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Verkehr : Falsche Anreize

Zunehmende Mobilität zu Land, zu Wasser und in der Luft sorgt für höheren Treibhausgasausstoß

27.07.2015
2023-08-30T12:28:06.7200Z
4 Min

Wer an den Ausstoß von Treibhausgasen denkt, dem schweben zumeist Bilder von rauchenden Kraftwerksschloten vor. Dass der Verkehr dem Klima ganz gewaltig einheizt, gerät da gerne in Vergessenheit. Mittlerweile geht ein Fünftel des in Deutschland ausgestoßenen Kohlendioxids auf sein Konto. 84 Prozent davon stammen direkt aus den Auspuffen von Autos, Lastwagen, Motorrädern und Baumaschinen. Weltweit sieht es noch viel dramatischer aus: Knapp ein Viertel aller schädlichen Emissionen sind besonders auf die globalen Warenströme zurückzuführen. Nirgendwo nimmt der Treibhausgasausstoß global derzeit so stark zu wie in der internationalen Logistikbranche - auf der Straße, in der Luft aber auch auf dem Seeweg.

Anfang letzten Jahres hat das EU-Parlament einen Initiativbericht zur EU-Klima- und Energiepolitik bis 2030 verabschiedet, der verbindliche Ziele von den Mitgliedstaaten anregt: Der Treibhausgasausstoß soll bis 2030 gegenüber 1990 um 40 Prozent zurückgehen, die Energieeffizienz um 40 Prozent wachsen und der Anteil erneuerbarer Energien auf 30 Prozent ansteigen. Bereits bis zum Jahr 2020 soll in diesen drei Bereichen jeweils die Marke von 20 Prozent erreicht werden.

Verkehr nimmt zu Wie aber sollen diese Werte erreicht werden, wenn der Verkehr zu Land, zu Wasser und in der Luft immer weiter zunimmt? Allein die Passagierzahlen im internationalen Flugverkehr steigen Jahr für Jahr um vier bis fünf Prozent. Aus der Tourismusbranche ist der Flugverkehr kaum noch wegzudenken, für internationale Treffen ist die Fortbewegung durch die Luft selbstverständlich. Die Preise für die Tickets sinken, doch der Preis, den wir alle zahlen, ist hoch. Die Kohlendioxid-Emissionen des Luftverkehrs tragen bereits etwa acht Prozent zur globalen Erwärmung bei. Kohlendioxid ist aber nicht das einzige Treibhausgas, das die Flugzeuge ausstoßen. Durch die direkte Eintragung insbesondere von Stickoxiden und von Wasserdampf in hohe Luftschichten entstehen laut IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) Klimawirkungen, die zwei- bis fünfmal höher sind als die durch Kohlendioxid. Und ein Ende ist bisher nicht in Sicht: Sollte der Luftverkehr weiter so wachsen wie bisher, werden seine Klimawirkungen bereits in fünf Jahren die des heutigen Pkw-Verkehrs übersteigen. Trotz der alarmierenden Zahlen wird die Klimawirkung des Flugverkehrs bis heute unterschätzt. Nur zaghaft und halbherzig wurden erste Schritte getan: Das EU-Parlament beschloss, den Luftverkehr ab 2012 in den EU-Emissionshandel einzubeziehen. Allerdings sind die Vorgaben viel zu lasch.

Noch schlimmer sieht es beim globalen Warenverkehr aus: Er droht, einer OECD-Studie zufolge, die globalen Klimaziele zu gefährden. Denn das globale Frachtvolumen soll sich, so die Prognose, bis zum Jahr 2050 vervierfachen. So schätzen die Experten der OECD, dass sich die aus dem Frachtverkehr entstandenen Kohlendioxid-Emissionen bis 2050 um 290 Prozent erhöhen, was "Klimaziele ernsthaft untergraben" könne. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis dass die Entfernung, die internationale Güterfracht durchschnittlich zurücklegt, bis 2050 aufgrund der zunehmenden Verflechtung der Wirtschaftsräume um zwölf Prozent steigen wird.

Aber auch der klassische Straßenverkehr fordert klimatechnisch einen immer höheren Tribut. Auf dem Weltverkehrsforum in Leipzig vor wenigen Wochen warnte der Vorsitzende José Viegas: "Wenn wir die Klimaziele noch erreichen wollen, muss etwas drastisches passieren. In den wachsenden Regionen Asiens, Südamerikas und Afrikas nimmt die Motorisierung mit dem steigenden Wohlstand explosionsartig zu." Die Zahl der Autos könne sich in den kommenden 30 Jahren nach Schätzungen weltweit auf mehr als drei Milliarden verdreifachen. Dann würden die globalen Kohlendioxid-Emissionen des Verkehrs um bis zu 170 Prozent zunehmen. Viegas: "Wir brauchen darum gleichzeitig technischen Fortschritt für höhere Effizienz und sauberere Energieträger, wie auch organisatorischen Fortschritt mit höherer Fahrzeugauslastung durch Carsharing und ähnliche Formen gemeinsamer Nutzung von Kapazität."

Wie vertragen sich solche Forderungen mit der Alltagswirklichkeit im Autoland Deutschland? Im Umweltbundesamt (UBA) wirft die Chefin, Maria Krautzberger, der Bundesregierung vor, sie tue zwar international viel für den Klimaschutz, fördere aber zuhause umweltschädliche Subventionen. Die größte umweltschädliche Subvention sei dabei die Energiesteuervergünstigung für Diesel. Ebenso fördere die Entfernungspauschale die Zersiedelung des Landes und steigere das Verkehrsaufkommen. Mit vielen Milliarden Euro pro Jahr werde zudem der Luftverkehrssektor in Deutschland subventioniert, indem Kerosin von der Energiesteuer und internationale Flüge von der Mehrwertsteuer befreit seien. Die Luftverkehrssteuer seit 2011 sei, so Krautzberger, nur ein erster Schritt zum Subventionsabbau.

Verbändekonzept Um besonders auf nationaler Basis dem Verkehr als zunehmend bedrohlich werdender Klimakiller entgegenzutreten, hat der Verkehrsclub Deutschland (VCD) gemeinsam mit den Umweltverbänden WWF, BUND, Germanwatch und NABU das Verbändekonzept "Klimafreundlicher Verkehr in Deutschland - Weichenstellungen bis 2050" erarbeitet. Das Verkehrskonzept, das im Juni 2014 in Berlin vorgestellt wurde, sieht eine radikale Wende der Verkehrspolitik vor. Im Zentrum stehen dabei die Verkehrsvermeidung und die Verlagerung auf umweltfreundlichere Transportmittel. Das Verbändekonzept zeigt einen Weg auf, wie sich im deutschen Verkehrssektor die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 95 Prozent reduzieren lassen. Dazu soll sich bis 2050 unter anderem die Zahl der Pkw halbiert haben. Der Verkehr sollte möglichst auf umweltschonende Verkehrsmittel verlagert werden. Die Politik, so die Studie, müsse dafür die richtigen Anreize setzen. Für den Straßenverkehr setzt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) dabei in erster Linie neben der Förderung des ÖPNV und der Bahn in der Kurzstudie "Erneuerbare Energien im Verkehr" für die Zeit von 2030 bis 2050 vor allem auf eine Umschichtung der Fahrzeugflotten bis 2050 mit einem hohen Anteil an batterieelektrischen Fahrzeugen, Verbrennungsmotoren mit Gas und einer hohen Zahl an Pkw mit Brennstoffzelle.

Der Autor ist freier Wirtschaftsjournalist in Bonn.