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finanzen : Panama ist riesengroß

Milliarden-Schäden durch Briefkastenfirmen. Fraktionen kündigen Maßnahmen an

18.04.2016
2023-08-30T12:30:00.7200Z
4 Min

Zwei Wörter haben die politische Debatte völlig verändert: "Panama-Papers". Seit der auszugsweisen Veröffentlichung von 2,6 Terabyte Daten über Briefkastenfirmen von Panama bis Hongkong durch ein internationales Netzwerk investigativer Journalisten ist das Ausmaß der globalen Steuervermeidung, Steuerhinterziehung und Geldwäsche deutlich geworden: Experten gehen von zwei Millionen Offshore-Firmen weltweit aus. Allein die geleakte panamesische Kanzlei Mossack-Fonseca war mit 240.000 Firmengründungen eine Briefkastenfabrik, aber nur die viertgrößte ihrer Art weltweit (Einzelheiten siehe Seite 3).

Der französische Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Zucman schätzt, dass bis 7,5 Billionen US-Dollar in Briefkästen stecken. Das wären über 6,5 Billionen Euro und damit mehr als doppelt so viel wie die gesamte deutsche Wirtschaftsleistung in einem Jahr. Laut Zucman könnten bei einer ordnungsgemäßen Versteuerung der Oasen-Vermögen 130 Milliarden Euro Steuern mehr hereinkommen. Viele Staaten - auch in der Europäischen Union - könnten damit ihre Verschuldungsprobleme lösen oder wenigstens stark reduzieren und die Stabilitätskriterien wieder einhalten.

Harte Reaktionen Entsprechend hart fielen die Reaktionen auf die Veröffentlichung der "Panama Papers" aus. "Das Briefkastenunwesen muss ein Ende haben", forderte Gerhard Schick (Grüne) in einer Aktuellen Stunde des Parlaments in der vergangenen Woche. Nicht weniger hart mit Steuerhinterziehern und -vermeidern ins Gericht ging die Unionsfraktion: "Die Praxis in Panama ist inakzeptabel, verwerflich, asozial und schädigt das Gemeinwesen weltweit", erklärte CSU-Finanzexperte Hans Michelbach. Die Veröffentlichung der "Panama Papers" stärke den Handlungswillen der Unionsfraktion. Das Problem sei lange erkannt, und man habe entsprechend gehandelt. Seit der Finanzkrise seien über 40 Maßnahmen mit starken Regulierungen weltweit umgesetzt. Michelbach verwahrte sich gegen den Vorwurf der "Tatenlosigkeit". Deutschland habe im Gegenteil eine Vorbildfunktion bei G 7 und G 20 sowie in der OECD. "Wer Gewinne auf geheimen Konten einfriert, ist kein Unternehmer, sondern ein Wegnehmer", sagte Michelbach, der die Ächtung und Sanktionierung dieser "Diebe" forderte. Das Europäische Parlament setzte inzwischen sogar einen Untersuchungsausschuss zu den "Panama Papers" ein.

In der Aktuellen Stunde meldete sich auch der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) zu Wort. Er sprach von einer "ganz wichtigen Botschaft" der "Panama Papers": Diejenigen, die Geld verstecken, und diejenigen, die ihnen dabei helfen würden, könnten nicht mehr sicher sein, "dieses Geschäft im Dunkeln ungestört vollziehen zu können". Man müsse sich aber im Klaren sein, dass "beim Austrocknen dieses Sumpfs auch die Frösche mit am Tisch sitzen", sagte Walter-Borjans mit Blick auf schwierig zu führende internationale Verhandlungen. "Wir tun alles Mögliche, um diesen Machenschaften beizukommen", sagte Jens Zimmermann (SPD) zur internationalen Steuerhinterziehung. Wie Walter-Borjans stellte auch Lothar Binding (SPD) die Bedeutung der Veröffentlichung heraus. Er forderte ein international vernetztes Unternehmensregister sowie eine Blockade von Geldströmen "von und nach dubiosen Unternehmen". Die Sozialdemokraten legten inzwischen einen 20-Punkte-Plan gegen Steuerhinterziehung vor.

Sahra Wagenknecht (Linke) wunderte sich über die plötzliche "Hyperaktivität" von Bundesregierung und Koalition. Die Regierung tue so, als sei ihr erst durch die "Panama Papers" aufgefallen, "dass Briefkastenfirmen nicht dem Postempfang dienen, sondern für Steuerhinterziehung, Geldwäsche und andere kriminelle Aktivitäten gebraucht werden". Dagegen sei nichts getan worden. Neun von zehn großen Firmen hätten Tochterfirmen in Steueroasen. Trotz der Veröffentlichungen seien Panama und andere Ländern von den schwarzen und grauen Listen der Steueroasen gestrichen worden. Und die Regierung habe auf EU-Ebene Widerstand gegen Transparenz bei Eigentümern von Briefkastenfirmen geleistet. Jetzt spiele die Regierung den Robin Hood im Kampf gegen Steuerhinterzieher, "aber in Wahrheit haben Sie alles dafür getan, dass die Geldwäsche- und Steuerhinterziehungsmafia ihre dunklen Geschäfte völlig unbehelligt weiter machen kann", sagte Wagenknecht, die von "organisierter Kriminalität der Reichen und Mächtigen" sprach.

Deutschland Hauptblockierer Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter erklärte, Deutschland sei "einer der Hauptblockierer", wenn es um mehr Transparenz gehe. Und deutsche Banken würden nicht ausreichend kontrolliert. Es fehle eine Bundessteuerverwaltung, die großen Konzernen und Superreichen "auf Augenhöhe" entgegentreten könne. Außerdem sei Deutschland ein "Zentrum der Geldwäsche", weil die Kontrolle nicht funktionieren würden. Zudem wies Grünen-Finanzexpertin Lisa Paus darauf hin, dass ein Teil der ausländischen Anleger ihre in Deutschland erzielten Kapitalerträge nicht versteuern müsse. Die Regierung hatte dies mit dem schon ab 1929 bestehenden "Ziel, den Finanzplatz Deutschland zu stärken", begründet (18/ 7815).

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) räumte zwar ein, dass beim Kampf gegen die Geldwäsche im Inland noch mehr Anstrengungen notwendig seien, zog jedoch eine positive Bilanz der Bemühungen gegen Steuerhinterziehung und verwies auf seinen Zehn-Punkte-Plan, bei dem der automatische Informationsaustausch in Steuerfragen einer der Schwerpunkte ist. Über 100 Länder würden sich daran bereits beteiligen. Eine weitere Maßnahme ist, unwillige Länder auf eine "schwarze Liste" zu setzen. Angesichts der Globalisierung würden nationale Regelungen im Alleingang gar nichts nützen. Man brauche globale Regelungen, auch wenn das sehr mühsam sei. "Und trotzdem muss man es tun", sagte Schäuble. Ein erster Erfolg wird gemeldet: Die Regierung von Panama hat immerhin angekündigt, sich dem automatischen Informationsaustausch anschließen zu wollen.