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MINDESTLOHN : Praktikanten, Ehrenämtler und Stundenzettel

In einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales fordern Experten Korrekturen am Gesetz

21.03.2016
2023-08-30T12:29:58.7200Z
3 Min

Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns hat sich vor allem für Beschäftigte unterer Lohngruppen positiv ausgewirkt. Dennoch sehen Experten Nachbesserungsbedarf am seit 2015 geltenden Mindestlohngesetz. Das machte eine Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales in der vergangenen Woche zu einem Antrag (18/4183) der Linksfraktion deutlich, in dem diese ebenfalls Korrekturen am Mindestlohngesetz fordert.

Das Mindestlohngesetz gilt seit Januar 2015 und definiert einen Brutto-Stundenlohn von 8,50 Euro als unterste Grenze. Er gilt zwar bisher noch nicht umfassend, da das Gesetz für bestimmte Tarifverträge und Branchen Übergangsregelungen festlegte. Ab Januar 2017 soll er dann aber für alle Arbeitnehmer gelten. Ausnahmen sind dennoch möglich und bleiben auch nach der Verabschiedung des Gesetzes ein Diskussionsthema. So sind Auszubildende und ehrenamtliche Tätigkeiten, ebenso wie Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten nach Wiedereinstieg in den Beruf vom Mindestlohn ausgeschlossen. Auch für Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung und Praktikanten, die ein Pflicht-Praktikum im Rahmen von Schule,, Ausbildung und Studium oder ein Orientierungspraktikum von maximal sechs Wochen machen, gilt der Mindestlohn ebenfalls nicht. Zuletzt dreht sich die Debatte vor allem um die Frage, inwiefern für Flüchtlinge bei deren Einstieg in den Arbeitsmarkt Ausnahmen zulässig sein könnten.

Umstrittene Praktika Vorschläge für Korrekturen kamen in der Anhörung aus verschiedenen Richtungen. So kritisierte Roland Wolf von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) die Regelungen zum Ehrenamt als Fehler. Das Ehrenamt sei kein Arbeitsverhältnis. Hier sei eine Regelung geschaffen worden, die man nicht hätte regeln müssen, so Wolf. Auch Praktika sollten nach Auffassung der BDA nicht als Arbeitsverhältnis definiert werden. "Man hat sie künstlich hinein definiert und nun gibt es in der Praxis zahlreiche Probleme, weil niemand genau sagen kann, was ein Pflichtpraktikum ist", sagte Wolf. Die BDA forderten in ihrer Stellungnahme, Pflichtpraktika generell von der Mindestlohnpflicht auszunehmen und freiwillige Praktika für zwölf Monate vom Mindestlohn zu befreien.

Die Frage der Abgrenzung von Ehrenämtern und regulären Arbeitsverhältnissen bezeichneten auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und ein für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit zuständiger Mitarbeiter im Bundesfinanzministerium (BMF) als klarstellungswürdig. Dies sei nötig, aber nicht im Mindestlohngesetz, sondern im Bürgerlichen Gesetzbuch, sagte DGB-Vertreterin Claudia Falk. Die Frage der Abgrenzung sei seit jeher ein Problem und eine Prüfung im Einzelfall nötig, fügte Julian Würtenberger vom BMF an.

Micha Heilmann, Leiter der Rechtsabteilung der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), nannte als größte Probleme in der Praxis die Aufzeichnung der Arbeitszeiten und forderte in diesem Zusammenhang mehr Kontrollen. Ferner gebe es bei der Anrechnung von Zulagen und der Abgrenzung von Ehrenämtern noch große Unsicherheiten. "Die Erfassung der Arbeitszeit ist das A und O der Einhaltung des Mindestlohns. Wir brauchen aber auch eine klare Definition, was Arbeitszeiten sind, also ob Bereitschaftszeiten dazu gehören", betonte Heilmann.

Gegen mehr Ausnahmen Auch Dieter Dewes, Bundesvorsitzender des BDZ Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft, registrierte als gröbste Verstöße gegen das Gesetz Verstöße in der Stundenaufzeichnung. Er plädierte darüber hinaus dafür, nicht noch mehr Ausnahmetatbestände zu schaffen, da dies die Arbeit der Kollegen vor Ort zusätzlich erschwere. Um eine gewisse Kontrolldichte zu erreichen, bräuchte man mindestens 2.500 zusätzliche Mitarbeiter in der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, rechnete Dewes vor.

Marc Amlinger vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, führte aus, dass bisher vom Mindestlohn vor allem Beschäftigte der unteren Lohngruppen profitiert hätten und dies vor allem im Osten Deutschlands. Zuwächse habe es vor allem bei ungelernten Arbeitskräften gegeben. Amlinger plädiert in seiner Stellungnahme dafür, ein Verbandsklagerecht einzuführen, um gegen Verstöße gegen das Mindestlohngesetz effektiv vorgehen zu können.