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ASYL : Umstrittene Signalwirkung

Die Regierungspläne zur Abschiebehaft stoßen bei der Opposition auf scharfe Kritik

09.03.2015
2023-08-30T12:27:58.7200Z
4 Min

Signalwirkung schreiben ihm beide zu, doch während Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) von einen „guten und wichtigen Signal“ spricht, sieht Ulla Jelpke, die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, ein „fatales Signal“. Die Rede ist vom Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Neubestimmung des Bleiberechts und der

Aufenthaltsbeendigung“ (18/4097), über das der Bundestag am vergangenen Freitag in erster Lesung debattierte. Dabei bot die Aussprache trotz der kontroversen Rhetorik auch Differenzierungen, die Opposition fand auch lobenswerte Elemente in der Regierungsvorlage, während in den Reihen der Koalition auch Kritikwürdiges in dem Gesetzentwurf ausgemacht wurde.

De Maizière betonte, mit einem „Bleiberecht für gut integrierte und rechtstreue Ausländer“ und der „Aufenthaltsbeendigung für diejenigen, die nicht schutzbedürftig sind“, enthalte der Gesetzentwurf „zwei klare Botschaften“, die zusammen gehörten. Erstmals werde ein Bleiberecht für nachhaltig integrierte Geduldete geschaffen, das nicht mehr von ihrem Alter oder einem Stichtag abhängt. „Wer viele Jahre hier lebt, wer hier wesentliche Integrationsleistungen erbringt, wer unsere Sprache spricht, wer seinen Lebensunterhalt überwiegend selbst sichert und – natürlich – wer keine großen Straftaten begangen hat“, solle eine „dauerhafte Bleibeperspektive in Deutschland erhalten“. Von dieser Regelung könnten mehrere zehntausend bislang nur Geduldete profitieren, denen signalisiert werde: „Ihr dürft jetzt bleiben, macht mit, verdient euer eigenes Geld. Ihr gehört zu uns.“

Ferner schaffe der Gesetzentwurf eine „verbindliche Bleiberechtsperspektive für Opfer von Menschenhandel“, fügte der Ressortchef hinzu. Zudem enthalte die Vorlage Verbesserungen im Recht des Familiennachzugs und stärke die Zuwanderung von Fachkräften.

»Angemessen«  Andererseits solle sichergestellt werden, dass Ausländer, denen „unter keinem Gesichtspunkt ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zusteht, das Land auch tatsächlich wieder verlassen“. Wer im Asylverfahren „trickst und täuscht“, dürfe nicht später mit einem Bleiberecht belohnt werden. Wenn ein Asylbewerber seine Identität oder Staatsangehörigkeit verschleiert, dürften die Behörden künftig „seine Datenträger auslesen, um festzustellen, wer er eigentlich ist und wo er herkommt“. Auch stelle man den Behörden „mit einem neuen, kurzen Ausreisegewahrsam ein taugliches Vollzugsmittel zur Verfügung“, damit Abschiebungen „tatsächlich wirksam durchgeführt werden können“. Bei jenen, die nicht freiwillig ausreisen wollten und beispielsweise über ihre Identität täuschen, sei „ein Gewahrsam von wenigen Tagen nur zur Durchsetzung der Abschiebung absolut angemessen“.

Für Jelpke legt die Bundesregierung indes mit dem Gesetzespaket ein „regelrechtes Inhaftierungsprogramm für Asylsuchende“ auf „nach dem Motto: Wer Asyl beantragt, wird eingesperrt, abgeschoben und darf nie wieder kommen“.

Abschiebehaft solle praktisch jeden Flüchtling treffen können. So genüge als Grund beispielsweise, dass ein Schleuser von Asylsuchenden bezahlt worden sei. Ohne Schleuser könnten die Flüchtlinge aber häufig gar nicht den Weg über das Mittelmeer nehmen. Ein weiterer Grund für die Abschiebehaft solle nun sein, dass die Flüchtlinge keinen Pass besitzen oder über einen anderen EU-Staat nach Deutschland gekommen sind. „Über welche Länder sollen die Flüchtlinge denn einreisen, wenn nicht über EU-Staaten“, fügte Jelpke hinzu. Der Gesetzentwurf enthalte „mit Abstand die schärfsten Einschnitte seit 1993, was das Aufenthaltsrecht angeht“. Damit werde das Asylrecht „massiv beschnitten“. Die Neuregelung beim Bleiberecht sei zwar „ein kleiner Fortschritt“, greife aber zu kurz, während die „verschärfte“ Abschiebepolitik „inhuman“ sei.

»Finsternis«  Die Grünen-Parlamentarierin Luise Amtsberg sah in dem Entwurf „Schatten, aber auch Licht“. So sei es ein guter Vorschlag, eine stichtags- und altersunabhängige Bleiberechtsregelung zu schaffen. Deren Ziel unterlaufe die Regierung aber mit kleineren Regelungen in der Vorlage. Von „Finsternis“ sprach Amtsberg in Bezug auf die Abschieberegelungen. Haft sei „das schärfste Schwert“ der Bundesrepublik, das mit Bedacht eingesetzt werden müsse, da es in fundamentale Grundrechte eingreife. Anders als bei der „Strafhaft“ habe ein Abschiebehäftling keine Straftat begangen. Pläne, die Haft auf jene auszuweiten, die über einen anderen EU-Staat eingereist sind, seien eine „schwer zu schluckende Kröte“. Da es für Flüchtlinge kaum legale Wege nach Deutschland gebe und „niemand, der aus Syrien, Afghanistan oder Eritrea flieht, über Deutschland einfach vom Himmel fällt, ist dieser Ansatz wirklich mehr als zynisch“.

Der SPD-Abgeordnete Rüdiger Veit sprach dagegen von einem „guten Gesetzgebungsvorhaben“, hinter dem er voll stehe. Er hielt Jelpke vor, von dem Gesetzentwurf ein „Zerrbild“ gezeichnet zu haben. Laut Statistik lebten 11.000 Menschen mit einer Duldung bereits mehr als 15 Jahre in der Bundesrepublik und 31.000 mehr als sechs Jahre. Mit Blick auf die Abschiebungsregelungen meldete Veit Gesprächsbedarf insbesondere bei den vorgesehenen Haftgründen an. So sei es kaum machbar, als Flüchtling nach Deutschland zu kommen, ohne sich eines Schleusers zu bedienen. Daraus könne man nicht automatisch auf Fluchtgefahr schließen. Veit verwies zudem darauf, dass Geduldete während einer Berufsausbildung damit rechnen müssten, vor Abschluss der Ausbildung abgeschoben zu werden. Es wäre wünschenswert zu regeln, dass derjenige, der „erlaubterweise eine Ausbildung absolviert“, zu diesem Zweck eine Aufenthaltserlaubnis erhalte.,

Die CSU-Parlamentarierin Andrea Lindholz verwies darauf, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen „massiven Anstieg der Asylbewerberzahlen“ auf 300.000 Asylanträge in diesem Jahr erwarte. Um das Asylsystem nachhaltig zu stabilisieren, müsse man die „große Zahl der unberechtigten Asylanträge spürbar reduzieren“. Offensichtlich unberechtigte Asylbewerber müssten „zügiger zurückgeführt werden, um Nachahmer auch davon abzuhalten, Geld an kriminelle Schleuser zu verschwenden“.