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ENTWICKLUNG : Konto fürs Weltklima

Mit dem Green Climate Fund sollen vor allem die Industrie- nationen die Länder des Südens beim Umweltschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützen

27.07.2015
2023-08-30T12:28:06.7200Z
5 Min

Die Planstadt Songdo in Südkorea soll nach dem Willen ihrer Erbauer ein Labor für modernes Bauen, Arbeiten und Wohnen im 21. Jahrhundert sein. Hier gibt es energiesparende Hochhäuser, riesige Grünflächen, ein ausgedehntes Rad- und Fußwegenetz sowie eine Art unterirdisches Rohrpost-System, mit dem sich Hausmüll in Windeseile zum nächsten Biogas-Kraftwerk transportieren lässt. Songdo liegt in der Nähe des Flughafens Incheon im Großraum Seoul, den Baugrund haben die Koreaner dem Gelben Meer abgerungen. Sie sind stolz auf das Großprojekt, bei dem sich alles um Umweltschutz und Ressourceneffizienz dreht.

Es ist erst ein paar Jahre her, da stand die Retortenstadt in einem scharfen Wettbewerb mit Bonn am Rhein. Beide wollen sich als Standort internationaler Organisationen unter dem Dach der Vereinten Nationen profilieren. In diesem Fall ging es darum, wer Sitz des Grünen Klimafonds (Green Climate Fund, GCF) werden soll. Am Ende setzte sich Songdo gegen sämtliche Mitbewerber durch. Seit 2012 ist deshalb dort das Sekretariat des Fonds beheimatet - in einem 33-stöckigen Hochhaus namens G-Tower, das selbstverständlich ebenfalls das Label "umweltfreundlich" trägt. Es ist ein passender Ort für eine multilaterale Einrichtung, die eine zentrale Rolle im Kampf gegen die Erderwärmung spielen soll und in die Klima- und Umweltschützer rund um den Globus große Hoffnung setzen.

Aufgabe des Grünen Klimafonds ist es, die Entwicklungsländer bei Klima-Projekten und der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. Die Industrienationen haben sich verpflichtet, ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden US-Dollar für die Klimafinanzierung bereitzustellen. Die Mittel sollen von den Staaten selbst sowie von privaten Investoren kommen. Der GCF soll einen erheblichen Teil des Geldes sammeln und gezielt weiterleiten. Er ist zwar nicht der einzige Akteur in diesem Feld, dürfte aber schon bald der wichtigste sein.

In den Startlöchern Die Staatengemeinschaft beschloss die Gründung des GCF 2010 beim Welt-Klimagipfel im mexikanischen Cancun. Seitdem wurden große Anstrengungen unternommen, um den Fonds arbeitsfähig zu machen. Jetzt steht der GCF in den Startlöchern. Exekutiv-Direktorin ist die Tunesierin Héla Cheikhrouhou. Wichtigstes Entscheidungsgremium ist das 24-köpfige Direktorium, das je zur Hälfte mit Vertretern aus Industrie- und Entwicklungsländern besetzt ist.

"Noch nie ist eine solche Organisation so schnell gegründet und aufgebaut worden", sagt Norbert Gorißen, der auf Seiten des Bundesumweltministeriums in Berlin als Referatsleiter das Projekt steuert. Deutschland gehört zu den größten Finanziers des Fonds und auch politisch zu den treibenden Kräften. Die fachliche Zuständigkeit in der Bundesregierung teilen sich das Umweltressort und das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Noch vor Beginn der kommenden Welt-Klimakonferenz Anfang Dezember in Paris will das Direktorium des Fonds die ersten Förder-Entscheidungen treffen. Das ist ein wichtiger Beitrag zum Gelingen der Konferenz insgesamt. "Ohne ein glaubwürdiges Angebot zur Klimafinanzierung werden die Entwicklungsländer einem Klimaabkommen nicht zustimmen", sagt Gorißen.

Die größte Verantwortung für den Klimawandel tragen die Industrienationen und Schwellenländer. Die Folgen werden aber besonders die armen Staaten auf der Südhalbkugel zu spüren bekommen - in Form von häufigen Überschwemmungen, Dürren oder Stürmen. Wegen des Anstiegs der Meeresspiegel drohen ganze Inselstaaten im Meer zu versinken. Denkbar ist, dass der Fonds in Entwicklungsländern etwa Frühwarnsysteme oder Deichbau- und Entwässerungsprojekte finanziert.

Der GCF soll überdies dazu beitragen, dass sich die armen Länder für einen Entwicklungspfad entscheiden, der eben nicht auf der Verbrennung von Öl, Kohle und Gas basiert. So könnte er durch Zuschüsse etwa die finanziellen Risiken privater Investitionen in erneuerbare Energien mindern. "Wir brauchen einen Quantensprung", sagt Experte Gorißen. "Wir wollen kein Klein-Klein, also kein Business as usual mit ein bisschen Klimaschutz. Der Fonds soll einen Paradigmenwechsel herbeiführen: Weg vom klimaschädlichen fossilen Modell, hin zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft, die widerstandsfähig gegen den Klimawandel ist."

