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HAUSHALT I : Das Prinzip Hoffnung

Große Mehrheit im Bundestag für Griechenland-Hilfe. Erleichterungen beim Schuldendienst möglich

31.08.2015
2023-08-30T12:28:07.7200Z
4 Min

Griechenland ist zum dritten Mal aus seiner Schuldenkrise gerettet worden. Garantien, dass diesmal in Athen alles glatt gehen wird, will aber selbst die Bundesregierung nicht mehr abgeben. Vielmehr gab es in der Bundestagsdebatte vor der Abstimmung über das dritte Griechenland-Hilfspaket am 19. August deutliche Ansagen, dass das Land mehr braucht als neue Kredite: "Es wissen doch am Ende alle: Griechenland wird nicht in der Lage sein, die hohe Schuldenlast zurückzuzahlen", stellte der Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Anton Hofreiter, fest. Dennoch überwog das Prinzip Hoffnung, mit der Regierung in Athen einen neuen Versuch zu wagen, die Krise ohne einen milliardenschweren Schuldenschnitt zu überwinden.

63 Neinstimmen aus der Union In namentlicher Abstimmung votierten 453 Abgeordnete für das dritte Griechenland-Paket (18/5780, 18/5788), 113 waren dagegen. Außerdem gab es 18 Enthaltungen. Da viele Unionsabgeordnete das Hilfspaket zuvor öffentlich kritisiert hatten, war das Abstimmungsverhalten der Fraktion mit großer Spannung erwartet worden. Mit 63 Stimmen war die Zahl der Nein-Sager aber nur unwesentlich höher als bei der letzten Abstimmung am 19. Juli. Es gab drei Enthaltungen. Allerdings blieben 17 Unions-Abgeordnete der Sitzung fern.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte auf eine Wortmeldung verzichtet und ihrem Finanzminister das Feld überlassen. Wolfgang Schäuble (CDU) warb mit einer sehr nachdenklichen Rede, in der er auch auf die Bedenken der Kritiker einging, um Zustimmung für das Paket. Vor dem Hintergrund der Maßnahmen Griechenlands für eine verbesserte Haushaltsplanung, eine größere Steuergerechtigkeit, Privatisierungen, eine Rentenreform sowie eine Modernisierung des Arbeitsmarktes und der Verwaltung stellte er fest: "Natürlich gibt es nach den Erfahrungen der zurückliegenden Monate und Jahre keine Garantien, dass das alles funktionieren wird. Und Zweifel sind immer erlaubt. Aber angesichts der Tatsache, dass das griechische Parlament einen Großteil der Maßnahmen bereits beschlossen hat, wäre es unverantwortlich, die Chance für einen neuen Anfang in Griechenland jetzt nicht zu nutzen." Ziel der Reformmaßnahmen, deren Verwirklichung regelmäßig überprüft werde, sei es, "dass Griechenland möglichst schnell wieder auf eigenen Beinen stehen kann". Der Minister verwies darauf, dass Griechenland ab 2016 wieder einen wenn auch noch kleinen Primärüberschuss von 0,5 Prozent erwirtschaften könne, der bis 2018 aber auf 3,5 Prozent steigen könne.

Schäuble bezeichnete es als "unabdingbar, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) mit seiner besonderen Expertise für Staatsschuldenkrisen weiterhin an Bord bleibt". Dies wolle auch die Euro-Gruppe, und der IWF wolle im Herbst über die Teilnahme an einem neuen Programm entscheiden. Die grundsätzliche Bereitschaft sei da, auch wenn die Einschätzung der griechischen Schuldentragfähigkeit zwischen Euro-Gruppe und IWF auseinander gehe.

Schäuble erklärte, bedeutsamer als die weiter angestiegene Schuldenstandsquote im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt sei die Betrachtung der jährlich zu leistenden Dienste für Zins und Tilgung, die sogenannte Bruttofinanzierungsbelastung, die unter 15 Prozent liegen solle. Diese 15 Prozent würden von Griechenland bis weit in die 2020er Jahre eingehalten werden können. Er sehe begrenzten Spielraum in der Frage der Laufzeiten der griechischen Kredite. Ein Schuldenschnitt lehnte der Finanzminister jedoch als "nicht möglich" ab, das verhinderten die europäischen Verträge.

Für die größte Oppositionsfraktion Die Linke lehnte deren Vorsitzender Gregor Gysi das Hilfspaket ab. 54 der 86 Milliarden dienten der Rückzahlung von Altschulden. "Da macht man neue Schulden, um alte Schulden zu begleichen, und aus dem Kreislauf kommt man nicht mehr heraus." Statt die Pleite-Banken mit Erstattung der Guthaben in die Insolvenz gehen zu lassen, würden sie mit 25 Milliarden gestützt. Für die dringend benötigten Investitionen gebe es nichts. Die Sparmaßnahmen führten zu einer Kaufkraftreduzierung, und die Mehrwertsteuererhöhung auf 23 Prozent belaste den ärmeren Teil der Bevölkerung. Die Wirtschaft werde dadurch geschwächt. "Ich verstehe diese Logik nicht", kritisierte Gysi.

Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, zeigte sich von Gysis Rede "maßlos enttäuscht: Wenn Sie mit Nein stimmen, fallen sie Ihrer Schwesterpartei Syriza in den Rücken." Griechenland habe den Willen, Reformen umzusetzen, sagte Oppermann, der den Abbau von Steuerprivilegien ausdrücklich begrüßte und wie Schäuble darauf hinwies, dass es Finanzhilfen nur Zug um Zug mit Reformen gebe. Wenn Athen die Reformen erfolgreich umsetze, werde es weitere Schuldenerleichterungen geben können, sagte Oppermann.

Hofreiter stimmte dem Hilfspaket zu, übte jedoch zugleich scharfe Kritik an der Regierung, die in den Verhandlungen mit dem Grexit gedroht habe. Eine Regierung, die so agiere, "schadet dem Zusammenhalt in Europa". Hofreiter sprach sich strikt gegen einen Grexit aus. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) warb um Zustimmung für das Paket und stellte die Schuldenkrise in Zusammenhang mit der Flüchtlingsproblematik: Europa habe womöglich noch schwerere Aufgaben zu lösen.

Von den Kritikern redete Klaus-Peter Willsch (CDU): "Wenn man zwei Mal mit Anlauf mit dem Kopf gegen die Wand gelaufen ist, dann sollte man gucken, ob es nicht irgendwo eine Tür gibt. Und die Tür heißt Grexit", urteilte er. Griechenland werde es nicht schaffen im Euro. Die von Finanzminister Schäuble vorgenommene Neudefinition der Schuldentragfähigkeit bezeichnete Willsch zudem als "ziemlich gefährlich". Damit sei es möglich, durch beliebige Verlängerung von tilgungsfreien Zeiträumen die Schuldentragfähigkeit herzustellen. In Wirklichkeit würden Schenkungen vorgenommen.