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INNERES : Zwei Baustellen, zwei Pakete

Der Flüchtlingszuzug und die Terrorbekämpfung bestimmen den Etat 2016 von Ressortchef de Maizière

30.11.2015
2023-08-30T12:28:13.7200Z
5 Min

Ein Etat, zwei Pakete: Mit dem Haushalt 2016 des Bundesinnenministeriums gebe es ein "Sicherheitspaket" und ein "Asylpaket", konstatierte Ressortchef Thomas de Maizière (CDU) vergangene Woche in der Schlussdebatte des Bundestages über das Zahlenwerk. Es spiegelt auch die beiden Themen wider, die die Innenpolitik dieser Tage beherrschen: der anhaltende Flüchtlingszuzug und die innere Sicherheit. Knapp 4.000 Stellen zusätzlich - "nicht nur für den Kampf gegen den Terrorismus" - bekommen die Sicherheitsbehörden, wie de Maizière vorrechnete: "Mit dem beschlossenen Sicherheitspaket schaffen wir eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sicherer leben können", sagte er. Und im Rahmen des Asylpakets gebe es 900 Millionen Euro mehr; 4.000 zusätzliche Mitarbeiter könne nun auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einstellen. "Hier wird geklotzt und nicht gekleckert", kommentierte der SPD-Parlamentarier Lars Castellucci zufrieden das Ergebnis der Haushaltsberatungen.

De Maizières Etat umfasst im kommenden Jahr in der vom Bundestag beschlossenen Ausschussfassung (18/6106, 18/6124, 18/6125, 18/6126) Ausgaben in Höhe von 7,8 Milliarden Euro und damit 1,49 Milliarden Euro mehr als im laufenden Jahr. Im Regierungsentwurf für den Haushalt 2016 (18/5500, 18/5502) war das Ausgabenvolumen im Einzelplan 06 des Bundesinnenministeriums noch mit 6,78 Milliarden Euro und damit 517 Millionen Euro mehr als in diesem Jahr veranschlagt worden.

»Keine Garantie« Dass sein Haushalt in einem Jahr um 1,5 Milliarden Euro oder rund ein Viertel wächst, "hat es noch nie gegeben", betonte der Minister. Dies sei ein "starkes Bekenntnis" für die Sicherheit der Bürger, für die Integration und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Lande. Er bekräftigte zugleich, dass es "keine Garantie gegen Terroranschläge" gebe, die Bundesrepublik aber "wachsam und wehrhaft" sei. "Unsere Sicherheitsbehörden im Bund und in den Ländern sind auf die terroristische Bedrohung eingestellt", versicherte er.

Zugleich mahnte der Ressortchef mit Blick auf die jüngsten Anschläge in Frankreich, niemand möge "vorschnell einen Bogen von den Ereignissen in Paris zur Flüchtlingsdebatte" schlagen. Deutschland nehme "sehr viele Flüchtlinge auf, die selbst vor der brutalen Gewalt des sogenannten Islamischen Staates geflohen sind". Dabei gebe es bisher "keinen Nachweis für ein systematisches Einschleusen von IS-Kämpfern, getarnt als Flüchtlinge".

Der CDU-Politiker bekräftigte zudem seine Forderung, dass Europa "großzügige, abschließende Flüchtlingskontingente aufnehmen" und fair verteilen solle. Ein solches Kontingent solle dann "die Zahl der Flüchtlinge, die in Europa aufgenommen werden, zugleich begrenzen".

Für Die Linke wandte sich Roland Claus gegen Forderungen nach einer "Obergrenze". Dies würde bedeuten, "dass ein Flüchtling mit einer bestimmten Registrierungsnummer - nehmen wir mal 600.000 - akzeptiert wäre und ein Flüchtling mit der Registrierungsnummer 600.001 nicht", argumentierte Claus. Dergleichen wäre "einfach absurd".

