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GESUNDHEIT : Ein Gespenst verbreitet wieder Schrecken

Minister Gröhe ist zufrieden mit seinen Reformen. Opposition rügt falsche Weichenstellungen. Streit um Gesundheitskarte für Asylbewerber

14.09.2015
2023-08-30T12:28:08.7200Z
3 Min

Auf einmal lugt das Gespenst wieder durch den Spalt und verbreitet Schrecken: Beitragssatzerhöhungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind unpopulär und werden von Regierungsvertretern gerne kleingeredet. Die Opposition zieht das Thema umso energischer hervor und setzt auf die Gerechtigkeitskarte. Die Haushaltsdebatte vergangene Woche über den Etat (18/5500) von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) bot insoweit alle Voraussetzungen für ein interessantes parlamentarisches Kräftemessen, zumal zur Halbzeit der Wahlperiode gleich Bilanz gezogen wurde.

Seit Jahresbeginn liegt der Beitragssatz bei 14,6 Prozent, wobei Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils 7,3 Prozent übernehmen. Jedoch ist der Arbeitgeberanteil festgeschrieben, während die Arbeitnehmer die fälligen Zusatzbeiträge komplett selbst tragen. Fachleute rechnen damit, dass die meisten Kassen ab 2016 ihren Zusatzbeitrag erhöhen, zumal mehrere große Projekte wie etwa die Pflege- oder Krankenhausreform viel Geld kosten. Noch liegen die Finanzreserven der Kassen bei über 15 Milliarden Euro, aber die stetig steigenden Gesundheitskosten müssen refinanziert werden. Nicht nur Linke und Grüne fordern daher eine Rückkehr zur Parität, sondern pikanterweise auch die SPD.

Koalition uneinig Während Gröhe erkennbar stolz über seine zahlreichen Reformen referierte, erntete er bei der Opposition neben Kritik nur Spott. So merkte Harald Weinberg (Linke) bissig an: "Ihr Ministerium hat geliefert und hält das Parlament in einer hohen Frequenz mit Gesetzentwürfen auf Trab." Allerdings gingen die Reformen in die falsche Richtung. Weinberg warnte, es sei für Gröhe "relativ unbedeutend", dass die SPD in der Frage der Parität aufmucke. Sein Problem seien die Versicherten, die vor der nächsten Wahl merkten, wie die Beiträge stiegen. Kordula Schulz-Asche (Grüne) warf dem Minister "Ideen- und Mutlosigkeit" vor. An konfliktträchtige Reformen sowie eine stabile und gerechte Finanzierung traue er sich nicht heran. So würden die Versicherten 2016 erneut zur Kasse gebeten.

Karl Lauterbach (SPD) räumte ein: "Wir haben Mehrausgaben, die bereits so hoch sind, dass wir von einer Beitragssatzerhöhung ausgehen müssen." Das Gesundheitssystem müsse daher wohl "langfristig wieder paritätisch finanziert" werden.

Georg Nüßlein (CSU) argumentierte dagegen, manche Kassen hätten den Zusatzbeitrag anfangs zu niedrig angesetzt, das seien somit hausgemachte Probleme. Die Beiträge in der GKV seien seit Jahren stabil, die Rücklagen hoch. Der Arbeitgeberbeitrag sei aus gutem Grund festgeschrieben worden. Nüßlein warnte vor "verunsichernden Debatten über die Anhebung von Lohnnebenkosten" und erklärte die "Beitragsdiskussion allgemeiner Art" einschließlich der Frage der paritätischen Finanzierung der Beiträge sicherheitshalber für beendet.

Laut Gröhe ist die GKV mit rund 24 Milliarden Euro an Reserven (Kassen 15,2 Milliarden Euro, Gesundheitsfonds 8,6 Milliarden) solide aufgestellt. Es sei richtig gewesen, den Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds vorübergehend abzusenken und damit den Haushalt zu entlasten und das Wachstum zu fördern. Nun werde der Zuschuss planmäßig wieder aufgestockt. Inzwischen steht jedoch der Bundeshaushalt wegen der Flüchtlingskrise erneut unter Druck. Ob und wie sich das auf den Gesundheitsetat auswirkt, ist noch offen.

Hilfe für Flüchtlinge Die Gesundheitsexperten der Opposition wie auch der SPD fordern derweil, die elektronische Gesundheitskarte auch an Asylbewerber auszugeben, damit diese ohne bürokratischen Aufwand zum Arzt gehen können. Schulz-Asche sagte, es sei wichtig, den erschöpften, verletzten oder traumatisierten Flüchtlingen medizinisch und therapeutisch zu helfen.

Die Gesundheitskarte für Asylsuchende hätte längst bundesweit eingeführt werden können, monierte sie und verlangte, umgehend eine solche gesetzliche Regelung vorzulegen. Lauterbach stellte für die SPD klar: "Wir setzen uns dafür ein, dass die Gesundheitskarte für Flüchtlinge zur Verfügung steht." Dies zumal, da die Kosten dafür vom Steuerzahler übernommen würden und nicht zulasten der Krankenkassen gingen. Gerade den vielen Flüchtlingskindern und traumatisierten Menschen dürfe eine solche Lösung nicht verweigert werden.

Die Union ist aber noch nicht überzeugt. Die neue gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Maria Michalk (CDU), erinnerte daran, dass die Länder Hamburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen schon jetzt auf freiwilliger Basis mit den Krankenkassen eine solche Vereinbarungen getroffen hätten. Andere Länder wollten das auch, dort sträubten sich die Kassen noch. Angesichts der neuen Probleme und ungeklärten Fragen sei es jedoch legitim, in der Koalition noch einmal darüber zu diskutieren. Nüßlein betonte, in der Union halte sich in dieser Frage eine "ausgeprägte Skepsis". Die Union befürchtet vor allem, dass mit der Gesundheitskarte bei Flüchtlingen falsche Anreize gesetzt werden. Nach Angaben Gröhes laufen derzeit auch noch Gespräche mit dem Ländern, um die Erstuntersuchungen bei Flüchtlingen zeitnah zu ermöglichen.