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VolksWagen-Skandal : Drama um den Diesel

Opposition wirft in einer Aktuellen Stunde Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Untätigkeit vor. Koalitionsabgeordnete fordern rasche Aufklärung

28.09.2015
2023-08-30T12:28:09.7200Z
4 Min

Markiert der Abgas-Skandal gleich komplett das Aus für Diesel-Pkw? Warten auf die Käufer Rückrufaktionen? Wer kommt für den Schaden auf? Wann erfolgen Tests wie im wirklichen Auto-Leben? VW jedenfalls zog am vergangenen Freitag die Konsequenzen aus der Affäre um manipulierte Diesel-Abgaswerte: Der zurückgetretene Konzernchef Martin Winterkorn wurde durch Beschluss des Aufsichtsrats durch den bisherigen Porsche-Chef Matthias Müller abgelöst.

Nah auf die Interessen der Verbraucher war der Fokus gerichtet, als sich der Bundestag vergangene Woche in einer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragten Aktuellen Stunde mit dem Volkswagen-Orkan beschäftigte. Die Koalition blickte dabei besorgt auf die Automobilindustrie und ihre Beschäftigten. Die Opposition attackierte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Er habe "Zweifel", dass der Minister zu den nötigen Konsequenzen "in der Lage" sei, meinte der Vizefraktionschef der Grünen, Oliver Krischer. "Das geht nicht mit diesem Verkehrsminister", befand Sabine Leidig (Die Linke).

Dobrindt griff seinerseits Krischer an. Der habe in den letzten Tagen mehrfach zum Ausdruck gebracht, die Regierung habe das Vorgehen in der Automobilindustrie geradezu hingenommen. Solche "Verdächtigungen" seien "falsch". Sie zu äußern, sei "unanständig". Er Minister nannte die VW-Manipulationen "unzulässig und illegal". Sie erschütterten "auch das Vertrauen der Verbraucher zutiefst". Er habe "lückenlose Aufklärung und vollständige Transparenz" eingefordert. Die von ihm eingesetzte Untersuchungskommission habe ihre Arbeit schon in Wolfsburg aufgenommen. Die Dimension ist enorm, wie Dobrindt es beschrieb: 2,8 Millionen VW-Fahrzeuge seien allein in Deutschland vom VW-Skandal betroffen Es handle sich nicht nur um 1,6- und 2,0-Liter-Dieselmotoren, sondern auch um 1,2-Liter-Motoren. Nicht nur Pkw, sondern auch leichte Nutzfahrzeuge seien betroffen. Dobrindt verwies auf die EU. Tests zum Spritverbrauch und Abgasausstoß, die "nicht nur auf der Rolle", sondern auch "auf der Straße" erfolgten, sollen eingeführt werden. Das Kraftfahrtbundesamt werde auf einer verbindlichen Aussage von VW bestehen, in welchem Zeitraum die technischen Manipulationen zu beheben seien. Dies dürfe nicht zu Lasten der Kunden geschehen.

Standards einhalten Krischer geißelte "Tricks, Täuschungen und Betrügereien" womöglich nicht nur durch VW, sondern auch andere Unternehmen. Der Industrie müsse klar werden, nur wer die Standards zum Klimaschutz "einhält, der hat eine Zukunft". Jeder, der sich etwa einen VW-Passat gekauft habe, habe es doch gemerkt: Vier Liter auf 100 Kilometer seien versprochen worden, getankt werden müssten 5,5 bis 6 Liter. Er fürchte, dass nun "das Ende des Traums vom Diesel als sauberer Antriebsenergie" gekommen sei. Die "Subvention von Diesel an der Tankstelle" stellte er infrage. Er wünschte sich eine "Mentalitätswende" zur Einhaltung von Klima-Standards. Gerade neuere Fahrzeuge würden die Grenzwerte "um ein Vielfaches überschreiten". Dass VW-Manager mit "clean Diesel" Werbung machten, sei "skrupellos oder inkompetent". Auf jeden Fall müsse "mit dem Betrug am Verbraucher Schluss sein".

Gegen Untersuchungskommission Sabine Leidig geht davon aus, dass auch andere Autokonzerne das Gleiche wie VW gemacht haben. In den Chefetagen der der Unternehmen sei "gewerbsmäßiger Betrug" organisiert worden. Rücktritte reichten nicht. Betroffene müssten "strafrechtlich verfolgt" werden. Die vom Ministerium eingesetzte Untersuchungskommission lehnte sie ab. Nötig sei ein Gremium, das von Umwelt- und Verbraucherverbänden besetzt werde. Bisher hätten die Verantwortlichen die "Machenschaften" der Industrie "als Helfershelfer durchgehen lassen". Auf den Abschluss der EU-Aktivitäten dürfe nicht gewartet werden: "Man kann sofort etwas tun." Für Leidig haben die Abweichungen zwischen den Tests und den realen Werten "System". Seit Jahren würden unabhängige Kontrollen gefordert.

Andere Akzente setzte die Koalition. Die deutsche Automobilindustrie sei weltweit zum "Innovationsmotor für Sicherheitstechnik" geworden, sagte Kirsten Lühmann (SPD): "750.000 Menschen bauen zuverlässige und sichere Fahrzeuge." Nach ihrem Kenntnisstand hätte ein Filter gereicht, um die Test-Manipulationen von VW überflüssig zu machen. Es sei "aus Gründen der Gewinnmaximierung betrogen" worden: "Das ist skandalös." Die Kunden brauchten nun rasch Klarheit über mögliche Rückrufaktionen. Über die Untersuchungen solle es deshalb schon im nächsten Monat einen Zwischenbericht geben.

Thomas Viesehon (CDU) lenkte den Blick auf das VW-Getriebewerk in Baunatal mit 16.000 Beschäftigten: "Die Betroffenheit in meiner Heimat ist riesengroß." Er meinte, er wolle das VW-Vorgehen "in keinster Weise entschuldigen oder bagatellisieren". Dessen ungeachtet sei "der Fortschritt in der Diesel-Technologie gewaltig". Durch die Herabsetzung von Grenzwerten könne eine Technologie "ganz vom Markt verdrängt" werden. "Wollen Sie das?" Wenn Diesel nicht weiter genutzt werde, habe das "nicht einmal einen weiteren Klimanutzen"

Antrag Stephan Kühn (Grüne) verwies auf einen Antrag (18/6070) seiner Fraktion, den der Deutsche Bundestag zur Beratung an die Ausschüsse überwiesen hatte. Sein Anliegen: Zum Schutz der Verbraucher sollen "unzutreffende Angaben beim Spritverbrauch und Schadstoffausstoß" beendet werden. Dazu soll die Bundesregierung das Kraftfahrtbundesamt beauftragen, stichprobenartige Nachtests für Abgase und CO2-Emissionen regelmäßig durchzuführen. Weiter soll sich die Regierung gegenüber den anderen EU-Mitgliedsstaaten und der Brüsseler Kommission dafür einsetzen, den "realistischeren" weltweiten Verbrauchszyklus "Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure" 2017 einzuführen.