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NSA : Selektoren? Nie gehört

Ausschuss befragte Zuständige aus dem Kanzleramt

15.06.2015
2023-08-30T12:28:03.7200Z
3 Min

Acht Jahre lang, von 2003 bis 2011, hat Hans-Josef Vorbeck die Gruppe 62 im Kanzleramt geleitet, zuständig für Dienst- und Fachaufsicht über die Geheimdienste. Von "Selektoren" hat er nach eigenen Worten erst vor ein paar Wochen gehört. "Ich habe mich gefragt, was kann das sein. Ich dachte, eine neue Folge von Startrek", sagte der Kanzleramtsmitarbeiter.

Was wussten die Zuständigen im Kanzleramt von Versuchen der amerikanischen National Security Agency (NSA), mit Hilfe des Bundesnachrichtendienstes (BND) europäische Unternehmen und Behörden auszuforschen? Was wussten sie von verdächtigen "Selektoren", also Suchmerkmalen, bei der Satelliten- und Kabelüberwachung? Wer wusste zu welchem Zeitpunkt was? Dazu hat der 1. Untersuchungsausschuss ("NSA") zwei Tage lang vier Zeugen befragt.

Gelernt haben die Abgeordneten dabei, dass politische Aufsicht über Geheimdienste keineswegs bedeutet, über Einzelheiten informiert zu sein. "Controlling heißt nicht Kontrolle", wie der Zeuge Guido Müller formulierte, von 2007 bis 2013 als Leiter des Referats 623 unter anderem mit Organisierter Kriminalität und Wirtschaftsspionage befasst. "Ich kannte keine Selektorenproblematik", betonte auch er.

Kennengelernt haben die Parlamentarier obendrein das "Need-to-know-Prinzip". Es bedeutet, dass ein Beamter nur wissen muss, wofür er unmittelbar zuständig ist. Von der Kooperation des BND mit der NSA haben der Referatsleiter Müller und sein Kollege Thomas Kurz lediglich gewusst, dass es sie gab. Nicht, was dabei konkret geschah. Und schon gar nicht, ob es mit rechten Dingen zuging.

Letzteres hatte sie ohnehin nicht zu interessieren, denn die Gruppe 62, der sie angehörten, war, wie der Zeuge Kurz den Ausschuss belehrte, lediglich mit Fach- und Dienstaufsicht befasst. Die Rechtsaufsicht oblag anderen, der Gruppe 61 im Kanzleramt. Unter Kooperation des BND mit ausländischen Diensten verstand auch der Gruppenleiter Vorbeck nichts anderes als Informationsaustausch: "Dass die Amerikaner Suchbegriffe einspeisen, habe ich mir nicht vorgestellt".

»Nicht unerwähnt« Der Zeuge Kurz leitete von 2005 bis 2008 das Referat 621, wo es unter anderem um die "Auftragssteuerung" des BND ging. In Absprache mit anderen interessierten Ressorts erarbeitete Kurz das "Auftragsprofil" und überwachte die Ergebnisse. Auf seinem Schreibtisch landeten alle BND-Analysen. Aus welchen Erkenntnissen der Geheimdienst den Inhalt destillierte hatte, geschweige denn, wie diese Erkenntnisse gewonnen waren, ob von der NSA zugeliefert oder vom BND durch eigene Findigkeit erworben, ging aus den Papieren nicht hervor.

"Wir haben immer mit Analytikern geredet, nicht mit denen, die die Informationen beschafft haben. Uns hat die Information interessiert, und dass die richtigen Leute sie bekamen, aber nicht, wie sie gewonnen wurde", sagte auch Vorbeck.

Sein zeitweiliger Vorgesetzter Ernst Uhrlau, von 1999 bis 2005 Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, hatte Anfang 2006 als noch relativ frischgebackener BND-Präsident von verdächtigen Selektoren erfahren. Er habe das, meinte er, in den regelmäßigen Besprechungen mit seinem Nachfolger im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, "sicher nicht unerwähnt gelassen". Daraus wäre zu schließen, dass das Amt seither die unziemliche Wissbegierde der US-Dienste auf dem Radar hatte.

Was nicht bedeuten müsse, dass es die Sache schon so tragisch genommen hätte, wie sie heute erscheint, gab Uhrlau zu bedenken: "Ein Untersuchungsausschuss guckt sehr tief in Strukturen hinein und erwartet, dass die Beteiligten genauso tief hineingeguckt haben. Das ist sehr idealistisch betrachtet."