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ENERGIEEFFIZIENZ I : Energiewende vor Ort

Die Stadt Schenefeld will sich als Modell-Kommune zertifizieren lassen

27.07.2015
2023-08-30T12:28:06.7200Z
5 Min

Das Schulzentrum in Schenefeld hat ein Problem: einen Kriechkeller. Das Untergeschoss des Baus aus den 1960er-Jahren in der Stadt im Kreis Pinneberg ist nicht gedämmt. Das kostet Energie. Das kostet Geld. Aus energetischer Sicht ist es nicht der einzige Schwachpunkt an dem Gebäudekomplex. Im Vergleich zu einem durchschnittlichen Otto-Normal-Schulzentrum verbraucht die Anlage, in der ein Gymnasium, eine Gesamtschule und ein Veranstaltungs-Forum untergebracht sind, deutlich mehr Heiz- und Stromenergie. Auf 32 Prozent bei der Heiz- und auf 49 Prozent bei der Elektroenergie taxiert ein Energiebericht der Deutschen Energie-Agentur (Dena) das Einsparpotenzial im Vergleich zum Durchschnittswert.

Da will die Stadt mit knapp 19.000 Einwohnern jetzt ran. Der Keller soll für knapp 300.000 Euro gedämmt werden, in Teilen der Gebäude wird die Lüftungsanlage erneuert.Auch eine Photovoltaik-Anlage wird geplant. Die Hoffnung: Beim Heizen sollen 150 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden, die Energiekosten um etwa 60.000 Euro sinken.

So sieht es zumindest das "Energie- und Klimaschutzprogramm 2015-2017" der Stadt vor, in dem außerdem 14 weitere Maßnahmen aufgeführt sind. Zirka drei Millionen Euro Eigenmittel will die Stadt in der Summe investieren. "Insgesamt wollen wir so den Gesamtenergieverbrauch der Stadt um neun, den CO2-Ausstoß um knapp 30 und die Energiekosten um zehn bis zwölf Prozent senken", sagt Bürgermeisterin Christiane Küchenhof. "Damit wird das Klima und die Stadtkasse geschont", betont die Sozialdemokratin.

Diese ambitionierten Ziele kommen nicht von ungefähr. Schenefeld ist Teil des auf drei Jahre angelegten Projektes "Energieeffiziente Musterkommune" der Dena. In der Hamburger Nachbargemeinde soll öffentlich dokumentiert werden, was die Dena den Kommunen im Bereich Klimaschutz und Energiewende als Beratungsmöglichkeiten anbietet. Kern ist die Einführung eines Energie- und Klimaschutzmanagements (EKM), das Kommunen systematisch dabei helfen soll, Energie und so auch Geld zu sparen. Mit dem EKM soll in mehreren Schritten der Ist-Zustand analysiert und entsprechende Maßnahmen geplant, finanziert und umgesetzt werden. Durchläuft eine Gemeinde diesen Prozess erfolgreich, kann sie sich von der Dena zertifizieren lassen. Das ist auch in Schenefeld das Ziel. Magdeburg und Remseck am Neckar haben als Musterkommunen diesen Prozess schon hinter sich und ein Zertifikat in der Tasche.

Die Initiative ging dabei nicht von der Stadt aus. "Das Projekt kam auf uns zu", berichtet Küchenhof. Der Energiekonzern Eon, mit dem die Stadt bei der Wärmeversorgung zusammenarbeitet, sei 2012 an die Kommune herangetreten, da noch eine mittelgroße Modellkommune im norddeutschen Raum gesucht worden sei. Das Unternehmen ist Partner der Dena in dem Projekt und beteiligt sich daran auch finanziell. Auch in Magdeburg und Remseck waren jeweils Energieversorger mit im Boot. Gefördert wird das Vorhaben zudem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

Aber nicht nur die Kooperation in der Wärmeversorgungsgesellschaft sei es gewesen, die für Schenefeld gesprochen habe, betont die Bürgermeisterin. "Wir sind eine Kommune, die im Bereich Klimaschutz und Energiesparen schon viel angestoßen hatte. Das war eine Voraussetzung", sagt die Sozialdemokratin. Nachdem im Januar 2013 die Ratsversammlung grünes Licht gegeben hatte, unterzeichneten die Partner im Mai 2013 die Beitrittserklärung.

Damit begann das Projekt. "Das war schon jede Menge Arbeit, aber langsam verstetigt sie sich", bilanziert Küchenhof. Das bestätigt auch Martina Schiller. Sie ist die Klimaschutzkoordinatorin der Stadtverwaltung. Ihre Ernennung ist eine der Voraussetzungen für die Zertifizierung durch die Dena. Innerhalb der Verwaltung soll durch entsprechende organisatorische Strukturen eine fachbereichsübergreifende Zusammenarbeit ermöglicht werden. Die Kooperation war auch für die Bestandsaufnahme nötig. In vier sogenannten Handlungsfeldern - kommunale Gebäude, Straßenbeleuchtung, Verkehr und Energiesystem - galt es, Energieverbräuche zu ermitteln und Daten zusammenzustellen. Eine "sehr aufwendige Angelegenheit", wie Schiller berichtet. Auf dieser Grundlage sei schließlich von der Dena der Energiebericht erstellt worden, der wiederum Basis für das Klimaschutzprogramm gewesen sei.

