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ENTWICKLUNG : Die große Herausforderung

Das Ressort erhält mit einem Plus von 880 Millionen Euro den größten Zuwachs seiner Geschichte

14.09.2015
2023-08-30T12:28:08.7200Z
3 Min

Es ist der größte Zuwachs in der Geschichte des Ressorts, doch rundum zufrieden geben wollen sich damit weder die Entwicklungspolitiker noch der Minister: Der Etat von Gerd Müller (CSU) soll im kommenden Jahr um 880 Millionen Euro auf über 7,4 Milliarden Euro steigen. "Wir brauchen eine Verstärkung der Entwicklungspolitik zur Lösung der Probleme", sagte Müller vergangene Woche in der ersten Lesung des Haushaltsentwurfs der Bundesregierung für 2016 (18/5500). "Die dramatischen Flüchtlingsströme, die uns fordern und erschüttern, haben nämlich Ursachen und Gründe."

Nicht nur Deutschland, sondern auch Europa und die Weltgemeinschaft seien viel stärker als bisher gefordert, ihrer Verantwortung für Entwicklung, Stabilität und Sicherheit nachzukommen. Müller erneuerte seine Forderung, einen europäischen Sonderkommissar für Flüchtlinge einzusetzen sowie ein EU-Nothilfeprogramm von zehn Milliarden Euro aufzulegen. Sein Ressort habe bislang eine Milliarde Euro eingesetzt und damit etwa 200 Projekte in der Region um Syrien unterstützt - mit dem Aufbau von Schulen, Unterkünften, Krankenhäusern und Trauma-Zentren. "Wir konzentrieren unsere Mittel", sagte der Minister und widersprach zugleich jenen Stimmen, die sagen würden, "der Müller könne doch jetzt alles in die Bekämpfung von Fluchtursachen investieren". Die Entwicklungspolitik könne ihre klassischen Aufgaben nicht vernachlässigen und müsse mittel- und langfristigen Ansätze - etwa in der Klimapolitik - weiterentwickeln. Der Minister markierte damit einen Dissens, der in der Debatte auch über Fraktionsgrenzen hinweg sichtbar wurde: Hier die Haushälter, die eine stärkere Konzentration der Mittel auf die Bekämpfung von Fluchtursachen forderten, dort die Entwicklungspolitiker, die betonten, dass ihr Politikfeld sich nicht auf die kurzfristige Krisenbewältigung reduzieren lasse.

Entwicklungszusammenarbeit sei kein "Reparaturdienst", der wieder aufbaue, was eine "verfehlte Politik" eingerissen hätte, sagte etwa Heike Hänsel (Die Linke). "Auf einen Dollar in der Entwicklungszusammenarbeit kommen zwei Dollar an legalen und illegalen Geldströmen, die wieder in den Norden zurückfließen. Wenn wir an diesen Strukturen nicht grundsätzlich etwas ändern, dann brauchen wir nicht vom Bekämpfen von Fluchtursachen zu sprechen", sagte Hänsel.

Uwe Kekeritz (Bündnis 90/Die Grünen) warnte vor der Verschlechterung der globalen Einkommensverteilung, der Zunahme zerfallender Staaten, dem Vormarsch autoritärer Systeme und der Bedrohung der Artenvielfalt auf der Welt: "Genauso entwickeln sich potentielle Fluchtursachen." Entwicklungspolitik könne hier nur gegensteuern, wenn sie eingebettet sei in eine Neuordnung des internationalen Finanzsystems und in grundlegende Änderungen der globalen Agrarwirtschaft und der Handelsstrukturen.

Gabriela Heinrich (SPD) warnte davor, Entwicklungszusammenarbeit nur auf die Bewältigung der Flüchtlingskrise abzustellen: "Der Anspruch ist und bleibt, Krisen zu vermeiden und die Lebensumstände von Menschen deutlich zu verbessern." Ihre Fraktionskollegin Bärbel Kofler zählte auf, was dazu gehöre, insbesondere um Konflikte und Kriege gar nicht erst ausbrechen zu lassen: Die Durchsetzung der ILO-Kernarbeitsnormen, der Aufbau von Gesundheitssystemen und sozialer Absicherung, Transparenz bei Rohstoffgeschäften, die Bekämpfung von Steuer- und Gewinnverlagerung im internationalen Maßstab. Wenn Staaten nur eine schwache institutionelle und finanzielle Basis hätten, "dann ist die Flucht vorprogrammiert", sagte Kofler.

Volkmar Klein (CDU) wollte indes nicht das "schiere Ausgaben von Geld bereits für das Erreichen des Erfolgs halten". Ein Verteilen nach dem "Gießkannenprinzip" reiche nicht aus. Der afrikanische Kontinent brauche wirtschaftliche Perspektiven, effizientere Steuersysteme, weniger korrupte Regierungen und auch eine "klare Konditionalität" der Hilfen: "Wir geben Hilfe, aber wir erwarten eine bessere Regierungsführung. Das müssen wir wahrscheinlich ein bisschen robuster angehen, als wir bisher bereit gewesen sind."