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INNERES : Expertendisput um Reformvorschlag

Der Regierungsentwurf zur »Verbesserung der Zusammenarbeit« beim Verfassungsschutz stößt bei Experten auf gegensätzliche Einschätzungen

15.06.2015
2023-08-30T12:28:04.7200Z
2 Min

Über Gesetzesvorhaben gehen die Meinungen von Koalition und Opposition nicht selten so weit auseinander, dass man fast glauben mag, es würde über unterschiedliche Vorlagen debattiert. Das gilt oft auch für Anhörungen, bei denen von den Fraktionen benannte Experten über einen Gesetzentwurf befinden, wie vergangene Woche bei der Anhörung des Innenausschusses zur geplanten Verfassungsschutzreform. Der entsprechende Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/4654) weise in vieler Hinsicht verfassungsrechtliche Mängel auf, urteilte dabei etwa der Karlsruher Rechtswissenschaftler Matthias Bäcker. Dagegen konstatierte der Bonner Rechtsanwalt Professor Wolfgang Roth, er habe keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Änderungen. Ähnlich gegensätzlich fielen die Einschätzungen der weiteren Sachverständigen aus. Mit dem Gesetzentwurf sollen auch Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses umgesetzt werden.

»Gravierende Mängel« Bäcker kritisierte unter anderem, dass der Gesetzentwurf die Errichtung eines umfassenden Datenverbundes der Verfassungsschutzbehörden ermögliche, in denen Daten "jeder Art und Herkunft eingestellt werden können". Ein so weitreichender Datenpool sei insbesondere mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht zu vereinbaren. Der Rechtsanwalt Sebastian Scharmer bemängelte, die Neuregelung schaffe es nicht, die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses umzusetzen. Vielmehr würden Mechanismen gestärkt, "die mitursächlich für die bisherigen Entwicklungen waren". Eine Anwerbung von "erheblich vorbestraften Neonazis" als V-Leute sei weiterhin möglich. Auch gebe es keine verbesserten Kontrollmöglichkeiten durch das Parlament. Professor Hartmut Aden von der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht monierte, viele vorgeschlagene Regelungen blieben mangelhaft. So sehe er "gravierende Bestimmtheitsmängel" etwa bei der geplanten Zuständigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) für alle gewaltbezogenen Bestrebungen. Hierzu habe der Bundesrat "richtigerweise kritisch Stellung genommen". Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme (18/5051) die Erweiterung der Zuständigkeiten des BfV für auch nicht länderübergreifende gewaltorientierte Bestrebungen abgelehnt.

Berlins früherer Innensenator Ehrhart Körting (SPD) argumentierte demgegenüber, er könne sich kaum gewaltgeneigte Bestrebungen ohne Bundesbezug vorstellen. Daher habe er keine Bedenken gegen die vorgesehene Regelung. Roth sagte, der Gesetzentwurf greife wesentliche Empfehlungen und Erkenntnisse der Bund-Länder-Kommission "Rechtsextremismus" und des NSU-Untersuchungsausschusses auf. Zugleich begrüßte er die "Ergänzung des

BfV-Zuständigkeitskataloges". Der Bayreuther Professor Heinrich Amadeus Wolff wertete die Erweiterung der BfV-Befugnisse als "in sich schlüssige Folgerung aus der Aufarbeitung der NSU-Gewaltserie". Verfassungspolitisch halte er jedoch nicht alle Regelungen des Entwurfs für glücklich. So sei ihm die V-Leute-Regelung zu großzügig.

BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen sagte, der Entwurf verbessere die Zusammenarbeit im Verfassungsschutzverbund und stärke die Zentralstellenfunktion seines Hauses. Auch konkretisiere die Vorlage die Bestimmungen zu V-Leuten und verdeckten Mitarbeitern und schaffe hier Rechtssicherheit.