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FlÜCHTlINGE : Aufgabe Asyl

Die Lastenverteilung bei der Aufnahme und Versorgung sorgt für Streit unter den Fraktionen

11.05.2015
2023-08-30T12:28:02.7200Z
3 Min

Die Hoffnung war berechtigt: Angesichts der steigenden Asylbewerberzahlen müsse über eine weitere Stellenausweisung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nachgedacht werden, sagte die CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz vergangene Woche im Bundestag. "Ich hoffe, dass der morgige Flüchtlingsgipfel hier Ergebnisse bringt", fügte sie hinzu und lag damit genau richtig: Bis zu 2.000 zusätzliche Stellen beim für die Bearbeitung von Asylanträgen zuständigen Bundesamt wurden am Freitag nach dem Spitzentreffen zur Flüchtlingspolitik im Kanzleramt angekündigt.

Im Bundestag sorgte die Bewältigung der Flüchtlingsproblematik am Vortag nicht nur für erneuten Streit zwischen Koalition und Opposition, sondern auch für Kontroversen innerhalb des schwarz-roten Regierungsbündnisses. So wandten sich Vertreter der SPD-Fraktion gegen Forderungen aus der Union, nach Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina nun weitere Balkanländer asylrechtlich als sichere Herkunftsländer einzustufen.

Zu der Debatte lagen den Abgeordneten erstmals Anträge der Linksfraktion "für einen grundlegenden Wandel in der Asylpolitik" (18/3839) und der Grünen "für eine faire finanzielle Verantwortungsteilung bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen" (18/4694) vor. Die Linke fordert in ihrer Vorlage die Bundesregierung auf, Schritte für einen "Wandel in der Aufnahmepolitik gegenüber Asylsuchenden einzuleiten und hierzu einen Entwurf für ein neu zu schaffendes Flüchtlingsaufnahmegesetz vorzulegen". Darin soll nach dem Willen der Fraktion unter anderem geregelt werden, dass der Bund vorrangig die Kosten der Flüchtlingsaufnahme übernimmt, "der Grundsatz einer Integration von Beginn an gelten" muss und eine private, dezentrale Unterbringung Vorrang hat.

Dem Grünen-Antrag zufolge soll sich der Bund dauerhaft finanziell an der Aufnahme, Versorgung und Integration der Asylsuchenden beteiligen. Die einmalige finanzielle Unterstützung von einer Milliarde Euro an die Länder reiche angesichts der finanziellen Herausforderungen bei weitem nicht aus, schreiben die Abgeordneten. Die Aufnahme und Versorgung Asylsuchender sei eine gesamtstaatliche Aufgabe, die nicht "in erster Linie allein den Ländern und Kommunen aufgebürdet werden" dürfe.

Paradigmenwechsel gefordert Für Die Linke warb ihre Abgeordnete Ulla Jelpke in der Debatte für einen "Paradigmenwechsel in der Asylpolitik - weg von der gescheiterten Politik der Abschreckung, hin zur Integration von Flüchtlingen von Anfang an". So sollten alle Asylsuchenden einen Zugang zu Sprachkursen erhalten. Auch müssten Flüchtlinge in das allgemeine System der sozialen Sicherung und Gesundheitsversorgung einbezogen werden und uneingeschränkt Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Ferner brauche man eine "dauerhafte strukturelle Neuregelung zur Entlastung der Kommunen und keine einmaligen Geldüberweisungen durch den Bund". Die Kommunen seien überfordert und brächten Asylbewerber in menschenunwürdigen Unterkünften unter. Die "zwangsweise Unterbringung in Massenunterkünften" sei nicht nur "in vielen Fällen unmenschlich", sondern aufgrund des Bürokratie- und Kontrollaufwandes sogar mit Mehrkosten verbunden.

Die Grünen-Abgeordnete Britta Haßelmann warf der Bundesregierung vor, dass in ihrem Haushalt weder die den Ländern zugesagte Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge noch eine Erhöhung der Sprachfördermittel oder "Unterstützungsleistungen für Integration" vorkämen. Dabei handele es sich um eine nationale Aufgabe, die man "nicht auf dem Rücken der Kommunen austragen" dürfe.

»Widerspruch in sich« Lindholz kritisierte, beide Oppositionsanträge stellten die "Bewältigung der Flüchtlingskrise" als gesamtstaatliche Aufgabe dar, forderten aber zugleich, dass der Bund alleine sämtliche Kosten für die Verfahren, die Unterbringung und die Versorgung der Asylbewerber übernehmen solle. Dies sei ein Widerspruch in sich. Es sei gerade keine Verteilung der gesamtstaatlichen Aufgabe, die "Verantwortung einseitig auf den Bund abzuwälzen", sagte Lindholz. Auch könne die Bewältigung der Flüchtlingskrise "nicht mit immer neuen Forderungen nach mehr Geld oder dem Verschieben von Verantwortung auf den Bund gelöst werden". Nur wenn man auch in den Herkunftsländern Fluchtursachen bekämpfe und Fehlanreize in Deutschland beseitige, werde man die Kommunen dauerhaft entlasten. Ein wesentlicher Fehlanreiz sei die "Vermischung von Asyl- und Arbeitsmigration".

Der SPD-Abgeordnete Lars Castellucci mahnte, es müsse sichergestellt sein, dass "das, was wir für Flüchtlinge tun, nicht gegen Kinderbetreuung, nicht gegen Schwimmbäder, nicht gegen Kultur und nicht gegen soziale Infrastruktur vor Ort geht". Nötig sei eine "Verantwortungsteilung von Bund, Ländern und Kommunen". Dabei wolle die SPD die Kommunen von den Kosten der Flüchtlingsunterbringung und Integration entlasten und trete für die Übernahme der Gesundheitskosten nach einem bundeseinheitlichen Verfahren ein. Zur auch von Lindholz erhobenen Forderung, weitere Balkanstaaten als "sichere Herkunftsländer" einzustufen, sagte Castellucci, im Koalitionsvertrag sei eine solche Einstufung für drei Staaten vereinbart worden. "Für mehr sind wir nicht zu haben", fügte er hinzu.