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Junge Forscher ohne Sicherheiten

BILDUNG Fraktionen streiten über Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetz

10.06.2014
2023-08-30T12:26:15.7200Z
3 Min

Zu viele Anstellungsverhältnisse in der Wissenschaft sind befristet. Darüber waren sich alle Fraktionen am vergangenen Freitag in der Debatte über die von Bündnis 90/Die Grünen geforderte Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetz weitestgehend einig. Die Grünen begründeten ihren entsprechenden Gesetzentwurf mit den prekären Beschäftigungsverhältnissen, mit denen sich Wissenschaftler über Jahre hinweg begnügen müssten, selbst nachdem sie eine Promotion abgeschlossen haben.

Kai Gehring (Grüne) warf der Regierungskoalition vor, nicht genug für die junge Generation und vor allem den wissenschaftlichen Nachwuchs zu tun. "Die Zögerlichkeit schadet dem wissenschaftlichen Nachwuchs", kritisierte er. Der Nachwuchs sorge mit seinem Wissen und Können für dringend benötigte Innovationen. Hochschulen und Forschungseinrichtungen seien Herzstücke des Wissenschaftssystems. Beinahe neun von zehn Wissenschaftler an deutschen Hochschulen seien befristet beschäftigt, rechnete Gehring vor. Dies gelte auch für die Phase nach der Promotion. 51 Prozent der Verträge an den Hochschulen und 44 Prozent der Verträge an den Forschungseinrichtungen hätten eine Laufzeit von unter einem Jahr. "Das sind Zustände, die sich kein Unternehmen leistet, das genauso wie der Wissenschaftsbetrieb auf Spitzenpersonal angewiesen ist." Gehring monierte zudem, dass nicht nur junge Wissenschaftler von befristeten Verträgen betroffen seien, sondern auch Menschen im Alter von mehr als 40 oder gar 50 Jahren.

Die Grünen fordern deshalb gesetzliche Mindestvertragslaufzeiten für Wissenschaftler nach dem erfolgreichen Abschluss der Promotion. Diese Wissenschaftler sollen nur noch in begründeten Ausnahmefällen eine Vertragslaufzeit von unter zwei Jahren erhalten.

Handlungsbedarf

Alexandra Dinges-Dierig (CDU) stimmte zwar grundsätzlich zu, dass es bei der Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes Handlungsbedarf gäbe. Dennoch kritisierte sie den Gesetzentwurf der Grünen als veraltet. Er sei fast wortgleich bereits im Frühjahr durch die rot-grün regierten Bundesländer in den Bundesrat eingebracht worden. Die seitdem geführten Debatten hätten in dem Entwurf jedoch keinen Niederschlag gefunden. Als Beispiel benannte die Parlamentarierin die Schaffung verlässlicher Karrierewege. Der vorgelegte Gesetzentwurf biete keine Lösung, sondern führe zu Starrheit und neuer Ungerechtigkeit.

Ralph Lenkert (Die Linke) hingegen begrüßte den Gesetzentwurf grundsätzlich: "Eine Novelle ist überfällig." Wissenschaftler, die sich fast ein Leben lang von einer Stelle zu anderen hangeln müssten, fühlten sich "ausgebeutet und missbraucht". Auch die Familienplanung leide darunter. Es sei kein Wunder, wenn Absolventen die erste Chance ergreifen, um in die Industrie oder ins Ausland zu wechseln. Lenkert forderte Mindestvertragslaufzeiten von wenigstens zwölf Monaten.

Blick ins Ausland

Für die SPD-Fraktion wies Simone Raatz den Gesetzentwurf der Grünen zurück. Sie räumte allerdings ein, dass er dem SPD-Entwurf aus dem Frühjahr 2013 gleiche. "Die Zeit ist darüber hinweg gegangen und wir wollen den Antrag weiter qualifizieren", begründete sie die Ablehnung ihrer Fraktion. Gleichwohl sieht auch Raatz Handlungsbedarf. Sie ging mit ihrer Forderung nach Mindestlaufzeiten von 24 Monaten sogar über die Forderung der Linken hinaus. Sie verwies auf die Bedingungen von Wissenschaftlern in anderen Ländern. In den USA seien lediglich 14 Prozent der Stellen befristet und in England läge die Befristungsquote bei 28 Prozent. Daran müsse sich Deutschland orientieren, forderte Raatz.