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Finanzen : Weniger Risiko für den Steuerzahler

Bankenunion nimmt Gestalt an. Bundesbank sieht ihre Rolle bei der Aufsicht geschwächt. Geldhäuser sollen durch ESM direkt rekapitalisiert werden

13.10.2014
2023-08-30T12:26:21.7200Z
5 Min

Das Maßnahmenpaket zur Bankenrekapitalisierung im Rahmen der geplanten europäischen Bankenunion findet weitgehend die Zustimmung der Experten. Dies wurde vergangene Woche bei einer öffentlichen Anhörung des Haushaltsausschusses deutlich, bei der es um die Gesetzentwürfe der Bundesregierung zur Änderung des ESM-Finanzierungsgesetzes (18/2577) sowie zur Änderung der Finanzhilfeinstrumente (18/2580) ging. Die vorgesehenen Änderungen der Gesetze zielen darauf ab, dass der permanente Euro-Rettungsschirm ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) auch zur direkten Rekapitalisierung von Finanzinstituten beitragen kann, sobald ein einheitlicher Aufsichtsmechanismus für Banken in der Eurozone unter Einbeziehung der Europäischen Zentralbank (EZB) eingerichtet ist.

Für den Managing Director des ESM, Klaus Regling, ist die direkte Bankenrekapitalisierung durch den ESM die „letzte Verteidigungslinie“ zur Unterstützung eines Landes. Er wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass auch dieses Instrument auf der Eigenverantwortung des Staates, der die Finanzhilfe beantragt, basiere. Zudem käme die direkte Bankenkapitalisierung überhaupt erst in Frage, wenn es bereits zur Gläubigerbeteiligung gekommen sei. Insgesamt hielt er es für „relativ unwahrscheinlich“, dass das Instrument der direkten Bankenrekapitalisierung gebraucht werde. „Aber es ist gut, es zu haben.“

Regling betonte, dass der ESM nur in überlebensfähige Banken investieren dürfe. Der ESM könne eine Bank erst dann rekapitalisieren, wenn Staatshilfen und damit verbunden ein Umstrukturierungsplan von der Europäischen Kommission genehmigt seien. Wichtig sei auch noch, dass der ESM von seiner maximalen Ausleihekapazität von 500 Milliarden Euro höchstens 60 Milliarden Euro für die direkte Rekapitalisierung von Banken verwenden dürfe. Er wies darauf hin, dass bei allen Grundsatzentscheidungen der Bundestag beteiligt werden müsse.

Fehlanreize Die Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, Professor Claudia M. Buch, hält die Einführung eines ESM-Instruments zur direkten Bankenrekapitalisierung vor dem Hintergrund der Einigungsnotwendigkeit auf europäischer Ebene für „politisch und in der Sache vertretbar“. Jede Form der gemeinsamen Haftung berge jedoch das Risiko von Fehlanreizen, was in der Ausgestaltung der Leitlinien für das ESM-Instrument berücksichtigt werden sollte. Es müsse darauf geachtet werden, dass das maximale Volumen des Instruments die von den Mitgliedsstaaten der Eurozone vereinbarten 60 Milliarden Euro nicht überschreite.

Auch Michael Wolgast vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband unterstützte die Gesetzesvorschläge. Besonders die im Entwurf verankerte Verknüpfung der Inanspruchnahme des Instruments mit der Erfüllung von wirtschafts- und finanzpolitischen Auflagen durch den antragstellenden Mitgliedstaat sowie die vertraglich festgesetzte Höchstgrenze der Finanzmittel würden die Regelung unbedenklich erscheinen lassen. Das neue Instrument sei eine wichtige Säule im neuen Ordnungsrahmen, sagte er.

Guntram B. Wolff von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel hält ein direktes Rekapitalisierungsinstrument für Banken für sinnvoll. Deshalb empfahl er den Abgeordneten, dem neuen Instrument zuzustimmen. Dies sei eine Ergänzung der Bankenunion und könne zur Stabilisierung des Finanzsystems beitragen, indem staatliches Risiko reduziert werde, schreibt er. Allerdings sei seine Anwendung aufgrund zahlreicher Bedingungen unwahrscheinlich und nur nach starker Beteiligung der Gläubiger und des ESM-Mitgliedslandes möglich. Er kritisierte, dass das Ziel der Entkoppelung von Staats- und Bankenrisiko mit dem Instrument nicht gelöst werde.

Für Professor Michael Koetter von der Frankfurt School of Finance and Management ist das Instrument ein „gangbarer Kompromiss“. Trotzdem hielt er den gewählten Weg für „ungleich unperfekter“ als ein Hinwirken der Politik auf eine demokratisch breit legitimierte Fiskal- und Wirtschaftsunion, welche notwendig sei, um die Leistungskraft einzelner EU-Staaten zu gewährleisten. Von dieser wirtschaftlichen Leistungskraft einzelner Mitgliedsstaaten hänge letztlich die Inanspruchnahme des ESM ab.

