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GLEICHSTELLUNG : Rampen statt Treppen

Regierung will Barrierefreiheit ausbauen. Opposition spricht von »Trippelschritten«

21.03.2016
2023-08-30T12:29:58.7200Z
3 Min

Der Bundestag macht mit. Nicht nur auf seiner Homepage stellt er Informationen auch in Gebärden- und in Leichter Sprache zur Verfügung. Auch "Das Parlament" erscheint seit 2014 mit einer Beilage in Leichter Sprache, um die Themen auch jenen Menschen zugänglich zu machen, die aufgrund einer Behinderung oder Lernbeeinträchtigung Schwierigkeiten haben, den Debatten zu folgen. Und auch Gabriele Lösekrug-Möller, die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) machte mit. In der vergangenen Woche, als der Bundestag erstmals über die von der Bundesregierung geplante Novelle des Behindertengleichstellungsgesetzes (18/7824) und zwei Anträge von Bündnis 90/Die Grünen (18/7877) und Linken (18/7874) beraten hat.

Sie hielt ihre Rede in Leichter Sprache, also ohne Fremdwörter und mit kurzen Sätzen, und stellte am Ende fest: "Ich fand das sehr schwierig." Dennoch sei es wichtig und überfällig, dass Behörden künftig mehr Dokumente in Leichter Sprache anbieten, damit diese für alle Menschen verständlich seien. Denn im Internet gebe es überall Barrieren, auf die Behinderten stoßen, wenn sie sich informieren wollen, betonte Lösekrug-Möller.

Schlichtungsverfahren Das will die Bundesregierung mit ihrem Gesetzentwurf ändern - zumindest dort, wo der Bund zuständig ist. Mit der Neufassung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) sollen Barrieren in Gebäuden der öffentlichen Verwaltung des Bundes, aber auch im Bereich der Kommunikation durch stärkere Anwendung der Leichten Sprache im Internet weiter abgebaut werden. Ferner ist die Einrichtung einer Bundesfachstelle für Barrierefreiheit und die Einführung eines Schlichtungsverfahrens geplant, das künftig Verbandsklagen, die sich gegen Träger öffentlicher Gewalt richten, vorgeschaltet ist und daneben auch für Einzelpersonen zur Verfügung stehen soll. Der Opposition geht das nicht weit genug, weshalb sie in ihren Anträgen eine stärkere Verpflichtung auch der Privatwirtschaft für mehr barrierefreie Angebote einfordert.

So kritisierte etwa Katrin Werner (Die Linke): "Was uns hier vorliegt, bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. Was nützt es, wenn nur die öffentlichen Dienstleister zur Barrierefreiheit verpflichtet werden? Das geht an der Lebensrealität der Menschen mit Behinderungen vorbei." Denn Barrierefreiheit müsse endlich überall zum Standard werden, in Kinos, in Restaurants, Geschäften und Arztpraxen. Der Entwurf aber verhindere, dass diese Orte für die Betroffenen gleichberechtigt zugänglich seien, so Werner.

Und Corinna Rüffer (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete den Entwurf als Trippelschritt. "Sie scheuen verbindliche Verpflichtungen. Barrieren in bestehenden Gebäuden und im Internet sollen bis 2021 erhoben werden. Aber bis wann sollen sie abgebaut werden? Das steht in den Sternen", kritisierte sie. So gebe es zum Beispiel bei der Leichten Sprache keine Rechtsverbindlichkeit, sondern zu viele Spielräume für die Behörden, deren Anwendung zu verweigern. Rüffer betonte, dass die Menschen nicht ihr halbes Leben in öffentlichen Einrichtungen verbringen würden, sondern an anderen Orten. Für mehr Barrierefreiheit in diesen Alltagsorten sorge der Entwurf jedoch nicht, so Rüffer.

Vieles ist in Bewegung Union und SPD wollten diese Vorwürfe so nicht stehen lassen. Und so erwiderte Kerstin Tack (SPD), dass es sehr wohl ein Anliegen der Bundesregierung sei, die Privatwirtschaft zu mehr barrierefreien Angeboten zu bewegen. Dies werde man aber nicht mit einem Gesetz so einfach festlegen können. Dennoch gehöre das Thema auf die Tagesordnung und werde auch im Rahmen der Evaluation des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) in diesem Jahr eine Rolle spielen, kündigte sie an.

Karl Schiewerling (CDU) befand, Deutschland habe seit Inkrafttreten des BGG im Jahr 2002 viele kleine Schritte getan. Man könnte sich da durchaus mehr vorstellen, "aber uns sind Grenzen gesetzt", sagte er. Dennoch seien auch in der Wirtschaft viele Dinge in Bewegung gekommen und schon aus eigenem Interesse bemühten sich viele Unternehmen um barrierefreie Angebote. Schiewerling betonte, es sei zentral, den Blick auf die Zunahme von Behinderungen und psychischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft zu weiten. Dies sei zwar auch eine Folge des Drucks der Arbeitswelt, habe aber auch viel mit der Entgrenzung der Gesellschaft zu tun. Auch darüber müsse in diesem Zusammenhang gesprochen werden, appellierte er.

Verena Bentele, Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, freute sich, dass Behörden künftig ihre Bescheide in Leichter Sprache erläutern sollen. Gerade Behördensprache sei oft kompliziert und schließe viele Menschen aus. Sie bezeichnete den Entwurf als Schritt für mehr Teilhabegerechtigkeit, kritisierte jedoch den dort enthaltenen Berichtsauftrag für Barrieren in Gebäuden und im Internet bis 2021 als unzureichend. "Von Berichten werden Barrieren nicht abgebaut", erklärte sie.