Piwik Webtracking Image

BAUEN : Mangelware Wohnung

Umweltministerin Hendricks (SPD) will den Ländern eine Milliarde Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellen. Längst überfällig, meint die Opposition

14.09.2015
2023-08-30T12:28:08.7200Z
4 Min

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) will im Zuge der Haushaltsberatungen ein deutlich stärkeres Engagement des Bundes beim sozialen Wohnungsbau erreichen. In der Debatte über den Etatentwurf für das Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) am vergangenen Freitag forderte sie "mindestens" eine Verdoppelung der Kompensationszahlungen des Bundes an die Länder auf eine Milliarde Euro jährlich. Bisher belaufen sie sich auf 518,2 Millionen Euro pro Jahr bis 2019. Die Länder sind seit der Föderalismusreform 2006 allein für den sozialen Wohnungsbau verantwortlich.

"Die steigende Nachfrage nach Wohnraum trifft in den Großstädten und Ballungsräumen auf Wohnungsmärkte, die bereits angespannt sind", begründete Hendricks ihren Vorstoß. Deutschland müsse sich auf einen Bedarf von 350.000 zusätzlichen Wohnungen jährlich einstellen, sagte sie auch mit Blick auf die 800.000 Flüchtlinge, die in diesem Jahr erwartet werden.

Die Ministerin stellte jedoch klar, dass der Staat nicht nur für Asylbewerber, sondern "für alle" bezahlbaren Wohnraum schaffen müsse. Beispielhaft verwies sie auf Maßnahmen ihres Ministeriums: So fördere das BMUB den Bau zusätzlicher Studentenwohnungen mit mehr als 120 Millionen Euro. Außerdem habe es ein Investitionsprogramm für altersgerechte Wohnungen in Höhe von 27 Millionen Euro aufgelegt. Einkommensschwache Haushalte würden ab dem 1. Januar 2016 durch ein deutlich höheres Wohngeld entlastet. Die Ausgaben dafür steigen im kommenden Jahr um 200 Millionen Euro auf 730 Millionen Euro. Marie-Luise Dött (CDU) begrüßte darüber hinaus den Beschluss des Koalitionsausschusses vom 7. September, demzufolge der Bund eine steuerliche Förderung für den Wohnungsneubau in Gebieten mit Wohnungsmangel prüfen und außerdem mehr bundeseigene Liegenschaften verbilligt für den sozialen Wohnungsbau bereitstellen soll. Anders als Hendricks machte sie jedoch deutlich, dass sie hierbei in erster Linie den Beitrag der Länder erwartet. "Der Bund gibt seit 2007 mehr Geld an die Länder für den sozialen Wohnungsbau als vor der Föderalismusreform. Aber gebaut wurden weniger Sozialwohnungen als vorher", konstatierte Dött und warnte: "Ohne gesetzlich fixierte Zweckbindung für die gesamten Kompensationsmittel werden die Enttäuschungen wachsen."

Viel zu wenig Heidrun Bluhm (Die Linke) hingegen unterstützte Hendricks' Forderung ausdrücklich. Da in Deutschland mindestens fünf Millionen Sozialwohnungen und zwei Millionen altersgerechte Wohnungen fehlen würden, seien höhere Bundesmittel dringend erforderlich, urteilte sie. Darüber hinaus ließ Bluhm aber kein gutes Haar an der Politik der Ministerin. Wenn die Bau- und Wohnungswirtschaft einen signifikanten Beitrag zum Klimaschutz leisten wolle, müsste die Quote für die energetische Gebäudesanierung "sofort auf mindestens zwei Prozent verdoppelt werden", forderte sie. Außerdem sprach sich Bluhm für eine Dynamisierung des Wohngeldes und die Einführung einer Klimakomponente aus. Ihr Resümee: "Dieser Haushaltsansatz bleibt vieles schuldig."

Peter Meiwald (Bündnis 90/Die Grünen) forderte die Bundesregierung erneut auf, ein Bundesbauprogramm aufzulegen. "Es hilft nicht, immer auf den Ländern herumzuhacken und ihnen zu sagen, was sie tun müssten", kritisierte er. Vielmehr müsse der Bund jetzt Verantwortung für den Wohnungsbau übernehmen.

Einig waren sich Redner von Koalition und Opposition in einem Punkt: Deutschland dürfe in seinem Engagement für den Klimaschutz angesichts des anstehenden Klimagipfels Ende des Jahres in Paris nicht nachlassen. In der französischen Hauptstadt will die Staatengemeinschaft ein neues und verbindliches Klimaabkommen beschließen, um die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen.

Der Etat des Umweltministeriums, der 2016 zunächst um 205 Millionen Euro auf 4,07 Milliarden Euro steigen soll, sieht vor diesem Hintergrund auch höhere Ausgaben für den Klimaschutz vor. 417,98 Millionen Euro sind dafür veranschlagt, 45,8 Millionen Euro mehr als 2015. Über ein besonders großes Plus von 75 Millionen Euro kann sich die internationale Klimaschutzinitiative freuen. Sie soll sich im kommenden Jahr mit einem Budget von 338,2 Millionen Euro dem Schutz des Klimas und der Biodiversität im Ausland widmen können. "Das ist vor Paris ein wichtiges Signal für die Übernahme globaler Verantwortung und Solidarität", urteilte Marie-Luise Dött. Hendricks sicherte überdies zu: "Insgesamt wird Deutschland seine Beiträge für die internationale Klimafinanzierung bis 2020 verdoppeln."

Peter Meiwald warf der Bundesregierung dennoch vor, beim Kampf gegen den Klimawandel kaum mehr als Lippenbekenntnisse abzuliefern. "Der Deal von Bundeskanzlerin und Wirtschaftsminister mit der Kohleindustrie" unterlaufe das deutsche Klimaengagement, kritisierte er und appellierte eindringlich an die Ministerin: "Die Zeit bis Paris ist knapp. Ziehen Sie der Kohleindustrie endlich den Stecker!" Darüber hinaus mahnte der Grünen-Abgeordnete zahlreiche umweltpolitische Maßnahmen an, unter anderem die Einführung eines Wertstoffgesetzes mit dynamisch steigenden Recyclingquoten und einer ökologisch gestaffelten Ressourcenabgabe auf Rohstoffe.

Heidrun Bluhm und Barbara Hendricks wiesen in ihren Reden auf den Zusammenhang zwischen Klimawandel und steigenden Flüchtlingszahlen hin. "Klimaschutzpolitik", resümierte die Ministerin, "beugt Konflikten um Land, Nahrung und Wasser vor. Sie ist in diesem Sinne Friedenspolitik."