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hochschulen : Fatale Folgen

Die Regierung will befristete Arbeitsverträge eindämmen. Die Opposition ist skeptisch, ob das gelingt

09.11.2015
2023-08-30T12:28:11.7200Z
4 Min

Befristung ist die Normalität. Verträge mit weniger als zwölf Monaten Laufzeit sind absolut gängig. Eine verlässliche Lebens- und Familienplanung nahezu unmöglich. Die Situation junger Wissenschaftler an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist alles andere als komfortabel. Mitverantwortlich dafür ist das im Jahr 2007 von Union und SPD verabschiedete Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das für die Wissenschaft eine Art Sonderarbeitsrecht schaffte. Mit oben angeführten Folgen, die seit einer Evaluation des Gesetzes, die 2011 vorgelegt wurde, bekannt sind.

Nun soll Abhilfe geschaffen werden - zumindest was das Entlanghangeln an Monatsverträgen betrifft. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollen die Befristungen künftig der angestrebten Qualifizierung entsprechen. Für Doktoranden beispielsweise solange, wie eine Promotion gemeinhin dauert. Mindestvertragslaufzeiten nennt der Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/6489) allerdings nicht.

Und das ist auch so gewollt, wie Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) vergangenen Donnerstag während der ersten Lesung zu dem Entwurf sagte. Man habe sich bewusst gegen starre Mindestvertragszeiten für den ersten Vertrag, wie es etwa der Bundesrat angeregt hatte, und stattdessen für eine Bindung der Vertragslaufzeiten an die angestrebte Qualifikation entschieden, sagte die Ministerin. Mindestvertragszeiten gäben schließlich "überhaupt keine Sicherheit, ob es danach nicht genau wieder diese Kurzzeitverträge gibt, die wir mit unserem Vorschlag unterbinden". Wanka sprach sich zugleich für die Schaffung von mehr unbefristeten Stellen im Wissenschaftsbereich aus und nahm die Länder in die Pflicht, die Dank der Übernahme der Bafög-Kosten durch den Bund jährlich 1,2 Milliarden Euro dafür zur Verfügung hätten. Eine völlige Abkehr von Befristungen ist mit ihr jedoch nicht zu machen. "Wir brauchen befristete Stellen und daher ist das Arbeitsrecht im Wissenschaftssystem anders als das normale Arbeitsrecht", sagte Wanka

Das sah Nicole Gohlke (Die Linke) anders. Ziel müsse es sei, dass die sozialversicherungspflichtige Dauerstelle zum Normalfall wird, sagte sie. "Die Linke ist gegen jede Art von sachgrundloser Befristung", fügte sie hinzu. Gohlke kritisierte auch die späte Reaktion der Bundesregierung auf den Befristungsmissbrauch. Schon 2011 habe ein Evaluationsbericht vorgelegen, der die Probleme aufgezeichnet habe. Den vorgelegten Gesetzentwurf bezeichnete sie als "unverbindlichen und nicht geeignet, die Situation zu verbessern". Statt die ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse zu beenden, habe die Regierung im Interesse der Arbeitgeber gehandelt, kritisierte die Linken-Abgeordnete. Positiv bewertete sie, dass künftig das nicht-wissenschaftliche Personal, das zu 92 Prozent befristet beschäftigt sei, aus dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz herausgenommen werden soll.

Besser spät als nie, entgegen Hubertus Heil (SPD) auf die Kritik seiner Vorrednerin. Die jetzige Situation mit 90 Prozent befristeten Stellen und einer viel zu späten Berufung zur Professur sei auch ein "Fluch der guten Tat", befand er. Es sei in den vergangenen Jahren viel getan worden zur Expansion des Wissenschaftssystems. Dabei sei aber ein "Flaschenhals im Bereich des wissenschaftlichen Nachwuchses" entstanden, Dieser Flaschenhals sei zum einen ein Problem für die jungen Leute und deren Lebensplanung. Er sei aber auch ein ökonomisches Problem, wenn gut ausgebildete junge Leute sich an den Hochschulen nicht vernünftig entfalten könnten. Der "mit Augenmaß" erstellte Gesetzentwurf, so Heil weiter, sei ein notwendiger aber nicht hinreichender Schritt zur Verbesserung der Situation für junge Wissenschaftler. Er beende den Missbrauch der Befristungsmöglichkeiten schaffe aber keine neuen Stellen, sagte der SPD-Abgeordnete. Dafür brauche es einen Pakt für wissenschaftlichen Nachwuchs zwischen Bund und Ländern. Die Koalition, so Heil, habe die Initiative für Gespräche in diese Richtung ergriffen.

Schmalspurnovelle Als eine Schmalspurnovelle, die wachsweich sei und nicht wirken werde, bezeichnete Kai Gehring (Grüne) die Regierungsvorlage. "Hier muss deutlich nachgebessert werden", forderte er. Noch schwieriger sehe es beim Nachwuchsprogramm für zusätzliche Stellen aus, dass in der Warteschleife hänge. "Wenn es so weitergeht, verhagelt die Bundesregierung die Perspektiven für einen Traumjob in der Wissenschaft", sagte er. Das dürfe der Bundestag nicht zulassen. Mit Blick auf den Gesetzentwurf warnte Gehring davor, das nicht-wissenschaftliche Personal aus dem Geltungsbereich des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes herauszunehmen. Dies könne zu Problemen führen, so der Grünen-Abgeordnete. Die sicherlich gut gemeinte Option der Dauerbeschäftigung sei vielfach nur eine scheinbare. Wenn nämlich die Hochschulen nicht unbegrenzt ins Risiko gehen können, "drohen Kündigungen statt Dauerstellen".

Länderverantwortung Das nicht-wissenschaftliche Personal aus der Regelung herauszunehmen sei richtig, befand hingegen Alexandra Dinges-Dierig (CDU). Ohnehin sei das Wissenschaftszeitvertragsgesetz für diese Gruppe nicht gedacht gewesen. Mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz würden genügend Möglichkeiten geschaffen, um befristet einzustellen. Was die extrem kurzen Vertragszeiten für junge Wissenschaftler angeht, so stört das ihrer Ansicht nach gestandene Professoren ebenso wie den wissenschaftlichen Nachwuchs. Grundsätzlich seien Befristungen im Wissenschaftsbereich aber nötig, "um Stillstand zu verhindern". Die in dem Gesetzentwurf enthaltenen Änderungen nannte die Unionsabgeordnete wichtig. "Aber wir werden so den großen Wurf nicht hinbekommen", schränkte sie ein. Dauerhaft mehr Stellen im Hochschul- und Wissenschaftsbereich zu schaffen sei "nach wie vor Ländersache". Daran würde von Seiten der Union nicht gerüttelt.

Ob nun an der Regierungsvorlage noch gerüttelt wird, werden die anstehenden Ausschussberatungen zeigen. Schon am diesem Mittwoch findet eine Expertenanhörung statt.