Mit Blick auf die Sicherheitspolitik forderte er, man müsse "aus den Fehlern lernen", die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA begangen worden seien, nämlich "Krieg als Mittel der Außenpolitik und Freiheitsbeschränkungen als Mittel der Innenpolitik zu etablieren". Mit beidem müsse Schluss sein. Wer für die Beschränkung von Freiheitsrechten eintrete, bringe die Terroristen näher an ihr Ziel, als diese "das alleine schaffen würden". Auch brauche die Polizei "keine Hilfspolizisten im olivgrünen Dress der Bundeswehr, sondern mehr Personal".

Anja Hajduk (Grüne) verwies darauf, dass auch die Opposition der Stärkung der Sicherheitsbehörden zugestimmt habe. So finde ihre Fraktion etwa die Aufstockung der Bundespolizei um 3.000 Stellen in den kommenden drei Jahren richtig. Dagegen sei eine Diskussion über eine Ausweitung der Befugnisse der Bundeswehr im Inneren nicht die richtige Lösung.

Die Grünen-Abgeordnete Hajduk warnte zugleich vor einem "Engpass" bei den Integrationskursen. Von der Koalition sei selbst gesagt worden, hierfür 570 Millionen Euro zusätzlich zu benötigen, aber nur 250 Millionen zusätzlich in den Etat einzustellen. Dabei lege diese Zahl auch "die Grundlage dafür, dass wir den Bedarf richtig erkennen", sagte Hajduk. Wenn man anfange, diesen "ein bisschen klein zu rechnen", könne man bei einem ähnlichen Engpass landen, wie man ihn schon einmal beim BAMF gehabt habe. Dies könne man sich bei der Integration nicht leisten.

Martin Gerster (SPD) entgegnete, dass die Mittel für Integrationskurse um 250 Millionen Euro auf mehr als eine halbe Milliarde Euro angehoben würden. Davon profitierten auch die Anbieter und Träger der Kurse. Ausgaben für Integration seien "vor allem Investitionen in die Zukunft". Je schneller man Zugewanderte in den Arbeitsmarkt bringe, desto besser sei es für alle. Wenn Deutschland es richtig mache, könne es langfristig aus dieser Entwicklung gestärkt hervorgehen als ein Land, das eine Kultur der Weltoffenheit lebe und für "starke und freundschaftliche Bande zwischen Kulturen und Religionen" stehe. Dazu gehöre auch, alles zu tun, "um die feigen Täter von Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte" zu ermitteln und konsequent zur Rechenschaft zu ziehen, mahnte der SPD-Abgeordnete. Von solchen Angriffen habe man allein in diesem Jahr schon mehr als 600 zählen müssen.

Frank Tempel (Linke) warnte unter Verweis auf Angriffe auf Flüchtlinge, der Rechtsextremismus in Deutschland nehme immer gefährlichere Formen an. Wie Gerster und Hajduk wandte sich auch Tempel entschieden gegen eine falsche Verknüpfung der Anschläge von Paris mit dem Flüchtlingszuzug. Terroristen "kommen nicht mit den Flüchtlingen ins Land - diese fliehen gerade vor dem Terror", sagte er. Eine ernstzunehmende Gefahr bestehe aber "durch Menschen, die sich hier bei uns radikalisieren", fügte Tempel hinzu. Bis heute habe man jedoch zu wenig in zivile Strukturen investiert, "um einer solchen Radikalisierung frühzeitig entgegenzuwirken".

»Außengrenze sichern « Stephan Mayer (CSU) nannte es "vollkommen zynisch, verwerflich und menschenverachtend, wenn man Flüchtlinge unter Generalverdacht stellt". Die Flüchtlinge "sind nicht Täter, sie sind Opfer", sagte er. Wenn sich aber bewahrheiten sollte, dass "zwei der Attentäter von Paris zumindest als Flüchtlinge getarnt über Griechenland nach Europa eingereist sind", zeige dies, dass die Flüchtlingskrise offenbar vom "Islamischen Staat" instrumentalisiert werde, um vereinzelt auch Kämpfer hierher zu bringen. Daher müsse man die Außengrenze der EU noch besser sichern. Es dürfe "nicht weiter zugestanden werden, dass unkontrolliert und unregistriert Personen nach Europa einreisen", betonte der CSU-Abgeordnete.