Wie sich das erreichen lässt, ist aber innerhalb der Staatengemeinschaft und damit auch innerhalb des GFC-Direktoriums umstritten. Deutschland etwa ist der Ansicht, dass der Fonds auf keinen Fall die Modernisierung von Kohlekraftwerken fördern sollte. Die Japaner sehen das anders. Ergebnis: Die Förderrichtlinien des GCF schließen solche Projekte nicht ausdrücklich aus. Sie betonen allerdings, dass sich sämtliche Vorhaben am übergeordneten Ziel orientieren sollten, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Das dürfte es der Kohle- und Öllobby erschweren, die Förderpolitik des GCF in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Die Hälfte der Mittel, die der Fonds verteilt, soll Klimaschutz-Projekten zugutekommen und die andere Hälfte Projekten zur Anpassung an den Klimawandel. Dabei will der Fonds mit Partnern aus dem öffentlichen und privaten Sektor zusammenarbeiten. Gerade erst wurde beispielsweise die Deutsche Bank akkreditiert, was unter Umweltschützern heftige Kritik auslöste. Sie halten dem Geldhaus vor, einer der größten Kohlefinanzierer der Welt zu sein.

Überhaupt, das Geld: Für die Förderperiode bis 2018 haben sich 35 Staaten zu Zahlungen von mehr als zehn Milliarden US-Dollar verpflichtet. Deutschland ist mit einer Milliarde Dollar dabei. Die größten Geldgeber sind die G7-Staaten - neben der Bundesrepublik die USA, Japan, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada. Eine sehr wichtige Rolle spielt außerdem Schweden, das mit Zusagen von mehr als 580 Millionen Dollar einen außergewöhnlich großen Beitrag leistet.

Auf der Liste der Geldgeber stehen überwiegend Industriestaaten. Allerdings sind auch acht Schwellen- und Entwicklungsländer dabei, unter anderem Mexiko, Chile und Indonesien. Jeder Staat kann selbst festlegen, in welchem Umfang er sich an der Finanzierung des GCF beteiligt. Und so gibt es wichtige Staaten mit einer aufstrebenden Wirtschaft, die bislang kein Geld für den Klimafonds geben möchten. Dazu gehören beispielsweise China mit seiner grundsätzlichen Skepsis gegenüber multilateralen Strukturen sowie Brasilien, Südafrika, Indien - und Saudi-Arabien.

Umdenken in Riad Letzteres zählt zwar zu den reichsten Ländern der Erde. Wenn es um den Klimaschutz geht, stellt es sich bisher aber auf den Standpunkt, ein Entwicklungsland zu sein. Die Öl-Monarchie kann dabei auf einen Anhang der UN-Klimarahmenkonvention von 1992 verweisen, in dem es genau jenen Status zugewiesen bekam. Vorteil: Entwicklungsländer müssen bislang keine eigenen Anstrengungen für den Klimaschutz unternehmen und sich auch nicht an der Klimafinanzierung beteiligen.

Das heißt gleichwohl nicht, dass Saudi-Arabien keinen Anteil am Aufbau und der Ausrichtung des Grünen Klimafonds nähme. Im Aufsichtsrat sitzt auch ein Saudi, den bezeichnenderweise das Ölministerium dorthin delegiert hat. Für das Land ist dies nützlich, es erhält Informationen aus erster Hand. Der Fonds soll schließlich dazu beitragen, die Abhängigkeit der Menschheit von Öl und Gas zu verringern.

Gleichwohl nutzt Saudi-Arabien nach Einschätzung unabhängiger Beobachter seine Position nicht aus, um die Arbeit des GCF insgesamt zu torpedieren. "Die sind schon konstruktiv bei der Sache", konzediert Sönke Kreft, Teamleiter Internationale Klimapolitik bei der Umweltschutzorganisation Germanwatch. Überhaupt scheine in der politischen Führung des Landes ein grundsätzliches Umdenken eingesetzt zu haben. "Die Saudis haben vorher in den Klimaverhandlungen einen offen dekonstruktiven Kurs gefahren. Davon sind sie runtergekommen."

Noch lässt sich nicht absehen, welche Klimaschutz-Projekte der Fonds im Herbst zur Förderung auswählen wird. Klar ist aber, dass es eine überzeugende Auswahl sein muss. Es geht schließlich darum, zu zeigen, dass der GFC funktioniert und die Industrienationen tatsächlich solidarisch sind mit den ärmsten Länder des Planeten.

Der Autor ist Korrespondent der "DuMont"- Hauptstadtredaktion.