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KYOTO-PROTOKOLL : Gnadenfrist trotz globalen Misserfolgs

Viele Zielvorgaben wurden verfehlt

27.07.2015
2023-08-30T12:28:06.7200Z
3 Min

Gemessen am globalen Treibhausgasausstoß ist das Kyoto-Protokoll ein grandioser Misserfolg. Der erste Klimaschutzvertrag der Welt ist 2005 in Kraft getreten. Das Ziel dieses völkerrechtlich verpflichtenden Abkommens war es, den globalen Treibhausgasausstoß zwischen 2008 und 2012 im Vergleich zu 1990 um 5,2 Prozent zu senken. Tatsächlich lag der Treibhausgasausstoß jedoch 2014 mehr als 30 Prozent höher als 1990. Das Protokoll, das schon 1997 im japanischen Kyoto beschlossen worden war, verpflichtete 39 Industriestaaten dazu, ihre Treibhausgasemissionen zu senken. Im Anhang A des Vertrags wurden die Kyoto-Staaten und ihre Minderungsverpflichtungen aufgeführt. Viele sind bis heute weit von ihren Zielvorgaben entfernt.

Trotzdem bekommt das Kyoto-Protokoll noch einmal eine Gnadenfrist. Beim Weltklimagipfel in Doha vor zwei Jahren konnten sich zumindest einige Kyoto-Staaten überwinden, sich auf eine zweite Verpflichtungsperiode (Kyoto II) einzulassen. Sie soll den Übergang vom Kyoto-Protokoll zu einem neuen umfassenden Klimavertrag überbrücken. Im Dezember 2015 soll dieser neue Vertrag beim 21. Weltklimagipfel in Paris beschlossen werden (siehe Beitrag links). 2020 soll er dann in Kraft treten können.

Ehrgeiziges Vorhaben Sollte das Abkommen tatsächlich in Paris beschlossen werden, wären fünf Jahre für die Ratifizierung ziemlich ehrgeizig. Denn es dauerte acht lange Jahre, bis das Kyoto-Protokoll in Kraft treten konnte. Damals mussten mindestens 55 Staaten, die mindestens 55 Prozent der Weltemissionen verursacht haben, das Abkommen durch ihre Parlamente bringen. Da die USA zwar das Kyoto-Protokoll unterzeichnet, aber nie ratifiziert haben, mussten die Befürworter des Abkommens Russland überzeugen, sich anzuschließen. Nach Jahren harter Verhandlungen ging Moskau diesen Schritt dann tatsächlich. Bei Kyoto II ist Russland nicht mehr dabei - so wie Japan, Neuseeland und Kanada, das 2013 das Kyoto-Protokoll ganz verlassen hat. Der Boom bei der Öl-Sandförderung machte es zu diesem Zeitpunkt weitgehend unmöglich, dass Kanada seine Kyoto-Verpflichtungen einhalten konnte. Kanada hätte seinen Treibhausgasausstoß um sechs Prozent im Vergleich zu 1990 senken sollen, tatsächlich lag er 2012, am Ende der ersten Kyoto-Verpflichtungsperiode, um 17,4 Prozent über dem Wert von 1990.

Noch 2013 sagte die EU zu, Kyoto II zu ratifizieren. Im vergangenen Jahr stimmte der Bundestag Kyoto II zu. Vor wenigen Tagen wurde im Bundesrat die letzte rechtliche Hürde zur Ratifizierung überwunden. Die EU hatte versprochen, die Ratifizierung noch vor dem Pariser Gipfel anzuzeigen. Das könnte knapp werden, denn bisher hat lediglich ein Drittel der EU-Staaten Kyoto II bereits in die Parlamente eingebracht. Die Verlängerung tritt zudem erst dann in Kraft, wenn 144 Staaten Kyoto II ratifiziert haben werden. Und trotzdem reguliert Kyoto II am Ende nicht mehr als 15 Prozent der Welt-Treibhausgasemissionen.

Verpflichtungen eingehalten Die Europäische Union hat ihre Kyoto-Verpflichtungen eingehalten. Sie sollte bis 2012 den Treibhausgasausstoß um acht Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Tatsächlich erreichte die EU sogar eine Minderung um 12,2 Prozent. Und das, obwohl einige EU-Staaten ihre Zielvorgaben dramatisch gerissen haben. Spanien zum Beispiel, das seinen Treibhausgasausstoß bis 2012 um 15 Prozent hätte erhöhen dürfen, aber trotz Wirtschaftskrise bei einem Plus von 25,8 Prozent gelandet ist. Oder Österreich, das um 13 Prozent hätte mindern sollen, den Treibhausgasausstoß aber um 8,2 Prozent erhöht hat. Dass die EU trotzdem gut da steht, liegt an Großbritannien, das durch den Austausch der meisten Kohlekraftwerke durch Gaskraftwerke die Treibhausgasemissionen nicht nur um 12,5 Prozent, sondern sogar um 22,6 Prozent gesenkt hat. Und an Deutschland, das seine Verpflichtung, die Emissionen um 21 Prozent zu senken, ebenfalls leicht übertroffen hat. Vor allem aber lag es am Zusammenbruch der osteuropäischen Industrien, der aus Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn oder Rumänien klimapolitische Musterschüler machte. Und auch der deutsche Minderungsbeitrag ist mindestens zur Hälfte auf den Zusammenbruch der DDR-Industrie zurückzuführen.

Für die EU war das Vergleichsjahr 1990 also ziemlich optimal gewählt. Alles in allem, findet indes Susanne Dröge von der Stiftung Wissenschaft und Politik, habe sich "das Modell Kyoto-Protokoll nicht bewährt". Immerhin sieht der Klimaexperte Niklas Höhne vom New Climate Institute das Kyoto-Protokoll nicht als kompletten Misserfolg, weil "überall auf der Welt nationale Klimapolitik entwickelt worden ist". Ohne das Kyoto-Protokoll "gäbe es keinen europäischen Emissionshandel", argumentiert Höhne. Es gäbe auch keine anderen sogenannten "flexiblen Mechanismen" wie beispielsweise die Möglichkeit, in einem Entwicklungsland in den Klimaschutz zu investieren und sich in Europa dafür Kohlendioxid-Zertifikate gutschreiben zu lassen.

Mit diesem "Clean Development Mechanism" (CDM) ist ziemlich viel Missbrauch getrieben worden. In China sind ganze Fabriken zur Produktion von fluorierten Gasen gebaut worden, weil die Zerstörung dieser potenten Klimaschädlinge zur Erlangung von CO2-Zertifikaten der EU so viel Geld eingebracht hat. Dennoch sind Anfang Juli 2015 insgesamt 7.651 CDM-Projekte weltweit registriert worden. Nicht alle haben dem Klima geschadet.