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verstecke der Reichen : Das Steuer-Dunkelfeld

Große und kleine Staaten bieten Unterschlupf. Auch in Deutschland wird viel Geld gewaschen

18.04.2016
2023-08-30T12:29:59.7200Z
6 Min

Die Adresse ist 1209 North Orange Street in Wilmington, Delaware, USA. Dort steht ein einfacher, einstöckiger Ziegelsteinbau. Für US-amerikanische Verhältnisse klein - und doch residieren in dem Zweckbau 285.000 Unternehmen. Oder in diesen Tagen geläufiger: ihre Briefkästen. Einer davon gehört seit 2008 Bill Clinton. Fünf Jahre später zog die Frau nach, die sich anschickt, die erste US-Präsidentin zu werden. Ja, auch Hillary Clinton hat hier ihren eigenen Briefkasten - und die Berichte darüber in der Washington Post und der New York Times - im Zusammenhang mit den Panama Papers - nutzen im Präsidentenwahlkampf ihren Konkurrenten. Schon Barrack Obama lästerte im Wahlkampf 2008 über das kleine, aber überaus geräumige Haus von Wilmington, fand aber auch kein Mittel gegen Steuerparadiese im eigenen Land.

Also hat sich jetzt Microsoft-Gründer und Milliardär Bill Gates an die Spitze der Skeptiker gesetzt. Wo verstecken die US-Amerikaner ihre Reichtümer und hinterzogenen Steuern?, fragt er medienwirksam. Warum tauchen kaum Landsleute in den 11,5 Millionen Dokumenten der "Panama Papers" auf? Stammen 2,6 Terabyte Daten etwa von US-Geheimdiensten, die dem russischen Präsidenten Putin schaden wollen, wie eine derzeit im Netz beliebte Verschwörungstheorie lautet. Oder war die Kanzlei Mossack Fonseca mit Sitz in Panama City als Nummer vier der für derart diskrete Geschäfte bekannten Häuser bloß regional auf Kunden aus Europa spezialisiert?

Betrieb nicht illegal Im Wirbel um die Panama Papers tut man gut daran, sich zwischendurch immer wieder an den einigermaßen gesicherten Fakten rund um die 214.000 ominösen Briefkästen zu orientieren. Deren Betrieb ist per se nicht illegal. Jeder darf eine Offshore-Firma besitzen. Allerdings dienen diese Firmenhüllen zur Verschleierung von Geldern, Geldflüssen und der Identitäten ihrer Besitzer und Auftraggeber. Bei Mossack Fonseca kauften Mittelsmänner - Anwälte, Finanzberater, Banker - die Firmen in aller Welt. Laut ihrer Webseite stützt sich die Kanzlei auf ein Netzwerk von rund 600 Mitarbeitern in 42 Ländern: in der Schweiz, Zypern, den Britischen Jungfraueninseln, Guernsey, Jersey und der Isle of Man, zum Beispiel.

Zu einem Einstiegspreis von rund 1.350 US-Dollar gab es bei Mossack Fonseca die Gründung einer Gesellschaft, einschließlich Nutzung der Anschrift der Kanzlei als Geschäftsadresse. Firmensiegel: 98 Dollar. Ein Geschäftsführer als Strohmann kostete 850 Dollar. Selbst das Rückdatieren einzelner Dokumenten hatte seinen Preis: 8,75 Dollar pro Monat. Pro Firma haben die ordentlichen Verwalter einen Datenordner angelegt, der alle Unterlagen enthält: Schriftstücke, Blankounterschriften auf nachträglich ausfüllbaren Verträgen, Überweisungen, Mails. Von der schieren Datenmenge her ist dieses "Leak" mit seinen 2,6 Terabyte mächtiger als all seine Vorgänger zusammen. Zum Vergleich: Wikileaks aus dem Jahr 2010 war gerade einmal 1,7 Gigabite groß.

Die rund 11,5 Millionen Dokumente der Panama Papers bestehen aus Mails (4.804.618), aus Datenbankformaten (3.047.306), PDFs (2.154.264), Bilddateien (1.117.026), aus Textdokumenten (320.166) und sonstigen Dateien (2.242). Diese Zahlen hat die Süddeutsche Zeitung genannt, der eine unbekannte Quelle die Daten nach und nach zukommen ließ, wie die beiden Journalisten Bastian Obermayer und Frederik Obermaier berichten. Die Anbieter sollen per Mail Kontakt aufgenommen und sich selbst "John Doe" genannt haben. Man wolle Daten teilen. Die Journalisten stimmten zu.

Und hatten fortan zwei Probleme: die schiere Datenmenge und ihre Handhabbarkeit. Letzte brachte Carl Barron mit seinem Team und der Software Nuix ins Spiel. Sie las die unterschiedlichen Datenformate ein, verwandelte per OCR-Erkennung Bilder in Texte und machte aus dem Wust an Formaten etwas Indexierbares. Die digitalen Kopien liegen auf einer zugangsgeschützten, gesondert verschlüsselten Plattform namens iHub. Die Suchmaschine zum Durchwühlen des Datenbergs wird "Blacklight", Schwarzlicht, genannt. Glaubt man dem ORF-Journalisten Günter Hack, so war die Arbeit mit den digitalen Werkzeugen keine Freude: "In den Panama-Papers gibt es keine Links. Jede Datei steht für sich. Die automatische Auswertung ist fehlerhaft, man arbeitet sich tagelang durch Unmengen mangelhaft konvertierter PDFs aus den 1990er Jahren. Die Arbeit mit der Datenbank fühlt sich an, als würde man mit Zahnbürste und Pinsel ein Dinosaurierskelett freilegen. Sie ist nur bedeutend langweiliger. Und man weiß, dass man selbst am Ende nicht genau sagen wird können, wie das Tier ursprünglich ausgesehen hat."

