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WirtschafT I : Im Schiedsstreit

Widerstand gegen Klagen von Konzernen

19.01.2015
2023-11-08T12:33:07.3600Z
3 Min

Der Atomausstieg ist beschlossen, aber die Folgen sind bis nach Washington zu spüren: Dort sitzt ein internationales Schiedsgericht, das sich mit der Klage des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall gegen die Abschaltung seiner deutschen Atombeteiligungen ohne Entschädigung beschäftigt. Es ist ein typisches Investor-Staat-Schiedsverfahren, wie es auch in den geplanten europäischen Freihandelsabkommen TTIP und CETA mit den USA beziehungsweise Kanada enthalten ist. Das Vattenfall-Verfahren ist Wasser auf die Mühlen der Opposition, die die Bundesregierung mit Nachdruck aufriefen, auf diese Sondergerichte zu verzichten. Katharina Dröge (Grüne) sagte, das Ergebnis einer EU-weiten Bürgerbefragung spreche eine eindeutige Sprache: „Über 97 Prozent der Befragten sagen Nein zu den Schiedsgerichten in TTIP.“ Es sei Aufgabe der Politik, nun eine „ebenso eindeutige Antwort“ zu geben.

»Empörungsindustrie«  Massiv verteidigt wurden die Freihandelsabkommen und Schiedsgerichte dagegen von Joachim Pfeiffer (CDU). Das Ergebnis des Konsultationsverfahrens beurteilte er anders. Von 500 Millionen EU-Bürgern hätten 150.000 teilgenommen. Davon seien 145.000 vorgedruckte Postkarten oder Standard-Mails „von den einschlägigen Institutionen der Empörungsindustrie an die EU geschickt worden“. Die fachlichen Eingaben würden natürlich geprüft, die Aktionen der „Empörungsindustrie“ seien aber keine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema. Es gehe darum, wer im 21. Jahrhundert die Standards im internationalen Handel setzen werde, sagte Pfeiffer zu den Handelsabkommen. Es sei möglicherweise die letzte Chance, technische und Verbraucherschutzstandards zusammen mit den USA festzulegen. Wenn es gar keine Regelungen gebe, „werden dieses Vakuum auf der Welt andere entsprechend ausfüllen“. Pfeiffer erinnerte daran, dass die USA parallel bereits mit 13 asiatischen Ländern über Freihandel verhandeln würden. Er verteidigte auch die Investor-Staat-Schiedsverfahren, von denen Deutschland 130 mit den verschiedensten Ländern abgeschlossen habe. Mehr als die Hälfte aller Schiedsverfahren komme aus der EU gegen andere Staaten, nur 22 Prozent aus den USA. Selbst innerhalb der EU sei es zu Schiedsverfahren gekommen, „die es ja nach Ihrer Einschätzung gar nicht geben dürfte“, sagte Pfeiffer. Als Beispiel nannte er die Klage gegen Spanien vor einem internationalen Schiedsgericht in Washington unter anderem durch deutsche Öko-Energie-Unternehmen, nachdem Spanien die Förderung der erneuerbaren Energien rückwirkend verändert habe.

Das ließ Klaus Ernst (Die Linke) nicht gelten. Er erinnerte an die Schiedsgerichtsklage von Vattenfall wegen des deutschen Atomausstiegs. „Können Sie mir sagen, welches Interesse der deutsche Bürger an so einem Verfahren haben soll?“, fragte Ernst. Bürger und Verbände hätten kein Klagerecht, selbst die Bundesrepublik nicht. Warum ein Staat dann Interesse an diesen Schiedsgerichten haben sollte, „entzieht sich meiner Logik.“ Pfeiffer betreibe Angstmacherei. Die Frage deutscher Exporte hänge nicht an Regelungen zwischen China und Amerika. Innovation und gut ausgebildete Arbeitnehmer und neue Technologie würden Exporterfolge sichern, „aber nicht das Aufgeben des Rechtsstaats mit solchen Handelsabkommen“.

Klaus Barthel (SPD) erinnerte daran, dass die SPD keine Schiedsgerichte wolle. Man wolle noch Bewegung in die Verhandlungen über beide Abkommen hineinbringen. Es nütze niemandem, die Leute mit unwahren Behauptungen „auf die Palme zu treiben“, sagte Barthel mit Blick auf die Opposition. Damit werde Politikferne unterstützt. „Es ist klar, dass das Bundeswirtschaftsministerium, die SPD und im Übrigen schon die alte Bundesregierung der Auffassung waren, dass wir keine Schiedsgerichtsverfahren und keinen Investorenschutz brauchen.“

An die Ausschüsse  In einem an die Ausschüsse überwiesenen Antrag (18/3747) fordern die Grünen die Bundesregierung auf, sich unverzüglich dafür einsetzen, dass die Ergebnisse des europäischen Konsultationsverfahrens zum Investor-Staat-Schiedsverfahren berücksichtigt werden. Die große Bandbreite unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen, die an der Konsultation teilgenommen hätten, sowie die hohe Zahl von Einzelteilnehmern unterstreiche die Bedeutung dieses „sehr eindeutigen Ergebnisses des Konsultationsverfahrens“. Die Fraktion fordert: „Aus diesem Grund ist es notwendig, dass die Bewertung des Investitionsschutzkapitels in TTIP durch die politischen Institutionen nicht bis zum Ende der TTIP-Verhandlungen vertagt wird, sondern zeitnah und klar politische Schlussfolgerungen aus dem Ergebnis gezogen werden.“

Die Linksfraktion wendet sich in ihrem ebenfalls an die Ausschüsse überwiesenen Antrag (18/3729) einem Detail zu: So soll ein für das Ministerium für Wirtschaft und Energie erstelltes Gutachten zu CETA auf keinen Fall Entscheidungsgrundlage der Regierung sein. Der Gutachter sei Mitglied eines internationalen Schiedsgerichts und zu dem „ wenig überraschenden Ergebnis“ gekommen, dass „CETA Investoren aus Kanada im Vergleich zu deutschen Investoren materiell-rechtlich nicht besser stellt“.