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USA : Erst die Unterschrift, dann der Sex

An Universitäten wird über sexuelle Selbstbestimmung diskutiert

02.05.2016
2023-08-30T12:30:00.7200Z
3 Min

Die Vorstellung ist ein bisschen merkwürdig: Kurz bevor ein Pärchen intim wird, halten die Partner inne, unterschreiben einen Vertrag, der das Einvernehmen über den folgenden Akt zertifiziert, und fotografieren sich idealerweise noch damit. Dann ist wieder Zeit für Leidenschaft und Hormone. Für manchen klingt das ziemlich lebensfremd, für die Aktivisten des universitären "Affirmative Consent Project" ist der Vertrag ein Instrument, um neu über Vorstellungen sexueller Selbstbestimmung nachzudenken. So besagt auch die erste "Klausel" vor allem, sich bewusst zu überlegen, ob man jetzt tatsächlich Lust auf Sex hat. Dass der "Vertrag" rechtlich nicht verbindlich sei, wird auch klargestellt.

Seit mehreren Jahren wird an US-Universitäten intensiv über sexuelle Selbstbestimmung und sexualisierte Gewalt gesprochen und gestritten. Laut einer Umfrage vom September 2015 unter Studenten von 27 Top-Universitäten der Vereinigten Staaten haben rund 23 Prozent aller Studentinnen Formen sexualisierter Übergriffe erlebt. Das Thema ist hochpolitisch: Bei der Oscar-Verleihung im Februar machten sich die Künstlerin Lady Gaga und US-Vizepräsident Joe Biden dafür stark, gegen sexualisierte Gewalt auf Campussen vorzugehen.

Internationale Schlagzeilen hatte in den vergangenen Jahren auch der Fall der Kunststudentin Emma Sulkowicz von der Elite-Universität Columbia in New York gemacht. Sie warf einem deutschen Mitstudenten vor, sie vergewaltigt zu haben. Weder die Polizei noch die Universität sahen die Vorwürfe als erwiesen an. Anders als in Deutschland haben US-Universitäten häufig eigene sanktionsbewehrte Verhaltensregeln für ihre Studentinnen und Studenten. Aus Protest schleppte Sulkowicz tagtäglich als Performance ("Carry That Wheight") eine Matratze, die der ähneln soll, auf der sie vergewaltigt worden sei.

»Rape Culture« Unterstützer Sulkowicz' sahen in der Reaktion von Polizei und Universität einen Ausdruck der sogenannte "Rape Culture". Demnach werde sexualisierte Gewalt trivialisiert und Opfern häufig unterstellt, die Tat etwa durch vermeintlich provokante Kleidung zumindest teilweise selber verschuldet zu haben. Berühmt-berüchtigt ist die Aussage eines kanadischen Polizisten aus dem Jahre 2011 bei einer Präventionsveranstaltung an einer Universität. Er rief Frauen auf, sich nicht wie "Schlampen" ("Sluts") zu kleiden, um nicht zum Opfer von Übergriffen zu werden. Weltweit protestierten danach insbesondere Frauen bei sogenannten "Slutwalks" gegen diese Form von Täter-Opfer-Umkehr.

Zudem werde Opfern sexualisierter Gewalt die Verantwortung aufgebürdet, zu beweisen, dass ihnen Unrecht geschehen ist, dass sie den sexuellen Kontakt nicht gewollt hatten. Genau hier setzt die Aktivisten des "Affirmative Consent Project" an. Hinter ihrem "Vertrag" steht die Idee des "Ja heißt Ja". In Kalifornien ist die Idee auch schon rechtlich verankert. Per Gesetz gab der US-Bundestaat den staatlich unterstützten Universitäten vor, ein klares Regelwerk für den sexuellen Umgang ihrer Studenten und Studentinnen untereinander zu verankern. Wenn die jungen Menschen miteinander intim werden, sollen sie demnach in der Verantwortung stehen, sich jeweils der bejahenden, bewussten und freiwilligen Zustimmung ihres Partners zu vergewissern, die auch jederzeit widerrufen werden kann. Schweigen, fehlender Widerstand und Protest eines Partners dürfen nicht als Zustimmung begriffen werden. Genauso wenig kann sich auf vermeintlichen Konsens berufen, wenn der Sexualpartner unter übermäßigem Drogen- oder Alkoholeinfluss stand oder gar bewusstlos war oder schlief. Strafrechtlich relevant ist das allerdings nicht. Anwendung finden die Regeln nur in den Disziplinarverfahren der betroffenen Institutionen.