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Abkehr vom Turbo-Abitur

17.03.2014
2023-08-30T12:26:11.7200Z
2 Min

Es ist eine Rolle rückwärts: Zehn Jahre nach seiner Einführung schafft Hessen das Turbo-Abitur nach acht Jahren weitgehend wieder ab. Vergangene Woche brachte die neue schwarz-grüne Landesregierung als erstes Projekt einen Gesetzentwurf in den Landtag ein, der nun auch den letzten Klassen an Gymnasien die Rückkehr zum neunjährigen Abitur (G9) erlaubt, wenn auch unter Bedingungen.

Zehn Jahre nach seiner Einführung ist das G8 im Westen Deutschlands gründlich gescheitert. Während die ostdeutschen Länder nach einem Ausflug zum neunjährigen Abitur zum achtjährigen Abitur zurückkehrten, kehrt im Westen ein Bundesland nach dem anderen dem G8 wieder den Rücken. Baden-Württemberg hat G9-Züge an Gymnasien wieder zugelassen, in Nordrhein-Westfalen bieten Modellschulen G9 an. In Niedersachsen sollen ab dem Schuljahr 2015/2016 wieder alle Gymnasial-Novizen regulär das neunjährige Abitur machen - G8 wird dann nur noch eine Wahloption sein. Und Bayern steht nun ein Volksbegehren ins Haus, dass das ungeliebte G8 völlig hinwegfegen könnte.

Wohl keine Schulreform in Deutschland ist jemals auf so heftige Gegenwehr gestoßen. Lehrer und Eltern gehen gemeinsam auf die Barrikaden, weil ihre Kinder in Stress versinken, Nachhilfekurse explodieren, Sportvereine und Musikschulen hingegen ihre jugendliche Klientel in Scharen verlieren. Zu viel Stoff in zu kurzer Zeit, G8 mache krank und "klaue" den Kindern ihre Kindheit, kritisieren Bürgerinitiativen.

Wie sehr man sich allerdings bei einer Rolle rückwärts verrenken kann, ist in Hessen zu beobachten. Dort hatte Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) im Sommer vor der Landtagswahl eine spektakuläre Rolle rückwärts hingelegt und verkündigt, die hessischen Gymnasien dürften zum G9 zurückkehren. Seine liberale Kultusministerin und G8-Verfechterin Nicola Beer war nicht amüsiert. Es folgte ein Schildbürgerstreich: Hessen erlaubte seinen Gymnasien zum Schuljahr 2013/2014 zwar die Rückkehr zum G9, nicht aber den 5. und 6. Klassen derselben Schulen. Begründung: Es müsse einen Bestandsschutz geben für die Eltern, die sich für G8 entschieden hätten. Doch die Proteste der Eltern flauten nicht ab, und so folgte Rolle rückwärts, Teil 2: Nachdem die FDP bei den Wahlen aus der Regierung geflogen ist, ermöglichen CDU und Grüne nun auch den Klassen 5 und 6 die Rückkehr zu G9 - falls sich alle Eltern einstimmig dafür aussprechen.

Ironie der Geschichte: Das Nachbarland Rheinland-Pfalz hat den Pflichtschwenk zu G8 nie mitgemacht - als einziges Bundesland. Dort wurde lediglich die Oberstufe um ein halbes Jahr verkürzt, das Abitur wird nach 18,5 Jahren gemacht. Und Turbo- Klassen an Gymnasien gibt es dort schon länger.