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Kurz notiert

17.03.2014
2023-08-30T12:26:11.7200Z
4 Min

Evgeny Morozov ist erst 29 Jahre alt und gehört doch schon zu den Berühmtheiten des digitalen Zeitalters. Seinen internationalen Ruhm verdankt der gebürtige Weißrusse seinen kritischen Artikeln über die digitale Revolution in der "New York Times" und im "Guardian". In Deutschland hat er eine eigene Kolumne in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", in der er scharfsinnige Analysen über die neuen Produkte des Silicon Valley veröffentlicht.

Bemerkenswert ist seine Kritik an den von Internetkonzernen hausgemachten Geschichten über die "Google"-, Facebook"-und "Twitter"-Revolutionen in Ägypten und im Iran. Als Mitarbeiter einer Nichtregierungsorganisation in den Staaten der früheren Sowjetunion hatte sich Morozov selbst davon überzeugen können, wie wenig der virtuelle Widerstand gegen die Machthaber in einem realen Überwachungsstaat ausrichten können.

In seinem neuen Buch über die "Smarte neue Welt" ruft der Harvard-Doktorand dazu auf, die Normen und demokratischen Institutionen nicht aufs Spiel zu setzen, um einige wenige Konzerne zufriedenzustellen. Andernfalls stehe das Innovationspotenzial des Internets insgesamt zur Disposition. Morozovs Buch ist allerdings etwas langatmig geraten. An manchen Stellen erinnert sein Werk an die zusammengeschusterte Seminararbeit eines Studenten. Nichtsdestotrotz lohnt die Lektüre, weil Morozov wie kein anderer den Einfluss der "sozialen Medien" auf die Politik hinterfragt. Vor allem kritisiert er die sich modern gebenden Protagonisten einer digitalen Gesellschaft, für die das Netz eine Antwort selbst auf die schwierigsten politischen Herausforderungen bereithält. Die Piratenpartei kommt bei Morozov besonders schlecht weg: Bis auf die "Internetfreiheit" kümmere sie sich kaum um ein anderes Thema und glaube, allein mit Online-Befragungen politische Problemen lösen zu können. Im Gegensatz zur Kaste der Netztechnokraten hält Morozov an dem auf Parteien basierenden Modell der repräsentativen Demokratie fest.

Evgeny Morozov:

Smarte neue Welt. Digitale Technik und die Freiheit des Menschen.

Blessing Verlag, München 2014; 655 S., 24,99 €

Der Informatiker, Musiker und Philosoph Jaron Lanier hat eine neue Streitschrift gegen Open-Source-Systeme, das kostenlose Internet im Allgemeinen und Wikipedia im Besonderen vorgelegt. Damit knüpft er an sein erfolgreiches Buch "Gadget" an, mit dem er sich international einen Namen machte. Obwohl der Erfinder des Begriffs der "virtuellen Realität" einst die Schule abbrach, unterrichtet er heute an der renommierten University of California in Berkeley und arbeitet für Microsoft.

Mit "Wem gehört die Zukunft" führt Lanier seinen Kreuzzug gegen digitale Monopolisten wie Google, Facebook oder Versicherungsunternehmen weiter, die mittels gigantischer Server die Bevölkerung, die Politik und die Wirtschaft kontrollieren. Treffend spricht er in Anspielung auf die griechische Mythologie von "Sirenenservern", die die Demokratie bedrohen. Lanier geht es aber nicht nur darum, die Überwachungsmöglichkeiten in Diktaturen oder die Praktiken von Geheimdiensten anzuprangern. So kritisiert er beispielsweise die amerikanischen Präsidentschaftswahlkämpfe mit ihren detaillierten Datenanalysen der Wählerinnen und Wähler. Die "Sirenenserver" leisten nach Laniers Ansicht einer Machtkonzentration in Politik und Wirtschaft Vorschub. Um diesen Prozess zu stoppen, sei in der Informationsökonomie eine starke Mittelschicht erforderlich. Doch selbst deren Erfolgschance schätzt er nicht sonderlich hoch ein.

Lanier warnt davor, persönliche Daten kostenlos an Großkonzerne zu verschenken, die damit Milliarden verdienten. Den unkritischen Konsumenten und den selbsterklärten "Cyber-Demokraten" wirft er vor, die Risiken der Alles-umsonst-Kultur zu ignorieren. Auch Tablet-Computer oder Smartphones sollten nicht glorifiziert werden, denn sie dienten mehr der Kontrolle als der Freiheit des Menschen. Deren hemmungsloser Gebrauch führe zum "Sieg der Passivität über die aktive Mitbestimmung".

Laniers Streitschrift ist ein Muss für jeden, der sich über seine persönliche digitale Existenz im Internetzeitalter Klarheit verschaffen will.

Jaron Lanier:

Wem gehört die Zukunft? Du bist nicht der Kunde der Internet-Konzerne, du bist ihr Produkt.

Hoffmann & Campe, Hamburg 2014; 480 S., 24,99 €