Piwik Webtracking Image

Ernährung : Ohne Regeln

Abgeordnete aller Fraktionen sind sich über gesundes Essen einig. Über Details wird noch gestritten

19.01.2015
2023-11-08T12:33:07.3600Z
4 Min

Zum 80. Mal findet in diesem Jahr die Internationale Grüne Woche statt. Dem alljährlichen Stelldichein der Ernährung- und Landwirtschaft in Berlin ging am vergangenen Donnerstag eine Bundestagsdebatte zum Thema Ernährung voraus. Tenor des Ganzen: Gesundes Essen ist wichtig. Ganz besonders für Kinder und Jugendliche. Das sah Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) so – aber auch die Redner von Koalition und Opposition.

An dem von Union und SPD dazu vorgelegten Antrag (18/3726) gab es dennoch Kritik. Es würden darin Forderungen nach verbindlichen Regelungen fehlen, hieß es von Seiten der Opposition. „Schaufensteranträge reichen nicht aus“, bemängelte Karin Binder (Die Linke). Katharina Landgraf (CDU) erwiderte, die Brechstange sei für das Thema Ernährung nicht geeignet. Und auch Minister Schmidt machte deutlich, dass man den Menschen nicht vorschreiben könne, was sie essen sollten.

Schulverpflegung wichtig  „Wir dürfen den Teller nicht mit Regelungen vollpacken“, sagte Schmidt. Es sei aber sehr wohl nötig, die Verbraucher zu informieren. „Wir müssen diese Informationen abgreifbar und verständlich halten“. Besonders hinschauen müsse man bei der Verpflegung von Kindern. Der Minister kündigte an, am Vernetzungswerk Schulverpflegung zu arbeiten und es finanziell zu unterstützen. „Dort wird die Entscheidung gelegt, wie sich die jungen Menschen auch später ernähren.“ Mit Blick auf die Praxis bei der Tierhaltung sagte Schmidt, es gebe dort sicherlich noch Verbesserungsbedarf. Es sei aber nicht so, dass die Tiere heute schlechter behandelt würden als früher, sagte der Minister. Er forderte mehr Respekt für Landwirte, die nicht immer gleich auf die Anklagebank gesetzt werden dürften.

Mehr Verbindlichkeit statt Sonntagsreden forderte Karin Binder. Es fehle an Information und Transparenz, sagte die Abgeordnete der Linksfraktion, die auch Kritik an der Deutschen Lebensmittel-Kommission übte. Diese definiere unter anderen, wieviel Leber in der Leberwurst und wieviel Geflügel in der Geflügelwurst sein muss. In beiden Fällen seien die namensgebenden Anteile eher gering. Dies zeige: Statt den Interessen der Verbraucher zu dienen, habe sich in den meisten Fällen die Lebensmittelindustrie in der Kommission durchgesetzt. Binder sprach sich zugleich für eine gut erkennbare Ampelkennzeichnung bei Lebensmitteln aus. Mit Blick auf die Ernährung von Kindern forderte sie ein Ende der Verführung im Kassenbereich. „Wir wollen, dass die Kassenbereiche in den Supermärkten süßwarenfrei sind“, betonte sie und verwies auf den von ihrer Fraktion vorgelegten Antrag (18/3730).

Für sichere Lebensmittel  „Wir wollen und können den Menschen nicht einen bestimmten Lebensstil vorgeben“, sagte Ute Vogt (SPD). Gleichwohl trage die Politik die Verantwortung dafür, dass Lebensmittel sicher sind. „Und zwar unabhängig davon, wo die Lebensmittel gekauft werden“, fügte sie hinzu. Es sei ein soziales Grundrecht, dass Lebensmittel gesund und bezahlbar sind. Vogt räumte ein, dass es immer wieder Missstände gebe. Erst vor wenigen Tagen sei wieder von zu vielen Antibiotika in Putenfleisch zu lesen gewesen. Außerdem habe eine Studie des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland festgestellt, dass gerade billiges Fleisch besonders häufig mit antibiotikaresistenten Keimen belastet sei. „Wir sind in der Verantwortung, Fehler die im System liegen aufzuheben“, sagte Ute Vogt. Dazu gehörten auch die Arbeitsbedingungen in der Branche und die Frage der Tierhaltung.

Schulessen  Eine der Voraussetzung, um zu Verbesserungen beim Schulessen zu kommen, sei die Aufhebung des von Union und SPD 2006 beschlossenen Kooperationsverbotes, sagte Nicole Maisch (Bündnis 90/Die Grünen). „Weg mit dem Kooperationsverbot. Dann können Sie auch beim Schulessen aktiver werden“, forderte sie. Interessant sei im übrigen, wovon in dem „gar nicht so schlechten Antrag der Koalition“ nicht gesprochen werde. Dort finde sich – anders als im Antrag der Grünen (18/3733) – kein Wort zu den Arbeitsbedingungen in der Fleischbranche oder den untragbaren Zuständen in deutschen Schlachthöfen. Die Grünen-Abgeordnete ging auch auf die Forderung des Landwirtschaftsministers ein, die Landwirte nicht an den Pranger zu stellen. Bei Demonstrationen wie jener am Rande der Grünen Woche in Berlin unter dem Motto „Wir haben es satt!“ gehe es nicht gegen die Bauern. „Es geht gegen ihre falsche Agrarpolitik“, machte Maisch deutlich. Politik und Staat können nicht die Verantwortung für den Einzelnen übernehmen, sagte die CDU-Abgeordnete Katharina Landgraf. „Der zentrale Ort für die Entwicklung der Ernährungskompetenz ist in aller Regel die Familie“, betonte sie. Politik und Staat könnten hier jedoch durch vielfältige Angebote unterstützend wirken. So sei auch die Ernährungsbildung in den Schulen wichtig.. Und dennoch: „Aus dem gesellschaftlichen Dilemma der schlechten Ernährung kommen wir nicht mit Brechstange und Paragrafen heraus“, sagte sie. Es brauche vielmehr zündende Ideen, die jeden dazu inspirieren würden, „mit ganzem Herzen bei dem Thema dabei sein zu wollen“.