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MANDATE : Konflikte abseits der Schlagzeilen

Bundestag berät über die Fortführung der Bundeswehreinsätze im Südsudan und in Darfur

10.11.2014
2023-08-30T12:26:22.7200Z
4 Min

Von vergessenen Konflikten ist die Rede, von Katastrophen, die es im Schatten von Syrien, Irak oder Ebola kaum in die Schlagzeilen schaffen. Vergangene Woche beriet der Bundestag über zwei Anträge der Bundesregierung (18/3005; 18/3006) zur Fortsetzung der Bundeswehreinsätze im Südsudan (UNMISS) und in Darfur (UNAMID).

Frithjof Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen) erinnerte daran, dass die Vereinten Nationen die Lage im Südsudan neben den Konflikten im Nahen Osten und in der Zentralafrikanischen Republik „als eine der schwersten humanitären Krisen auf dieser Welt“ einschätzen würden: 1,9 Millionen Menschen seien infolge der bewaffneten Auseinandersetzung zwischen dem Lager des Präsidenten Kiir und des ehemaligen Vizepräsidenten Machar vertrieben worden, 3,8 Millionen Menschen seien auf humanitäre Hilfe angewiesen – und dennoch komme diese Entwicklung in den Nachrichten kaum vor. „Man nennt das den CNN-Effekt: Wenn CNN nicht mehr berichtet, dann haben wir es mit einer schon fast vergessenen Krise zu tun“, sagte Schmidt.

Ralf Brauksiepe (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, sprach von einer „traurigen Entwicklung, wenn man an den hoffnungsvollen Aufbruch vor drei Jahren denkt, als der Südsudan nach einer langen Periode von Auseinandersetzungen in die Unabhängigkeit entlassen wurde“. Mit der Neuausrichtung des UNMISS-Mandats durch den UN-Sicherheitsrat seien die Aufgaben klar auf den Schutz der Zivilbevölkerung fokussiert, die Zahl der von der internationalen Staatengemeinschaft einzusetzenden Soldaten deutlich erhöht worden.

Waffenembargo Genau daran störte sich Jan van Aken (Die Linke): „Mehr Soldaten, weniger Staatsaufbau. Wir lehnen diesen Fokus auf das Militärische ab.“ UNMISS sei von Anfang an ein „Mandat in Schieflage gewesen“ – und das liege auch daran, dass die südsudanesische Regierung unter Salva Kiir „damals wie heute Teil des Problems“ sei. Van Aken forderte ein Waffenembargo. „Sorgen Sie dafür, dass der Zufluss an Waffen und Munition in den Südsudan gestoppt wird!“

Dieser Forderung schloss sich Frithjof Schmidt zwar an, er sagte aber auch: „Ein Abzug oder auch nur eine Schwächung von UNMISS hätte grauenvolle Konsequenzen.“ Fakt sei, dass 100.000 Menschen in UNMISS-Camps Schutz gefunden hätten. „Das allein ist doch Grund genug für eine Fortsetzung dieses Einsatzes.“

Roderich Kiesewetter (CDU) betonte, dass die UN hier kein militärisches Mandat verfolgen, sondern Militär im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes Unterstützung leisten würden. Dies zeige sich auch in den Hilfen von deutscher Seite: Für die Beteiligung der Bundeswehr seien eine Million Euro eingeplant, während 40 Millionen Euro für humanitäre Hilfe bereitgestellt würden: „Ein Verhältnis von 1 zu 40. Nennen Sie mir einen Einsatz, wo dieses Verhältnis noch einmal erreicht wird!“, sagte Kiesewetter.

Laut Antrag der Bundesregierung soll sich die Bundeswehr bei UNMISS bei der Wahrnehmung von „Führungs-, Verbindungs-, Beratungs- und Unterstützungsaufgaben“ beteiligen sowie bei der technischen Ausrüstung und Ausbildung truppenstellender Nationen helfen. Die Zusatzausgaben für den Einsatz von bis zu 50 Soldaten längstens bis zum 31. Dezember 2015 beziffert die Bundesregierung auf rund eine Million Euro.

Die gleichen Konditionen – bei Kosten von rund einer halben Millionen Euro – sollen auch für die Beteiligung der Bundeswehr bei der gemeinsam von UN und der Afrikanischen Union getragenen UNAMID-Mission gelten. Staatssekretär Brauksiepe trug die nackten Zahlen der Katastrophe in der Region Darfur im Sudan vor: „Waren Ende 2013 noch 3,5 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen, so ist die Zahl mittlerweile auf fast 3,9 Millionen gewachsen.“ Allein die Tatsache, „dass wir denjenigen Schutz bieten, die in die Flüchtlingslager kommen, rechtfertigt die VN-Missionen und rechtfertigt auch, dass wir uns daran beteiligen, und zwar auch mit militärischem Schutz. Es ist zynisch, etwas anderes zu behaupten.“

Christine Buchholz (Die Linke) hielt dieser Argumentation die Ergebnisse von sieben Jahren Bundeswehr-Beteiligung entgegen: „Die Kriminalität hat massiv zugenommen. Der bewaffnete Konflikt hat eine landesweite Dimension bekommen. 2014 sind in Darfur erneut fast eine halbe Million Menschen zu Flüchtlingen geworden.“ Es dränge sich der Eindruck auf, dass Bundeswehreinsätze wie dieser längst zum Selbstzweck geworden seien. „Es wäre besser, das Geld in sinnvollen Hilfs- und Entwicklungsprojekten anzulegen, um endlich die Ursachen für Flucht und Gewalt in Darfur zu bekämpfen“, sagte Buchholz

Karl-Heinz Brunner (SPD) erinnerte daran, dass der Sudan mit zwei Millionen Flüchtlingen in seinen Grenzen „das Land mit den meisten Binnenflüchtlingen schlechthin“ sei. „Wenn ein möglicher Friedensprozess auch nur annähernd in Gang kommen soll, dann muss die humanitäre Notlage in Darfur dringend gelöst werden.“ Die internationale Gemeinschaft müsse vor Ort sein, sagte Brunner. Seine Koalitionskollegin Julia Bartz (CSU) betonte den „ressortübergreifenden und vernetzten Ansatz“, in den UNAMID eingebettet sei: So habe Deutschland etwa bei der Wiederaufbaukonferenz von Doha bereits 16 Millionen Euro für den Wiederaufbau Darfurs zugesichert.

Polizeiausbildung Angieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) warf dennoch die Frage auf, ob das deutsche Engagement reiche: „Die Lage hat sich verändert, die Vereinten Nationen haben das Mandat angepasst – nur eines bleibt gleich: der deutsche Beitrag. Und der ist, freundlich formuliert, mehr als bescheiden.“ Es sei darüber hinaus nicht verständlich, dass das Auswärtige Amt die finanzielle Unterstützung für die Ausbildung afrikanischer Polizeiangehöriger im letzten Jahr um mehr als die Hälfte gekürzt habe. „Diejenigen, die diese Mission erlebt haben, sagen uns immer wieder, dass gerade mehr Polizistinnen und Polizisten gebraucht werden, und zwar dringend“, sagte Brugger.