Für Professor Jörg Rocholl von der European School of Management and Technology ist Glaubwürdigkeit der Gläubigerbeteiligung sowie die genauen Gestaltung der Abfolge von indirekter und direkter Bankenrekapitalisierung entscheidend. Diese beiden Punkte müssten deutlicher und transparenter geklärt werden, um Risiken zu verringern. Professor Christian Calliess von der Freien Universität Berlin hatte keine europa- oder verfassungsrechtlichen Bedenken.

Im System der neu zu schaffenden europäischen Bankenaufsicht sieht sich allerdings die Deutsche Bundesbank in ihrer Rolle geschwächt. In der Anhörung des Finanzausschusses erklärte ihr Vertreter, mit den geplanten Gesetzesänderungen werde die Europäische Zentralbank nur noch durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterstützt und nicht mehr durch die Deutsche Bundesbank. „Eine solche Ausgestaltung würde die Rolle der Bundesbank stark schwächen“, heißt es in der Stellungnahme. Die Bundesbank würde auch den direkten Zugriff auf die für die Erfüllung ihrer Aufgaben in den Bereichen Geldpolitik und Finanzstabilität wichtigen Informationen verlieren.

Die Bundesbank brauche den direkten Zugang zur EZB, erklärte er und wies darauf hin, dass die EZB diese Auffassung teile. Zustimmung für diese Position gab es auch von der BaFin selbst, die keine Notwendigkeit erkennen konnte, „die bestehende Aufgabenverteilung zwischen Bundesbank und Bundesanstalt in Zweifel zu ziehen“. Bundesbank und Bundesanstalt könnten ihre bewährte Zusammenarbeit auch zukünftig auf Grundlage der bestehenden Regelungen fortsetzen. Die BaFin zeigte sich „guten Mutes“, dass die EZB wie geplant im November mit der Aufsicht über die größten europäischen Banken beginnen könne. Dazu habe die EZB viele Mitarbeiter von der BaFin übernommen.

Grundlage dieser Anhörung war der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines BRRD-Umsetzungsgesetzes (18/2575). Damit soll in Deutschland die Abwicklung auch großer systemrelevanter Finanzinstitute möglich werden, ohne dass die Finanzstabilität gefährdet wird. Mit dem Entwurf wird die EU-Abwicklungsrichtlinie umgesetzt. Wie aus dem Gesetzentwurf hervorgeht, soll die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilität (FMSA) zunächst nationale Abwicklungsbehörde werden und später als „Anstalt in der Anstalt“ in die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) integriert werden. Ein Vertreter der FMSA versicherte in der Anhörung, es würden keine Doppelstrukturen aufgebaut.

Vorgesehen ist, dass die Kreditinstitute Sanierungspläne zur Vorbereitung auf den Krisenfall erstellen sollen. Die Abwicklungsbehörde soll weitreichende Befugnisse erhalten, um im Fall einer Bestandsgefährdung eines Instituts eine geordnete Abwicklung betreiben zu können und dabei die Finanzstabilität zu wahren sowie öffentliche Mittel und gedeckte Einlagen der Kunden zu schützen.

Ein weiterer in der Anhörung besprochener Gesetzentwurf (18/2576) hat das Ziel, den bisher in nationaler Regie geführten nationalen Abwicklungsfonds für in Schieflage geratene Banken auf den einheitlichen europäischen Abwicklungsfonds zu übertragen. In Zukunft soll somit nicht mehr die Steuerzahler, sondern vorrangig die Finanzinstitute selbst für die Kosten von Bankenproblemen aufkommen.

Der Fonds sei viel zu klein konzipiert, beklagte Professor Rudolf Hickel (Universität Bremen): „Ich weiß gar nicht, wie der funktionieren soll.“ Und Professor Martin Hellwig (Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern) sagte, das gesamte Gesetzespaket gehe davon aus, dass man ohne Rückhalt durch den Steuerzahler auskomme: „Das halte ich für eine gefährliche Illusion. Dies umso mehr, als die Regeln für die Gläubigerhaftung zwar im Ansatz richtig sind, in der Durchführung aber nicht völlig überzeugen können.“ Auch die Ansiedlung der Bankenaufsicht bei der EZB sollte noch einmal diskutiert werden. Auf einen anderen Aspekt machte Professor Franz Christoph Zeitler (Universität Augsburg) aufmerksam. Danach sei die Entlastung für Verbundinstitute wie die deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die über eigene Schutzsysteme verfügten, von der Bankenabgabe viel zu gering. Dies bestätigte ein Vertreter der Sparkassen. Nach dessen Angaben werden nur 70 der 410 Sparkassen in den Genuss von Erleichterungen für kleine Banken bei der Bankenabgabe kommen. Nach Angaben des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken bekommen auch 20 Prozent der Genossenschaftsbanken keine Erleichterungen.