelle in Frage. "Da muss jetzt mehr Fleisch an den Knochen und zwar dringend." Schließlich sei eine intakte Umwelt Grundlage für jede Tourismusdestination. Des Weiteren forderte er die Fortführung des Projektes "Tourismusperspektiven im ländlichen Raum". Frank Junge von der SPD-Fraktion sagte, der Bericht offenbare, welche offenen Baustellen die alte Regierungskoalition hinterlassen habe. Es könne nicht sein, dass beinahe jeder Zweite seine Ausbildung in einem Beruf im Hotel- und Gaststättengewerbe abbreche. Daher müsse man im Schulterschluss mit den Ländern, den Industrie und Handelskammern, den Verbänden und den Gewerkschaften die Ausbildungsbedingungen im Tourismus deutlich verbessern.

Bei Enthaltung der Grünen stimmte der Bundestag dem Entschließungsantrag (18/605) zum 17. Tourismuspolitischen Bericht der Bundesregierung zu. Einen Entschließungsantrag der Linken (18/613) lehnte die Koalition bei Enthaltung der Grünen ab, ebenso einen Entschließungsantrag der Grünen (18/614), für den nur die beiden Oppositionsfraktionen stimmten.