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DASEINSVORSORGE : Grundversorgung aus dem Rathaus

Das Grundgesetz fasst das Recht zur kommunalen Selbstverwaltung sehr weit. Gemeinden sind die erste Adresse bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben auf ihrem…

07.03.2016
2023-08-30T12:29:57.7200Z
4 Min

Der Begriff "Allzuständigkeit" ist nicht aus der Luft gegriffen: Kommunen sind ganz im Sinne der Subsidiarität für die meisten öffentlichen Angelegenheiten auf ihrem Gebiet verantwortlich. Sie sorgen für Wasser und Energie, sie beseitigen Abwässer und Müll, sie pflegen Straßen und Parks und kümmern sich um die Laternen, sie bauen Kindergärten und Krankenhäuser, unterhalten Bibliotheken, Sportanlagen und Museen, selbst Schwimmbäder und hier und dort sogar Orchester und Theater. Kommunen erschließen neues Bauland, halten den Öffentlichen Personennahverkehr aufrecht, sie siedeln Betriebe an, die wiederum den Bewohnern Arbeitsplätze anbieten können.

Dritte Ebene Kommunen sind im föderalen System der Bundesrepublik nach Bund und Ländern die dritte Ebene der Verwaltung. Staatsrechtlich gesehen sind sie allerdings keine eigenständige Subjekte, sie gehören zur Ebene der Länder. Bundestag, Bundesrat und die Länderparlamente verabschieden Gesetze, die die Gemeinden binden, ohne dass diese im Gesetzgebungsverfahren wirklich mitreden könnten.

Den Kommunen kommt eine Doppelfunktion zu: Zum einen übernehmen sie unter der Weisung und Aufsicht der Länder Aufgaben bei der Umsetzung von Bundes- und Landesgesetzen, das heißt, sie erledigen Verwaltungsaufgaben vor Ort im Auftrag der Länder oder des Bundes. Dabei haben sie selbst keinen politischen Gestaltungsspielraum, sie führen lediglich aus: Beispiele dafür sind etwa die Bauaufsicht, das Meldewesen und die Gefahrenabwehr., aber auch die Übernahme bestimmter Kosten beim Arbeitslosengeld II ("Hartz 4"). Zum anderen übernehmen Gemeinden eine ganze Reihe von Aufgaben komplett in Eigenregie. Diese kommunale Selbstverwaltung lässt sich wiederum in zwei Aufgabengruppen unterteilen: Zur ersten Gruppe gehören jene Aufgaben, bei der die Kommune selbst entscheidet, ob und wie sie diese übernehmen will - das reicht etwa von der Einrichtung und dem Unterhalt von Sportanlagen oder Bibliotheken bis hin zur Wirtschaftsförderung. Die zweite Gruppe sind Selbstverwaltungsaufgaben, zu der die Kommunen durch Landes- oder Bundesrecht verpflichtet sind - bei denen sie aber gleichwohl einen Gestaltungsspielraum haben. Kommunen sind zum Beispiel bei der Erstellung von Bebauungsplänen und der Bereitstellung von Kitaplätzen in der Pflicht, sie dürfen aber im Rahmen der Gesetze selbst entscheiden, wie sie diese Aufgaben organisieren und gestalten.

Kompetenzen Das Grundgesetz fasst das Recht zur kommunalen Selbstverwaltung sehr weit: "Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln", heißt es in Artikel 28. Das bedeutet, dass bei allen Entscheidungen und bei der Wahrnehmung von öffentlichen Aufgaben auf ihrem Gebiet zunächst einmal die Gemeinde zuständig ist. Nur dort, wo die einzelne Gemeinde überfordert wäre oder übergeordnete Interessen des Gemeinwesens dem entgegenstehen - bei der inneren und äußeren Sicherheit, bei der Handels- und Außenpolitik zum Beispiel - können dem Prinzip nach Kompetenzen auf den höheren Ebenen, also bei Land und Bund, angesiedelt werden. Im föderalen System der Bundesrepublik ist ein solcher Entzug der Kompetenzen begründungspflichtig. Das Bundesverfassungsgericht hat 1988 im sogenannten "Rastede-Urteil" ausdrücklich betont, dass die Verlagerung von kommunalen Aufgaben auf die höhere Ebene - etwa mit der Begründung einer Verwaltungsvereinfachung - verfassungswidrig wäre. Gleichwohl beschweren sich die Kommunen auf der anderen Seite immer wieder über die zunehmende Einschränkung ihres Entscheidungsspielraums durch Gesetze der höheren Ebenen. Ein Beispiel dafür ist etwa die Auflage der EU, Aufträge ab einer gewissen Größe europaweit auszuschreiben. Ein Dauerstreitpunkt sind zudem die Finanzen: Die kommunalen Interessenverbände - also Deutscher Städtetag, Städte- und Gemeindebund und Landkreistag - haben immer wieder kritisiert, dass den Kommunen stetig mehr Aufgaben aufgebürdet würden, ohne dass dafür die erforderlichen finanziellen Mittel bereitgestellt würden. Mit der Föderalismusreform aus dem Jahre 2009 hat sich zumindest der Bund verpflichtet, den Kommunen keine weiteren Aufgaben mehr zu übertragen.

Eigenverantwortung Die Doppelfunktion der Kommunen - Verwaltungsauftrag für Bund und Länder einerseits und kommunal eigenständige Verwaltung anderseits - zeigt sich auch beim Geld: Kommunen finanzieren sich aus eigenen Steuereinnahmen, aus Zuweisungen von Land und Bund, aus Entgelten und Gebühren in der Gemeinde und gegebenenfalls durch Kredite (die allerdings durch das Land genehmigt werden müssen). Die finanziellen Eigenverantwortung wird ausdrücklich im Grundgesetz benannt. Zu den eigenen kommunalen Steuern gehören die Grund- und die Gewerbesteuer, deren Sätze Gemeinden in gewissen Grenzen selbst bestimmen können. Um die Abhängigkeit der Gewerbesteuereinnahmen von der Konjunktur zu verringern existiert zudem ein Ausgleichmechanismus: Gemeinden reichen einen Teil der Gewerbesteuer an das Land weiter und erhalten im Gegenzug einen Anteil der auf ihrem Gebiet eingenommenen Körperschafts- und Einkommenssteuer.

"No taxation without representation" - keine Besteuerung ohne politische Interessenvertretung: Der Grundsatz der amerikanischen Unabhängigkeitskämpfer gilt auch auf deutscher Kommunalebene. Das Grundgesetz fordert, dass auch auf Gemeindebene das "Volk eine Vertretung haben muss, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist". Die jeweiligen Gemeindeordnungen der Länder, die teils auch "Kommunalverfassung" genannt werden, definieren Rechte und Pflichten der Kommunen, regeln kommunale Strukturen und Zuständigkeiten und Aufsicht und Weisungsbefugnisse des Landes. Sie legen zudem fest, auf welche Art und in welchen Abständen die Gemeindevertretungen und Bürgermeister gewählt werden.