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AGROPHOTOVOLTAIK : Hopfen unter Hightech-Dächern

Moderne Anlagen ermöglichen die gleichzeitige Nutzung von Agrarflächen für die Stromerzeugung und den Nahrungsmittelanbau

27.07.2015
2023-08-30T12:28:06.7200Z
3 Min

Der Begriff Agrophotovoltaik (APV) mag noch neu sein in der Branche der Erneuerbaren Energien, die Idee ist es aber nicht. Schon 1981 begann Adolf Goetzberger, Gründer des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg, sich mit der gleichzeitigen Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen für die Erzeugung von Strom und Nahrungsmitteln zu beschäftigen. Der Visionär war überzeugt, dass Solarstrom eine günstige Energiequelle werden würde und stellte sich die Frage nach den Folgen. Die Flächenkonkurrenz war eine davon. 2011 griff das Freiburger Institut seine Idee wieder auf und entwickelte ein Forschungsprojekt daraus. Gerade entsteht in der Bodensee-Region eine Pilotanlage mit hochaufgeständerten Solarmodulen, unter denen Ackerfrüchte angebaut werden. Auch in anderen Ländern gibt es bereits Pilotprojekte. Sie zeigen eine Lösung auf, wie fruchtbare Böden doppelten Nutzen bringen können.

Wandel der Kulturlandschaften Der Landwirtschaftssektor steht vor einer großen Herausforderung. Einerseits muss er die Anpassung an den Klimawandel schaffen, andererseits den Ausbau der erneuerbaren Energien und den damit einhergehenden Wandel von Kultur- zu Energielandschaften bewerkstelligen. Neben dem Interessenkonflikt zwischen Nahrungsmittel- und Energiesicherheit bringt dieser Wandel auch Akzeptanzprobleme gegenüber dem Anlagenbau und der notwendigen Infrastruktur mit sich. Dies zeigte sich ab etwa 2008, als der Bau von Photovoltaik- und Biogasanlagen boomte. In der daraus resultierenden "Tank- oder Teller-Diskussion" wurde debattiert, ob fruchtbare Böden durch Solarmodule der herkömmlichen Landwirtschaft entzogen oder Felder in Monokulturen für den Maisanbau für Biogasanlagen genutzt werden dürften. 2008 präsentierte Manfred Guggenmos die wahrscheinlich erste Agrophotovoltaik-Anlage in Deutschland. Auf den Stahlträgern einer abgebauten Halle montierte der Unternehmer aus dem Allgäu Solarmodule und baute darunter Zucchini an. 2013 installierte die bayerische Hochschule Weihenstephan-Triesdorf eine kleine APV-Anlage. Zuvor hatte die Hochschule zusammen mit dem Fraunhofer ISE mit Salat unter einer Testanlage experimentiert. "Wir haben überraschend gute Ergebnisse erzielt", sagt Stephan Schindele, Projektleiter beim ISE. Es habe sich gezeigt, dass einige Pflanzen unter PV-Modulen sogar noch besser gedeihen.

Riesiges Potenzial Auch im Ausland entwickelt sich das Forschungsfeld. 2010 baute die Universität Montpellier auf Versuchsflächen APV-Anlagen. 2011 entstanden in Italien zwei Pilotprojekte. In Japan erließ das Agrarministerium im April 2013 ein Gesetz, wonach PV-Anlagen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen nur dann gefördert werden, wenn unter den Modulen mindestens 80 Prozent der Agrarerträge erzielt werden. Schon 2004 war in Japan mit kleineren "Solar Sharing"-Anlagen geforscht worden. Das Fraunhofer ISE baut nun zusammen mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der Universität Hohenheim und Wirtschaftspartnern eine Anlage mit 190 Kilowatt Leistung auf Ackerflächen der Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach in der Gemeinde Herdwangen-Schönach in Baden-Württemberg. Bei dem Vorhaben, das vom Bundesforschungsministerium gefördert wird, werden die Module in sechs Metern Höhe installiert, aber nicht mit der für Photovoltaik eigentlich idealen Südausrichtung. Denn die ISE-Forscher haben durch Simulationen herausgefunden, dass sich die Süd-West- oder Süd-Ost-Ausrichtung besser eignet für solche Anlagen. Weiterhin sind 30 Prozent größere Reihenabstände ideal. Bei dieser Bauweise können noch 80 Prozent des Lichts durchdringen und 95 Prozent der Solarerträge erzielt werden.

Im Juni 2016 soll die Anlage in Betrieb gehen. In einem ersten Schritt wird die Kombination von Photovoltaik mit der Produktion von Getreide, Kartoffeln und Feldgemüse erforscht. In einer zweiten Phase soll dann auch die Vereinbarkeit mit Obstbau und Hopfen erforscht werden. Der technische Visionär Goetzberger, inzwischen 86 Jahre alt, begleitet die Forschungsarbeiten. Das Fraunhofer ISE hat in Deutschland ein Potenzial von rund 50 Gigawatt APV-Leistung ermittelt.

Die Autorin ist Fachjournalistin für erneuerbare Energien in München.