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NSA-AFFÄRE : »Niemals näher als jetzt«

Steinmeier würdigt vor dem Untersuchungsgremium die Freundschaft mit den USA

21.03.2016
2023-08-30T12:29:58.7200Z
3 Min

Lauschangriffe aufs Kanzlerinnen-Handy? "Ein Ärgernis." Aber zu verschmerzen. Tödliche Drohnenattacken von deutschem Boden aus? Wenn der US-Präsident sie bestreitet, "haben wir keinen Anlass zu zweifeln". Das deutsch-amerikanische Verhältnis? "Niemals näher als jetzt."

Seit bald zwei Jahren ist der NSA-Untersuchungsausschuss ein Ort, an dem das Wirken der Vereinigten Staaten in der Welt mit eher kritischem Unterton zur Sprache kommt. Frank-Walter Steinmeier (SPD) ließ am Donnerstag seinen Auftritt vor diesem Gremium zu einer Feierstunde der transatlantischen Freundschaft werden. "Nie so sehr wie jetzt haben wir uns bemüht, gemeinsam mit den Amerikanern Konfliktherde zu entschärfen. Wir dürfen diese Beziehung, die wir brauchen, um außenpolitisch erfolgreich zu sein, nicht gefährden", so oder ähnlich beschwor der Außenminister ein ums andere Mal die Abgeordneten.

Steinmeier war von 1998 bis 2005 Staatssekretär im Kanzleramt, seit 1999 auch Kanzleramtschef und in diesen Funktionen unter anderem zuständig für die Geheimdienste. Unter seiner Verantwortung leiteten Bundesnachrichtendienst (BND) und die US-"National Security Agency" (NSA) in den Jahren 2001 und 2002 jene Kooperation bei der Überwachung internationaler Datenverkehre ein, deren Skandalisierung der Ausschuss sein Dasein verdankt.

Steinmeier ließ von Beginn seiner achtstündigen Vernehmung an keinen Zweifel aufkommen, dass er von solcher Skandalisierung gar nichts hält. Wenn es in Deutschland noch keinen großen Terroranschlag gegeben habe, so dank der "Ausstattung, internationalen Vernetzung und Wachsamkeit der Sicherheitsbehörden". Die rot-grüne Bundesregierung habe im Übrigen darauf geachtet, dass dabei "die Grenzen des Rechtsstaates nicht überschritten wurden", betonte Steinmeier: "Wir haben die richtige Balance gewahrt zwischen notwendigen Maßnahmen und einem kühlen Kopf, der notwendig ist, damit der Rechtsstaat nicht vom Sicherheitsstaat usurpiert wird."

Der Zeuge erinnerte an das "politische Umfeld" im Herbst 2001 nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington. Er zitierte die damalige Grünen-Fraktionschefin Kerstin Müller, die am Tag danach im Bundestag gefordert habe: "Wir brauchen eine enge internationale Kooperation der Geheimdienste."

Zwei Monate später habe Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) im Parlament erklärt, die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden der USA habe sich verbessert: "Damals war das im Verständnis der deutschen Öffentlichkeit eine Erfolgsmeldung." Heute hingegen habe er den Eindruck, dass "jegliche Kooperation mit den USA als geradezu anstößig oder unanständig" betrachtet werde "und die Verabredung dazu erst recht", klagte Steinmeier: "Ich kann das nicht teilen."

»Kein Souveränitätsrabatt« Bereits vor den Anschlägen des 11. September 2001 hatten BND und NSA Verhandlungen über das Vorhaben aufgenommen, die bislang allein unter US-Hoheit betriebene Abhöranlage in Bad Aibling künftig gemeinsam zu nutzen. Er habe die Aussicht begrüßt, ein Relikt der Besatzungszeit und des Kalten Krieges beseitigen zu können, indes strikte Bedingungen formuliert, sagte Steinmeier: Der BND sollte die "volle Kontrolle" ausüben, zwischen beiden Partnern absolute Transparenz bestehen und die "völlige Beachtung deutschen Rechts" gewährleistet sein. "Es gibt keinen Souveränitätsrabatt für die USA", habe die Maxime gelautet.

Auf dieser Basis sei 2002 die Kooperationsvereinbarung zwischen BND und NSA zustande gekommen. Sie sei, betonte Steinmeier, "kein Freifahrtschein für die NSA, Daten über Deutsche zu erfassen", auch keine Ermächtigung, europäische Partner auszuspähen. Sollte dies dennoch geschehen sein, wäre es ein klarer Regelverstoß.

Steinmeier räumte ein, dass die Enthüllungen im Sommer 2013 über die Schnüffelpraxis der NSA auch gegen befreundete Länder "nachdenklich gemacht und Vertrauen in Frage gestellt" habe. Deutsche dürften deswegen aber nicht "über die USA zu Gericht sitzen". Auch dort gebe es eine "ernsthafte Debatte" über das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit: "Wer sich zurückzieht auf die bequeme Position des prinzipiellen Misstrauens und Generalverdachts, gibt Einflussmöglichkeiten auf." Die im Spätsommer 2013 erörterte Idee eines "No-Spy-Abkommens" habe er allerdings von vornherein "mit Sympathie, aber auch mit einer Portion Skepsis" betrachtet.

Die Verärgerung darüber, dass die NSA offenbar auch Mobiltelefone deutscher Politiker abgehört hat, dürfe das Verhältnis zu den USA nicht trüben, mahnte Steinmeier. Ganz folgenlos sei die Affäre ohnehin nicht geblieben: Minister der Bundesregierung telefonierten mittlerweile vorzugsweise über Festnetz.