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Flüchtlinge : Mehr Leistungen geplant

Die Koalition will das Asylbewerberleistungsgesetz umfassend reformieren

13.10.2014
2023-08-30T12:26:20.7200Z
3 Min

Vor zwei Jahren fällte das Bundesverfassungsgericht ein Urteil, in dem die Richter dem, immer noch geltenden, Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) kein gutes Zeugnis ausstellten. „Die Höhe der dort definierten Geldleistungen für Asylbewerber sind mit dem Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1, Absatz 1 GG unvereinbar“, urteilte das oberste Gericht. Es kritisierte, dass die Höhe dieser Leistungen seit 1993 trotz erheblicher Preissteigerungen nicht verändert worden seien und sie außerdem „weder nachvollziehbar noch realitätsgerecht“ berechnet würden.

„Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf kommen wir endlich dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts nach“, zeigte sich die Parlamentarische Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) am vergangenen Donnerstag erleichtert. An diesem Tag befasste sich der Bundestag erstmals mit dem Entwurf (18/2592). Dessen Lektüre konnte die Opposition aus Grünen und Linken jedoch wenig besänftigen. Sie hielten an ihrer grundsätzlichen Ablehnung des Gesetzes fest.

Mit der Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes plant die Bundesregierung unter anderem, die neuen Leistungssätze auf Grundlage der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) neu zu ermitteln und gegenüber den alten Leistungssätzen deutlich anzuheben. Wie auch im Zweiten und Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB II und SGB XII) sollen diese künftig regelmäßig nach einem Mischindex neu festgelegt werden. Für Kinder und Jugendliche sollen bereits von Beginn des Aufenthalts in der Bundesrepublik ein Anspruch auf die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets bestehen. Die Dauer des Bezugs von Grundleistungen nach dem AsylbLG soll von derzeit 48 auf 15 Monate verkürzt werden. Das bedeutet, dass Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG bereits nach 15 Monaten Leistungen entsprechend dem SGB XII beziehen können. Damit werden Asylbewerber auf eine Stufe mit Beziehern von Hartz-IV-Leistungen und langjährig Arbeitslosen gestellt. Zugleich soll die Wartefrist künftig an die Dauer des tatsächlichen Aufenthalts gekoppelt sein und nicht mehr an die sogenannte Vorbezugszeit. Menschen mit einem humanitären Aufenthaltstitel nach Paragraf 25 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes werden aus dem Anwendungsbereich des AsylbLG insoweit herausgenommen, als dass sie künftig Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII erhalten, wenn die Entscheidung über die Aussetzung ihrer Abschiebung 18 Monate zurückliegt. Durch diese Reform erhalten die Betroffenen Rechtssicherheit. „Ich finde, das ist ein substanzieller Gewinn“, so das Resümee von Lösekrug-Möller.

Streit um Sachleistungen Dem konnte sich Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linken, nicht anschließen: „Was Sie hier jetzt vorgelegt haben, ist beschämend“, stellte sie fest und warf der Koalition vor, die „Diskriminierung“ von Flüchtlingen auch in der reformierten Fassung des Gesetzes beizubehalten. Jelpke forderte in diesem Zusammenhang die Abschaffung von Sammelunterkünften und den Verzicht auf das Sachleistungsprinzip.

Wie Jelpke machte sich auch Luise Amtsberg, für die Grünen Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, für eine Abschaffung des AsylbLG stark. Ihre Fraktion hatte dazu einen Gesetzentwurf (18/2736) vorgelegt, der am Ende der Debatte an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen wurde. Amtsberg kritisierte, der Entwurf gleiche die Bedarfssätze für Asylsuchende nicht vollständig an die Sozialhilfesätze für Einheimische an und unterbiete dadurch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Außerdem würde den Flüchtlingen nach wie vor der Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung vorenthalten, was den „diskriminierenden“ Charakter des Gesetzes unterstreiche, so Amtsberg.

Jutta Eckenbach, für die CDU Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales, verteidigte den Entwurf. Er gewährleiste die bedarfsorientierte Existenzsicherung der Betroffenen, deren Unterbringung im Übrigen keinesfalls menschenunwürdig sei. Auch sei es richtig, am Sachleistungsprinzip festzuhalten, die Hilfe für die Betroffenen könne nicht ausschließlich in Geldleistungen erfolgen, befand sie und forderte, den Asylkompromiss von 1993 „im Grundsatz nicht zu verlassen“.

Kerstin Griese (SPD), Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales, versuchte, die Kritik am Entwurf mit dem Hinweis auf ein geplantes Gesetzesvorhaben zu entkräften. So solle mit der Reform der EU-Aufnahmerichtlinie auch die Gesundheitsversorgung von Asylbewerbern verbessert werden. „Das ist dringend nötig“, betonte sie. Außerdem verwies sie auf den jüngsten Kompromiss des Bundesrates. Darin ist unter anderem der Vorrang von Geld- vor Sachleistungen und die Abschaffung der Residenzpflicht nach drei Monaten Aufenthalt vorgesehen. „Das werden wir in einem nächsten Schritt hier vorlegen“, kündigte Griese an.