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USA : Pionier Oregon

Unterschiedliche Regelungen in den Bundesstaaten

17.11.2014
2023-08-30T12:26:24.7200Z
3 Min

Jack Kevorkian ist lange tot. Dennoch schwingt in Diskussionen in Amerika der Arzt aus Michigan unterschwellig immer noch mit, wenn es um Sterbehilfe geht. „Dr. Tod“ hatte mehr als 100 kranken Menschen beim Sterben geholfen und war dafür acht Jahren ins Gefängnis gewandert. Was er tat, ist bis heute auf Bundesebene illegal. Ein anderes Modell zieht dagegen Kreise: Suizid-Assistenz, ärztlich begleiteter Freitod. Seit dem Tod der Kalifornierin Brittany Maynard, die an einem unheilbaren Gehirntumor litt und sich am 1. November in Portland im Bundesstaat Oregon legal ein tödliches Beruhigungsmittel verabreichte, wächst auch in Deutschland das Interesse an gesetzlichen Regelungen, die bisher erst in einigen wenigen US-Bundesstaaten gelten. Laut Umfragen sind die Amerikaner zu über 60 Prozent dafür, dass Todkranken ein Recht auf ein selbstbestimmtes Ende zugestanden wird. Zum Leidwesen von Ärzteverbänden und Kirchen, die darin eine Kollision mit dem Amtseid erkennen. Oder eine Sünde.

Situation in den Bundesstaaten Oregon war der Pionier unter den amerikanischen Bundesstaaten. Bereits 1993 begann dort der Meinungsbildungsprozess, der per Volksabstimmung im November 1997 in das „Death with Dignity“-Gesetz einmündete – Tod in Würde. Seit Januar 1998 können sich im Nordwesten der USA unheilbar Kranke vom Arzt ein Medikament verschreiben lassen, um sich das Leben zu nehmen. Die Vergabe ist allerdings an strenge Kriterien gebunden. Der Patient muss volljährig und urteilsfähig sein, seinen Wohnsitz in Oregon haben und an einer Krankheit leiden, die nach Begutachtung von zwei Fach-ärzten innerhalb von einem halben Jahr aller Wahrscheinlichkeit zum Tod führt. Außerdem muss der Patient seinen Todeswunsch in einem Abstand von zwei Wochen zweimal mündlich und einmal schriftlich vorbringen. Der behandelnde Arzt ist verpflichtet, den Kranken über palliative Versorgungsangebote aufzuklären.

Von 1997 bis 2013 haben in Oregon, das 3,9 Millionen Einwohner hat, 1200 Menschen die finalen Rezepte bekommen. 750 haben das Medikament auch tatsächlich genommen. Die anderen starben eines natürlichen Todes. Oder ihnen genügte, so die Gesundheitsbehörde in der Hauptstadt Salem, „die Gewissheit, einem als unwürdig empfundenen Tod entgehen zu können“. Durchschnittsalter: 71 Jahre.

Nach Einnahme der Mittel vergingen im Schnitt fünf Minuten bis zur Bewusstlosigkeit. Nach 25 Minuten waren die meisten Patienten ohne Schmerzen für immer eingeschlafen. Vor der Einnahme gaben die mehrheitlich gut gebildeten Patienten am häufigsten diese Gründe an: Angst vor dem Verlust der persönlichen Autonomie (91 Prozent), Furcht vor Einschränkung des Bewegungs-Radius und Sorge vor dem Verlust der Würde (81 Prozent). Nur 24 Prozent erklärten den Entschluss mit einer unzureichenden Schmerzbehandlung in Krankenhäusern oder Hospizen.

Im Nachbarstaat Washington State gilt das Tod-in-Würde-Gesetz seit 2009. Die Zahl der final verschriebenen Rezepte stieg von 69 im Auftaktjahr auf 173 Fälle in 2013. Der Grund in 80 Prozent der Fälle: Krebs. Rund zehn Prozent der Patienten machten laut Statistik keinen Gebrauch von den tödlichen Pillen. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde des Bundesstaates waren 97 Prozent aller Patienten, die 2013 von dem Gesetz Gebrauch machten, Weiße. 76 Prozent hatten eine universitäre Ausbildung.

Der Neuengland-Staat Vermont ist der Novize unter den Tod-in-Würde-Bundesstaaten. Im ersten Jahr nach Verabschiedung eines Gesetzes in 2013 sind nach Angaben von Linda Waite-Simpson, Direktorin von „Compassion & Choices“, einer Lobby-Organisation, die sich für Sterbehilfe einsetzt, drei Patienten mit den Rezepten für Barbiturate versorgt worden. Anders als in Oregon werden in Vermont weniger Daten abgefragt. Nach einer Erprobungsphase sollen ab Sommer 2016 die Hürden noch weiter gesenkt werden.

In New Mexiko haben die Einwohner nach einem jüngsten Gerichtsurteil das Recht auf finale Hilfe via Rezept. Der Justizminister in Santa Fe ist dagegen in Berufung gegangen. Ausgang offen. In Connecticut, Hawaii, Kansas, Massachusetts, New Hampshire, New Jersey und Pennsylvania stecken Gesetzentwürfe im Verfahrensgang oder sind geplant.

Der Autor ist USA-Korrespondent der Funke Mediengruppe.