Hack gehörte zu den rund 400 Journalisten von mehr als 100 Verlagen und Sendern in rund 80 Ländern, die an iHub arbeiten durften und dürfen. Denn die Süddeutsche Zeitung hat das Mengenproblem gelöst, in dem der Datenberg aus anonymer Quelle auf viele Schultern verteilt wurde. Dazu kooperierten die Münchner mit dem "International Consortium for Investigative Journalists" (ICIJ). Alle Beteiligten verpflichteten sich zur Geheimhaltung. Sie dürfen die Unterlagen nicht weitergeben. Die Texte dürfen nicht hinter Bezahlschranken verschwinden, sondern müssen offen im Netz stehen.

Nach rund einem Jahr Vorarbeit gingen alle Beteiligten mit ihren Geschichten aus den "Panama Papers" am 4. April online. Am 6. April folgte ein Buch von Obermayer und Obermaier. Insgesamt 140 Namen von Staatschefs, Premierministern und Politikern gerieten als erste ins Zwielicht. Der Premierminister von Island, Sigmundur David Gunnlaugsson, musste zurücktreten - ein Viertel seines Kabinetts war an den Offshore-Geschäften beteiligt. Ian Cameron, der Vater des britischen Premierministers David Cameron, brachte seinen Sohn in Erklärungsnöte. Als Kunden der Panama-Connection waren plötzlich öffentlich: der Premierminister von Pakistan, König Salman von Saudi-Arabien, Mauricio Macri - Präsident von Argentinien, Petro Petroschenko - Präsident der Ukraine und die Ehefrau des EU-Energiekommissars Miguel Arias Canete. Sportler wie der Fußballer Lionel Messi oder Fifa-Funktionäre kommen hinzu.

Aus Deutschland tauchen 15 Banken und Tochtergesellschaften in den Panama Papers auf. Und bisher ein Politiker: Helmut Linssen, der eine von Mossack Fonseca gegründete Offshore-Firma besaß. Dies aber wurde schon 2014 bekannt. Linssen trat damals von seinem Amt als CDU-Schatzmeister zurück.

Rund zwei Milliarden US-Dollar werden in den Veröffentlichungen dem Umfeld von Wladimir Putin zugeschrieben. Sein Name selbst tauche nicht auf, heißt es, aber der des Putin-Freunds, Cellisten und Petersburger Musikdirektors Sergei Roldugin. Wladimir Putin bestreitet eine Verwicklung öffentlich Auch der ukrainische Präsident Poroschenko hat nach eigenen Worten von all dem nichts gewusst.

Ehrenrettung Knapp zwei Wochen nach der ersten Veröffentlichung führen die Kritiker des Scoups das Wort. Sie fordern, dass der Datenberg allen Interessierten zugänglich gemacht wird - was die Süddeutsche Zeitung bisher mit dem Hinweis ablehnt, es seien auch viele unbescholtene Menschen darunter, deren Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben müssten. Beim deutschen Formel Eins Rennfahrer Nico Rosberg waren die Investigativen der Süddeutschen weniger zimperlich. Sein Name wurde bereits in den ersten Veröffentlichungen genannt, weil sein Fahrersalär von Mercedes-Benz offenbar über eine Offshore-Firma auf den British Virgin Islands läuft. Am reinen Geldfluss scheint nichts auszusetzen zu sein; man habe den Fall exemplarisch öffentlich gemacht, weil sich Mercedes so sehr mit seinen Compliance-Regeln brüste, sagte Bastian Obermayer dem NDR Medienmagazin Zapp, das kritisch nachfragte. Andere Journalisten kritisierten die Einbeziehung des "International Consortium für Investigative Journalists", das durch große amerikanische Industriestiftungen mittels Spenden finanziert werde. Ein weiterer Grund für die Abwesenheit großer US-Namen in diesem Ausschnitt von Panama?

Die Ehrenrettung für Panama besorgte die internationale Initiative Tax Justice Network. Sie veröffentlichte eine Rangliste der Steueroasen, in der Deutschland auf Platz acht steht, Panama nur auf Platz 13. Dazu passend hat Professor Kai D. Bussmann von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg den Umfang der Geldwäsche in Deutschland untersucht. Dabei machte er ein Dunkelfeld von bis zu 30 Milliarrden Euro aus - im Nicht-Finanzsektor. Deutschlands Wirtschaftskraft ziehe internationale Geldwäscher geradezu an. Sie kauften hier Luxusgüter wie teure Autos und Schmuck, um schmutziges Geld zu legalisieren. Bussmann schlägt deshalb neben der Schaffung von Geldwäschebeauftragten in Unternehmen auch Bargeldobergrenzen von 2.000 bis 3.000 Euro vor - wie es andere EU-Staaten bereits gemacht haben. Panama ist demnach überall.