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NSU-AUFARBEITUNG : Nach dem Terror

Generalbundesanwalt bekommt mehr Rechte. Änderung im Strafgesetzbuch umstritten

23.03.2015
2023-08-30T12:27:58.7200Z
3 Min

Die Aufdeckung der Terror- und Mordserie des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) im November 2011 löste Schockwellen aus. Ein Untersuchungsausschuss im Bundestag befasste sich in der vergangenen Legislaturperiode mit den Hintergründen der rechtsextremistischen Verbrechensserie sowie dem jahrelangen Versagen der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden. Am Ende stand ein mehr als 1.300 Seiten starker Bericht mit zahlreichen Empfehlungen. Eine dieser Empfehlungen setzte der Bundestag vergangenen Donnerstag um.

Mit Stimmen von CDU/CSU und SPD, bei Enthaltung der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, verabschiedete das Parlament in zweiter und dritter Lesung einen Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/3007). Dieser weist der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe mehr Kompetenzen zu. Durch die Änderungen des Gerichtsverfassungsgesetzes soll der Generalbundesanwalt zum Beispiel die Möglichkeit bekommen, Ermittlungen schneller an sich ziehen zu können, wenn ein „objektiv staatsschutzfeindlicher Charakter“ einer Tat angenommen wird. Bisher war es nötig, dass auch eine staatsschutzfeindliche Motivation des Täters vorliegt. Staatsanwaltschaften der Länder sollen zudem verpflichtet werden, Verfahren in Karlsruhe vorzulegen, bei denen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie in die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts fallen könnten.

Johannes Fechner (SPD) begründete diese Änderungen mit den Erkenntnissen aus der Aufarbeitung der NSU-Terrorserie. Es habe sich gezeigt, dass Staatsanwaltschaften der Länder den Generalbundesanwalt nicht ausreichend informiert hatten. „Das alles sind wichtige Änderungen, die wir umsetzen müssen, wenn wir verhindern wollen, dass solche Terrorserien in Deutschland möglich sind“, sagte Fechner. Dem stimmten im Grundsatz auch die anderen Fraktionen zu. Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) sah darin einen „wichtigen Schritt“, er gehe allerdings nicht weit genug. Volker Ullrich (CSU) stellte hingegen klar, dass aus seiner Sicht diese Regelung passgenau sei. Der Bund müsse zurückhaltend handeln, um nicht die grundsätzliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern in Frage zu stellen. Dies sei durch das Grundgesetz geboten. „Die vorgeschlagene Erweiterung und Klarstellung wird diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht“, sagte Ullrich.

Motive der Täter

Beim zweiten Aspekt des Gesetzentwurfes endete die fraktionsübergreifende Einigkeit. Die Regelung sieht eine Änderung in Paragraph 46 des Strafgesetzbuches vor. Im Katalog der sogenannten Strafzumessungsumstände soll demnach aufgeführt werde, dass „rassistische, fremdenfeindliche und sonstige menschenverachtende“ Motive von Tätern besonders zu berücksichtigen sind. Das heißt, wer aus diesen Motiven heraus handelt, soll härter bestraft werden können. Das ist allerdings auch jetzt schon möglich, wie die Redner der Koalitionsfraktionen zugaben. Auch sei das keine direkte Forderung des NSU-Untersuchungsausschusses gewesen. Trotzdem sei die Klarstellung sinnvoll, meinte Fechner. Die „ausdrücke Nennung verdeutlicht die Rechtslage“, sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Ähnlich argumentierte auch CSU-Politiker Ullrich: Mit der Erweiterung der Strafzumessungsumstände setze der „wehrhafte Rechtsstaat“ ein „klares Zeichen gegen Hass, Fremdenfeindlichkeit und Extremismus“.

Scharfe Kritik hingen übte Grünen-Abgeordneter Beck. Da es einer gesetzlichen Regelung gar nicht bedürfe, handele es sich schlicht um „Symbolpolitik“, allerdings um schlechte. So sei die Auswahl der Kriterien willkürlich, es fehlte zum Beispiel eine ausdrückliche Nennung von religionsfeindlichen oder homophoben Motiven. Zudem sei der Begriff der Fremdenfeindlichkeit problematisch, übernehme er doch die Täterperspektive.

Reinhard Grindel (CDU) wies Becks Kritik an dem Kriterienkatalog zurück. Es sei klar: „Wer Schwule angreift, wer Juden angreift, der handelt menschenverachtend“ – und falle entsprechend unter die Norm.

Halina Wawzyniak (Die Linke) kritisierte die Änderung im Strafgesetzbuch ebenfalls. Sie sei „einfach überflüssig“. Die rechtspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion betonte, dass es im Angesicht der NSU-Terrorserie und der Empfehlungen des Untersuchungsausschusses wichtig sei, mehr als eine „rechtspolitische Debatte“ zu führen. So müsse der „institutionelle Rassismus“, der nach Auffassung ihrer Fraktion bei den NSU-Ermittlungen eine Rolle gespielt habe, angegangen werden. Auch sei es wichtig, zu erörtern, „war wir gegen Rassismus tun können“, sagte Wawzyniak. Sie forderte etwa die weitere Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen. Die Linken-Abgeordnete bezog verbal – Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) bat sie im Nachgang um eine „parlamentarische Ausdrucksweise“ – klar Position: „Gerade in Zeiten von Pegida müssen wir deutlich sagen: Alle Rassisten sind Arschlöcher – überall.“