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RHEINLAND-PFALZ : Zwei Frauen kämpfen um die Macht in Mainz

Wahlforscher rätseln über Wählerwillen

07.03.2016
2023-08-30T12:29:57.7200Z
4 Min

Es gab diese Schlüsselszene unlängst gleich zu Anfang des Fernsehduells: "Die Kanzlerin hält Europa zusammen, und ich stehe an ihrer Seite", sagte CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner. "Die Kanzlerin hat einfach Recht: Wir brauchen eine europäische Lösung, und Sie fallen Ihr in den Rücken", konterte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Wer steht hinter Angela Merkel? Deren Flüchtlingspolitik ist im rheinland-pfälzischen Landtagswahlkampf zur Gretchenfrage geworden. Grenzen schließen, Hotspots, Kontingente - die Flüchtlingsfrage dominiert den Wahlkampf. Das liegt vor allem an Klöckner: Schon früh versuchte die 43 Jahre alte frühere Weinkönigin, mit dem Thema zu punkten. Zunächst gelang das bravourös: Klöckner organisierte Flüchtlingsgipfel und forderte Integrationspflicht, beherrschte die Schlagzeilen bundesweit - und ließ die SPD-geführte Landesregierung untätig aussehen. Doch je länger die Krise dauerte, umso mehr begann Klöckner, sich von ihrer Mentorin Merkel abzusetzen.

Der Höhepunkt: Klöckners "Plan A2", in dem die Bundesvize all das fordert, was Merkel eigentlich nicht will - tagesaktuelle Kontingente für Flüchtlinge inklusive. Als Klöckner dann auch noch CSU-Chef Horst Seehofer einlud und den österreichischen Außenminister Sebastian Kurz in Mainz begrüßte, frohlockten die Wahlkampfstrategen der SPD. Tatsächlich droht der CDU-Hoffnungsträgerin bei der Wahl ein nicht mehr für möglich gehaltenes Debakel: Zehn Prozentpunkte und mehr lag die CDU vor der SPD, monatelang. In der CDU druckten sie schon Plakate mit der Aufschrift "Unsere Ministerpräsidentin". Aber seit November sinken die Umfragewerte der CDU stetig. Laut ARD kommt die CDU derzeit auf 36 Prozent. Die SPD liegt mit 34 Prozent leicht dahinter. "Die Zahlen sind sehr stark in Bewegung", meint der Mainzer Politikwissenschaftler Thorsten Faas, ein "Kopf-an-Kopf"-Rennen sehen die Medien.

Keine Wechselstimmung Die kämpferische SPD setzt ganz auf Dreyer. Die 55 Jahre alte Juristin aus Trier regiert eigentlich erst seit drei Jahren das Land, im Januar 2013 beerbte sie Kurt Beck (SPD). Dreyer aber war nicht nur die Herzdame der SPD, eine Frau, die mit ihrem sympathischen Lachen auffällt. Im Herbst 2014 räumte sie handstreichartig auf im Kabinett und entledigte sich aller Altlasten der Beck-Ära, seither sind die alten Skandale weit weg - allen voran der Nürburgring. Dreyer liegt in der Gunst der Rheinland-Pfälzer seit Monaten weit vor Klöckner. 50 Prozent würden sich derzeit in einer Direktwahl für Dreyer entscheiden, nur 30 Prozent für Klöckner. Hinzu kommt laut einer SWR-Umfrage: 61 Prozent der Rheinland-Pfälzer sind mit der Arbeit der rot-grünen Landesregierung zufrieden, das ist der beste Wert in der Legislaturperiode. Eine Wechselstimmung ist das nicht. Und so rätseln die Wahlforscher über die paradoxe Situation, dass die CDU in Umfragen stabil vorne liegt, die Wähler sich aber offenbar mehrheitlich eine Fortsetzung der rot-grünen Landesregierung wünschen, die aber in Umfragen von ARD und ZDF nicht mehr die nötige Mehrheit erreicht. Dafür stehen die Chancen für einen CDU-Wahlerfolg derzeit nicht schlecht. "Rheinland-Pfalz kann mehr", betonte Klöckner im TV-Duell, tatsächlich ist die Wirtschaftsentwicklung im Land inzwischen unter den Bundesschnitt gefallen. In der Flüchtlingspolitik hakte es zu Beginn gewaltig, die Straßen sind marode, die Schiersteiner Brücke und das Planungschaos, das ihr Zusammenbrechen aufdeckte, sorgten monatelang für eine bundesweite Lachnummer.

Die Bündnisfrage Doch selbst wenn die CDU am 13. März stärkste Kraft wird, bliebe noch die Bündnisfrage zu klären. Das Chaos in der Union treibt zwar der FDP Wähler zu, mit fünf Prozent (ARD) könnten die Liberalen den Wiedereinzug in den Landtag schaffen (2011: 4,2 Prozent) - trotz eines minimalistischen Wahlkampfs, der vorwiegend auf die Themen Haushalt und Wirtschaft setzt. Doch Schwarz-Gelb hätte damit im neuen Landtag ebenso wenig eine Mehrheit wie Rot-Grün. Die Grünen müssen wohl mit einer Halbierung ihres sensationellen Fukushima-Ergebnisses von 2011 von 15,4 Prozent rechnen. Die Partei liegt bei sieben Prozent, die Parteispitze brüskierte ihre Basis zudem gerade mit einem unausgereiften Schwenk in der Flüchtlingspolitik.

Das eigentliche Problem im neuen Landtag aber hieße AfD. Die Alternative für Deutschland würde laut ARD aktuell mit satten neun Prozent in den Mainzer Landtag einziehen. Es wäre das erste Mal, dass die Rheinland-Pfälzer ein politisches Experiment in ihr Parlament wählen würden.

In einem solchen Fünf-Parteien-Parlament blieben womöglich nur noch Koalitionsoptionen, die gar keiner will: Dreierbündnisse wie eine rot-grün-gelbe Ampel oder eine schwarz-grün-gelbe "Jamaika-Koalition" dürften schwer zu realisieren sein, die Wege zwischen FDP und Grünen sind weit. So könnte am Ende eine Große Koalition von CDU und SPD unausweichlich sein. Bleibt die Frage, mit welcher Ministerpräsidentin? Macht Klöckner das Rennen, würde sich Dreyer wohl zurückziehen und SPD-Landeschef Roger Lewentz übernehmen.

Die Autorin ist freie Journalistin in Mainz.