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Ortstermin: Verlegung von »Stolpersteinen« : Markierte Vergangenheit

15.06.2015
2023-08-30T12:28:04.7200Z
2 Min

Gunter Demnig lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Der Künstler, der das Projekt Stolpersteine ins Leben gerufen rief, kniet an einem sonnigen Nachmittag vergangene Woche am Uferweg der Spree an der Freitreppe vor dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestags. Konzentriert bereitet er eine zirka einen Quadratmeter große Fläche vor, um dort die mit einer knapp zehn Quadratzentimeter großen Messingtafel versehenen Stolpersteine einzulassen. Weniger Meter entfernt steht eine Granitplatte, die der 1947 geborene Berliner vorher aus dem Gehweg gestemmt hatte. Jogger, Radfahrer, Touristen und Ausflugsdampfer ziehen vorbei. Journalisten und Abgeordnete des Bundestages versammeln sich um Demnig herum, ein Saxophon erklingt. Auf der Freitreppe findet ein Fotoshooting statt. Die beiden jungen Damen tragen etwas Futuristisches, was vielleicht Mäntel sein könnten.

Demnig, im hochgekrempelten, blauen Jeanshemd, khakifarbener Arbeitshose und Hut, scheint das alles nur wenig zu interessieren. Er arbeitet konzentriert daran, ein Stück Vergangenheit zu markieren.

Zehn Namen sind auf den Platten eingraviert. Sie erinnern an die Eheleute Willy und Rosalie Hirsch und deren Adoptivkinder, die Zwillinge Ruth und Abraham A., sowie ihre Mitbewohner und deren Angehörige, Ella Horowitz, Jacob Tichauer, Max und Else Tichauer sowie Martin und Jenny Schwersenski. Dort, wo heute das Lüders-Haus samt Parlamentsarchiv und Bibliothek steht, wohnten sie einst in der Wohnung eines Hauses am Schiffbauerdamm 29. Im Februar 1941 mussten sie gemeinsam mit den

27 anderen Mietparteien das Haus räumen, um Platz für die Hauptstadtplanung von Hitlers Architekten Albert Speer zu machen.

Während die nicht-jüdischen Mieter Anspruch auf eine neue Wohnung hatten, mussten die Hirschs und ihre Untermieter bei andere Juden in der Hauptstadt unterkommen. Die Eheleute Hirsch und ihre Tochter Rosalie, Ella Horowitz, die Eheleute Tichauer sowie Martin Schwersenski wurden später in Konzentrations- und Vernichtungslager der Nationalsozialisten verschleppt und ermordet. Die Patenschaften für die Stolpersteine haben Abgeordnete aller im Bundestag vertretenen Fraktionen übernommen. Hinter der Aktion stehen zudem der Verein Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin, die Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin sowie die Historikerin Susanne Willems. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) lobte Demnigs Projekt anlässlich der Verlegung als "einzigartige Initiative". Sie gebe einem kleinen Teil der Menschen einen Namen, die Opfer eines brutalen und kriminellen Terror-Regimes gewordenen seien und erinnere so an einen "unauslöschbaren Teil der Geschichte unseres Landes", sagte Lammert.

Der Künstler selbst betonte, er freue sich über jeden Stein, der dazu komme. Inzwischen sind in Deutschland und anderen Ländern über 53.000 Steine verlegt worden, in Berlin sind es rund 6.200. Demnig hob auch hervor, wie wichtig die Arbeit mit Schülern sei, die ebenfalls im Rahmen der Stolperstein-Initiative stattfindet. "Die Schüler wollen wissen, wie konnte sowas im Land der Dichter und Denker geschehen", sagte der Künstler.