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Die Kraft der Sehnsucht

VON JÖRG BIALLAS

17.03.2014
2023-08-30T12:26:11.7200Z
2 Min

Im Stil der Kanonenboot-Politik des ausgehenden 19. hat Russland im beginnenden 21. Jahrhundert die Krim an sich gerissen. Damit steht Europa vor der größten sicherheitspolitischen Krise seit dem Ende des Kalten Krieges. Entsprechend sorgenvoll wurde dieses Thema in den Gremien des Bundestages verhandelt. Im Zentrum stand dabei stets die Frage: Wie kann der russische Präsident Wladimir Putin dazu bewegt werden, die souveränen Rechte der Ukraine anzuerkennen und seine Truppen von der Halbinsel im Süden des Landes abzuziehen?

Wie immer, wenn es um einen Verstoß gegen das Völkerrecht geht, ist diplomatisches Geschick gefragt. Dazu gehört eine möglichst nüchterne Interpretation des Geschehens. Etwa die: Gegenüber Russland zählen keine Argumente, die auf einem westlichen Verständnis von Demokratie fußen. Heute in der Ukraine ebenso wenig, wie seinerzeit in Georgien, Tschetschenien oder anderswo. Und: Die Ereignisse in der Ukraine sind der Beweis dafür, dass der jahrelange Versuch, Putin an den Westen zu binden, gescheitert ist. Territorial bewegt sich das Machtdenken im Kreml noch immer in den Grenzen der Sowjetunion, allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz. Besonders zynisch: Ausgerechnet im unmittelbaren Umfeld der Friedensspiele im eigenen Land ist es derselbe Mann, der fast in einem Atemzug die Athleten der Welt willkommen heißt und dann seinen Truppen den Marschbefehl erteilt.

Und doch muss es das Ziel des Westens sein, gegenüber Moskau alles zu tun, damit Völker wie das ukrainische selbstbestimmt über die eigene Zukunft entscheiden können. Das wird nur über Gespräche, Angebote, aber auch Kritik gehen. Ein starkes Argument ist der Hinweis auf den Mut, mit dem die Menschen in Kiew und anderen Städten des Landes für ihre Rechte gekämpft haben. Diese Entschlossenheit hat gezeigt, dass es nicht unmöglich ist, vermeintlich übermächtige russische Einflussnahme abzuschütteln und sich in den Reigen der inzwischen emanzipierten ehemaligen Ostblock-Staaten einzureihen. Das mag nicht immer im ersten, vielleicht auch nicht im zweiten Anlauf gelingen. Auf Dauer wird die Sehnsucht nach Freiheit aber siegen. Das jedenfalls hat die Geschichte mannigfach gezeigt. Die westliche Welt ist gut beraten, diesen Prozess mit Fingerspitzengefühl zu begleiten. Manche behaupten, das gelte sogar für russlandaffine Altkanzler.