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Pkw-Maut : Experten-Zweifel am Dobrindt-Plan

Sachverständige zeigen sich in Anhörung über den Aufwand und Ertrag der Infrastrukturabgabe uneins

23.03.2015
2023-08-30T12:27:59.7200Z
3 Min

Die Vereinbarkeit der geplanten Infrastrukturabgabe (Pkw-Maut) und die gleichzeitige Senkung der Kfz-Steuer für deutsche Fahrzeughalter mit EU-Recht wird von Experten unterschiedlich beurteilt. Dies wurde vergangene Woche bei öffentlichen Anhörungen des Verkehrs- sowie des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Infrastrukturabgabe“ (18/3990) deutlich. Danach will Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eine Abgabe (Maut) einführen, die von Haltern von im Inland und im Ausland zugelassenen Pkw für die Nutzung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen zu entrichten ist. Halter von in der Deutschland zugelassenen Pkw sollen in einem gesonderten Gesetzgebungsverfahren (18/3991) Steuerentlastungsbeträge erhalten.

Unterschiedliche Meinungen

Für Professor Christian Hillgruber, Universität Bonn, stellt dies „keine mittelbare Diskriminierung“ aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar, die nicht unionsrechtlich zu rechtfertigen wäre. Auch für Friedemann Kainer von der Universität Mannheim und für Professor Holger Schwemer, Kanzlei Schwemer Titz & Tötter, liegt eine „unmittelbare Diskriminierung“ nicht vor. Fraglich sei allein, ob eine mittelbare Ungleichbehandlung gegeben sei, die vom Gesetzgeber nicht offengelegt worden ist. Und dem möglichen Eindruck, dass der Gesetzgeber seine wahren Absichten nicht transparent gemacht hat, könne der Gesetzgeber entgegentreten, indem er die Gesetzesvorhaben Steuersenkung und Infrastrukturabgabe zeitlich entkoppelt.

Völlig anders sieht dies Professor Franz C. Mayer von der Universität Bielefeld. Für ihn ist die Einführung einer Infrastrukturabgabe bei Entlastung der Inländer eine europarechtlich verbotene mittelbare Diskriminierung. Sie verstoße auf jeden Fall gegen die Beschränkungsverbote der Grundfreiheiten und gegen das Gebot der Unionstreue. Insgesamt wäre dies eine „qualifizierte Verletzung von Unionsrecht. Neben Strafzahlungen würden daher Schadenersatzansprüche durch die betroffenen Unionsbürger drohen, betonte Mayer.

Unterschiedlich äußerten sich die Sachverständigen auch zu den möglichen Einnahmen aus der Infrastrukturabgabe, die vom Verkehrsministerium mit rund 732 Millionen Euro im Jahr angegeben werden. Professor Wolfgang H. Schulz von der Zeppelin Universität Friedrichshafen konnte in seiner wissenschaftlichen Überprüfung der Prognose diese Summe nachvollziehen. Die zugrundeliegenden Annahmen seien stets konservativ gehalten worden, sodass die Mauteinnahmen eher unterschätzt würden. Zu ganz anderen Zahlen kommt der Verkehrswissenschaftler Ralf Ratzenberger. Nach seiner Schätzung belaufen die Einnahmen sich lediglich auf rund

262 Millionen Euro pro Jahr. Entscheidend für die unterschiedlichen Einnahmeprognosen ist vor allem die Schätzung, wie viele Tagespendler aus dem Ausland auf welchen Wegen einreisen werden.

Finanzierungskonzept gefordert

Hilmar von Lojewski von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, zu der der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund gehören, begrüßte grundsätzlich die Zielsetzung, mit einer Infrastrukturabgabe die finanziellen Mittel für verkehrliche Infrastrukturmaßnahmen zu erhöhen. Er bedauerte allerdings ausdrücklich, dass die derzeitige Diskussion über eine Pkw-Maut weitgehend isoliert geführt werde und nicht in ein Gesamtfinanzierungskonzept für die Verkehrsinfrastruktur aller staatlichen Ebenen eingebettet sei. Der Gesetzentwurf bliebe „deutlich“ hinter den Notwendigkeiten zurück. Aufwand und Ertrag ständen nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander,. Weiter kritisierte er, dass die prognostizierten Gesamteinnahmen aus der Infrastrukturabgabe in Höhe von 3,7 Milliarden Euro abzüglich der Erhebungskosten nicht vollständig in den Verkehrsinvestitionshaushalt des Bundes einfließen sollen. Wie bereits bei der Erhebung der Lkw-Maut würden die Steuermittel für Verkehrsinvestitionen des Bundes aus dem Umfang der erzielten Einnahmen gekürzt werden. Bei den grenznahen Verkehren schlug er vor, einen 30-km-Streifen flächendeckend an der Grenzen herauszunehmen, in dem „fakultativ“ keine Maut erhoben werde soll.

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft, Dieter

Dewes, plädierte für eine bessere Personalausstattung der Zollbehörden. Erfahrungsgemäß gebe es bei jeder Abgabenänderung zahlreiche Widersprüche, deren Bearbeitung Zeit beanspruche. Die Planung, nur für die Umstellung der Kfz-Steuer das Personal aufzustocken, aber im Folgejahr wieder deutlich abzubauen, sei daher nicht sinnvoll. Der verkehrspolitische Sprecher des Verkehrsclub Deutschland, Gerd Lottsiepen, beklagte, dass die Infrastrukturabgabe keine ökologische Lenkungswirkung habe.