Die Maßnahmen in dem Programm sind breit gefächert. Neben der energetischen Sanierung des Schulzentrums sollen zum Beispiel Präsenzmelder in öffentlichen Gebäuden wie dem Rathaus eingebaut werden. Die Reduzierung ihres CO2-Ausstoßes bewerkstelligt die Stadt größtenteils dadurch, dass künftig alle öffentlichen Gebäude mit Öko-Strom versorgt werden. Das spart in der Bilanz 558 Tonnen CO2 pro Jahr ein. Auch im Bereich Öffentlichkeitsarbeit engagiert sich Schenefeld, um die Bürger für die Energiewende zu sensibilisieren. 2015 erklärte die Stadt zum Energiejahr und organisierte Veranstaltungen rund um das Thema: von Beratungsangeboten über das Thema Dämmung über einen VHS-Kurs "CO2-armes Kochen" bis zu Lesungen unter dem Motto "Kriminelle Energien".

Für die Bürgermeisterin ist klar: Das Dena-Projekt und die erzielten Fortschritte sind auch auf die gute Zusammenarbeit mit der lokalen Politik zurückzuführen. "Wir werden da als Verwaltung gut unterstützt. Anders geht das auch nicht", sagt Küchenhof. Dazu gehöre auch eine manchmal kritische Begleitung.

Einer dieser kritischen Begleiter ist Jochen Ziehmann, Vorsitzender des örtlichen Energieausschusses. Er sitzt seit Mai 2013 in der Ratsversammlung. Eingezogen ist er über die Liste der Grünen, Parteimitglied ist er nicht. Ziehmann ist vom Fach. Der Diplom-Ingenieur arbeitet im Bereich der erneuerbaren Energien.

Das Musterkommunen-Projekt, das vor seinem Einzug in den Rat beschlossen wurde, betrachtet Ziehmann mit Skepsis. "Wir werden nicht unabhängig beraten", sagt der Ausschussvorsitzende mit Verweise auf die Beteiligung von Eon. Das Unternehmen tritt nicht nur als Finanzier auf, sondern sitzt gemeinsam mit Vertretern der Dena und Stadtverwaltung in einer Arbeitsgruppe, die das Projekt begleitet. "Die Initiative, Energie- und Klimaschutz anzugehen, gefällt mir natürlich sehr gut", sagt der Ausschussvorsitzende. Auch einzelne Bestandteile des Projekts seien positiv zu bewerten. Es hätte aber Alternativen ohne Beteiligung eines Energieversorgers gegeben, etwa eine Förderung nach der Kommunalrichtlinie des Umweltministeriums. "Mit einem unabhängigen Berater hätte man auch über Vorhaben diskutieren können, die einem Energieversorger nicht gefallen", sagt Ziehmann.

In der Verwaltung wird die Kritik an der Beteiligung von Eon nicht geteilt. Die Arbeitsgruppensitzungen seien inzwischen auch für die Politik offen, betont Bürgermeisterin Küchenhof. Es sei "größtmögliche Transparenz" geschaffen worden. Koordinatorin Schiller verweist zudem auf das Primat der Politik. Die Verwaltung mache Vorschläge und lasse sich dabei beraten. Es sei aber die Kommunalpolitik, die beschließe.

Bei aller Skepsis, Ziehmann nimmt das Projekt an: "Das ist jetzt so, nun nutzen wir das auch." Andere Kommunen seien in Fragen des Klimaschutzes schon wesentlich weiter. "Wir versuchen jetzt, mit großen Schritten aufzuholen", sagt der Ausschussvorsitzende. Die beiden anderen Dena-zertifizierten Modell-Kommunen sind dabei für Ziehmann nicht unbedingt ein Vorbild. Dort seien nur um die vier bis fünf Prozent Energieeinsparung angestrebt worden. "Das ist mir viel zu wenig", sagt der Kommunalpolitiker mit Verweis auf das im Rahmen des Projektes beschlossene energie- und klimapolitische Leitbild der Stadt. Darin ist unter anderem eine Reduzierung des Energiebedarfes der Stadt um 20 Prozent bis 2020 vorgesehen. Es bleibe also noch viel zu tun.

Das sieht man auch im Rathaus so. "Die Maßnahmen gehen uns nicht aus", sagt Küchenhof. Doch erstmal soll das Dena-Projekt im Herbst über die Bühne gebracht werden. Die Bürgermeisterin gibt sich mit Blick auf die angeschobenen Vorhaben in der Stadt selbstbewusst: "Einer Zertifizierung steht im Grunde nichts mehr im Wege."