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ANHÖRUNG : Experten fordern neue Drogendebatte

Gutachter lehnen unkontrollierte Drogenfreigabe ab. Aber Reformen sinnvoll

10.11.2014
2023-08-30T12:26:22.7200Z
2 Min

Beim Streitobjekt Drogen hört die Kompromissbereitschaft in der Politik meist schnell auf. Das Thema ist stark emotional besetzt und eignet sich für grundsätzliche Konfrontationen, abgeleitet von den maximal gegensätzlichen Forderungen totale Freigabe oder Totalverbot. Die nackten Zahlen geben Anlass zur Besorgnis: 2013 waren in Deutschland 1.009 Drogentote zu beklagen. Hinzu kommen jedes Jahr im Mittel rund 110.000 Tote infolge von Tabakkonsum sowie mindestens 74.000 Menschen, die an den Folgen des Alkoholmissbrauchs sterben.

Die Zahl der Medikamentenabhängigen wird auf wenigstens 1,4 Millionen geschätzt, ferner kann von bis zu 150.000 Opiatabhängigen und 600.000 Menschen ausgegangen werden, deren Cannabiskonsum gesundheitsschädigende Ausmaße angenommen hat. In jüngster Zeit lassen Berichte über den vermehrten Konsum billiger synthetischer Drogen wie Crystal Meth oder sogenannter Neuer Psychoaktiver Substanzen (NPS), auch „Legal Highs“ genannt, aufhorchen.

Bei einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses vergangene Woche machten die geladenen Experten deutlich, dass die Antidrogenstrategie überprüft, überdacht und reformiert werden sollte, wie die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen dies in einem Antrag (18/1613) fordern. Die Sachverständigen erklärten, dass insbesondere einzelne Strafandrohungen gegen Drogenkonsumenten, aber auch gegen Ärzte sehr kritisch zu sehen sind. Eine wissenschaftliche Evaluation sei überfällig. Überdies sollten nach Ansicht der Gutachter im Fall von Cannabis (Haschisch/Marihuana) bundesweit einheitliche Mengen für den vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich gewährten zulässigen Eigenverbrauch festgelegt werden. Die Rechts- und Sozialexperten wandten sich in ihren Stellungnahmen zugleich gegen eine unkontrollierte Drogenfreigabe, da dies insbesondere für junge Leute neue Anreize zum Drogenkonsum setzen würde.

Eine Sprecherin der Berliner Fachstelle für Suchtprävention monierte, es werde zu viel Geld in die Strafverfolgung gesteckt, statt die Vorbeugung zu stärken. Das Konzept habe „Schlagseite“. Gerade junge Leute bräuchten mehr fachliche Hilfestellung, um „risikokompetente Entscheidungen“ treffen zu können. Ein Rechtsexperte, der früher als Oberstaatsanwalt jahrelang mit Betäubungsmittelkriminalität zu tun hatte, merkte an, mit Strafen und Verboten allein könne der Drogenkonsum nicht eingedämmt werden. Überdies sei die Selbstschädigung straflos, sonst müssten auch etwa Sammler von Giftpilzen oder Raucher bestraft werden.

Nach Ansicht des Bundes Deutscher Kriminalbeamter gibt es zu wenig Erkenntnisse über die Wirkung des Betäubungsmittelrechts. Wichtige gesellschaftliche Fragen in der Antidrogenpolitik seien bis heute unbeantwortet. Ein „weiter wie bisher“ sei nicht zielführend.