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Kurz notiert

12.05.2014
2023-08-30T12:26:14.7200Z
3 Min

Am Haupteingang zum Oktoberfest an der Münchner Theresienwiese explodierte am 26. September 1980 ein Sprengsatz. Die in einem Abfalleimer deponierte Bombe tötete 13 Menschen, über 200 wurden verletzt. Die Ermittlungsbehörden identifizierten schnell den beim Anschlag getöteten 21 Jahre alten Studenten Gundolf Köhler als Alleintäter.

Mehr als 30 Jahre lang untersuchte der Münchner Journalist Ulrich Chaussy den Terrorakt. Als Quellen dienten ihm unter anderem die Ermittlungsakten, die man ihm 1983 zugespielt hatte. Daraufhin warf er dem Staatschutz in der ersten Fassung seines 1985 erschienenen Buches vor, wichtigen Hinweisen von Augenzeugen weder nachgegangen zu sein, noch sie richtig interpretiert zu haben. Stattdessen hätten sich die Ermittler von Anfang an auf Köhler als Einzeltäter festgelegt. Dass er nachweislich zwei Mal mit Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann trainiert und deren rechtsextreme Gesinnung geteilt hatte, habe während der Ermittlungen keine Rolle gespielt. In der aktualisierten Fassung seines Buches stützt sich der Autor vor allem auf Augenzeugenberichte: Danach wurde der Täter zusammen mit mehreren Personen unmittelbar vor der Explosion gesehen.

Nach dem Anschlag vom September 1980 machten konservative Politiker die amtierende sozial-liberale Bundesregierung, insbesondere den damaligen Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP), für den Terrorakt verantwortlich. Unions-Kanzlerkandidat Franz Josef Strauß (CSU) suchte das Ereignis für seinen Wahlkampf auszuschlachten und warf Baum vor, den politisch motivierten Terrorismus zu verharmlosen. Dabei hatte Strauß selbst das Treiben der Wehrsportgrupe Hoffmann wiederholt heruntergespielt.

Chaussy zieht Parallelen zwischen dem Anschlag von 1980 und den NSU-Morden: In beiden Fällen hätten die Staatsschutzorgane viel zu lange weggesehen beziehungsweise die Täter unter ausländischen Kriminellen gesucht. Sein Fazit lautet: Das Verdrängen des rechten Terrors begann bereits in München.

Ulrich Chaussy:

Oktoberfest. Das Attentat. Wie die Verdrängung des Rechtsterrors begann.

Ch. Links Verlag, Berlin 2014; 269 S., 19,90 €

Juli 1914: "Fest steht und treu die Wacht, die Wacht am Rhein!", schmettern deutsche Reservisten, die schwarz-weiß-rote Fahne schwenkend, wenige Tage vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Zentrum von London. Der beurlaubte Leutnant Cordt von Brandis marschiert begeistert mit und hält diesen heute so absurd anmutenden Moment in seinem Tagebuch fest. 19 Monate später wird er während der "Urschlacht des Jahrhunderts" von Verdun für spätere Historiker weitere wertvolle Beobachtungen notieren.

Die längste Schlacht der Weltgeschichte dauerte zehn Monate: vom deutschen Angriff am 21. Februar 1916 bis zum Ende der französischen Großoffensive am 20. Dezember 1916. Sie kostete 700.000 Soldaten das Leben. Dieses Ereignis veränderte nicht nur die politische Lage in Frankreich und in Deutschland, sie befeuerte auch die Entstehung der "Dolchstoßlegende", begünstigte den Bau der Maginot-Linie und legte damit die Grundlage für Frankreichs Niederlage gegen die Wehrmacht im "Blitzkrieg" 1940. Dies arbeitet der Historiker Olaf Jesse in seinem enzyklopädischen Werk über die Schlacht überzeugend heraus.

Jesse nutzte für seine Recherchen nicht veröffentliche deutsche und französische Archivdokumente über das militärische Vorgehen bei Verdun und untermauert seine Erzählung mit hunderten Augenzeugenberichten, vom General bis zum Zugführer. So gelingt es ihm, das Wechselspiel zwischen dem "Krieg des kleinen Mannes" und dem der Heerführer zu beleuchten. Ausführlich analysiert Jesse die berühmt-berüchtigte "Weihnachtsdenkschrift" des Generalstabschefs Erich von Falkenhayn, um dem Leser zu verdeutlichen, was dieser unter dem "Ausbluten" der Franzosen bei Verdun verstand.

Obwohl die zahlreichen Zitate den Erzählfluss häufig unterbrechen und die Lektüre so erschweren, macht diese Art der Darstellung das Buch gleichzeitig so wertvoll und authentisch. Der Leser meint den Soldaten selbst zuhören zu können, die vor hundert Jahren in die Hölle von Verdun geschickt wurden.

Olaf Jessen:

Verdun 1916. Urschlacht des Jahrhunderts.

C.H. Beck Verlag, München 2014; 496 S., 24,95 €