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NSA-aUSSCHUSS : In der diplomatischen Risikozone

Auf Botschaftsdächern könnten Abhöranlagen installiert sein

17.05.2016
2023-08-30T12:30:01.7200Z
3 Min

Fast sechs Stunden waren seit Beginn der Zeugenbefragung vergangen, da entfuhr André Hahn (Linke) ein Stoßseufzer. "Wenn ich Ihre Ausführungen höre, frage ich mich, ob sich Spione in Deutschland wirklich Sorgen machen müssen, dass sie von Ihnen erwischt werden." Spione fangen - wenn es darum geht, wäre der Zeuge immerhin zuständig. Frank Wingerath, Magister der Soziologie, ist seit 1999 im Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) tätig, seit November 2010 als Referatsgruppenleiter in der Abteilung 4, Spionageabwehr. Im Sommer 2013 wurde er an die Spitze einer 19-köpfigen "Sonderauswertungsgruppe" berufen, die den Auftrag hatte, die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden über die National Security Agency (NSA) auf ihren Faktengehalt hin zu sichten. Was er darüber allerdings vergangene Woche dem Untersuchungsausschuss berichtete, hörte sich an, als wäre der Verfassungsschutz weitgehend ahnungs- und hilflos gewesen.

Kreisende Helikopter Wingerath räumte ein, dass seine Behörde von der Affäre nicht weniger überrascht gewesen sei als die übrige Öffentlichkeit. Auch er habe das jeweils Neueste über Snowdens Offenbarungen nur "sehr häppchenweise" der Presse entnehmen können: "Zu unserem Leidwesen waren wir nicht in der Lage, die Dinge auf Authentizität zu überprüfen." Eine Handhabe für eigene zielführende Ermittlungen gab es nicht. Und der Ruf nach auswärtiger Hilfe verhallte ungehört.

Im Herbst 2013 richtete Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen die Bitte an die Amerikaner, Spezialisten des Bundesamtes auf das Dach der US-Botschaft am Pariser Platz in Berlin zu lassen, um den Verdacht auszuräumen, dass von dort aus das nur wenige hundert Meter entfernte Kanzleramt abgehört wurde: "Das wurde abgelehnt." Auch das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" bekam Post von Maaßen. Im Januar 2014 bat er, seiner Behörde die Snowden-Dokumente zur Einsichtnahme zu überlassen. Der Wunsch blieb ebenfalls unerfüllt: "Unser großes Problem war, dass uns die Dokumente selber nicht vorlagen, und wir ausschnitthaft wahrnehmen mussten, was meistens im 'Spiegel' stand."

Umso lauter ertönte der Ruf nach "zeitnahen" und "umfassenden" Erkenntnissen. Als am 28. August 2013 der "Spiegel" unter Hinweis auf die Snowden-Dokumente berichtete, dass im Frankfurter US-Generalkonsulat eine Abhöranlage untergebracht sei, machte das Innenministerium Druck. Bereits zwei Tage später stieg in der Mainmetropole ein Hubschrauber auf, um das verdächtige Gebäude zu umkreisen. Solche Überflüge seien in Berlin seit der Jahrhundertwende gängige Praxis, berichtete der Zeuge. Als damals Parlament und Regierung vom Rhein an die Spree zogen, äußerten Sicherheitsexperten bereits Bedenken, dass das künftige Regierungsviertel in brisanter Nähe zu einigen wichtigen Auslandsvertretungen liegen werde. Seither kreisen, wie Wingerath sagte, mindestens einmal im Jahr Helikopter über der diplomatischen Risikozone, um Botschaftsdächer nach Abhöranlagen abzusuchen. Auf dieser Grundlage habe der Verfassungsschutz erstmals 2003 eine Gefährdungsanalyse vorgelegt. Auf die Feststellung, dass seine Behörde von Anfang an und immer wieder vor der Möglichkeit eines Lauschangriffs auch befreundeter Dienste gewarnt habe, legte der Zeuge großen Wert.

An hieb- und stichfesten Beweisen allerdings mangelt es. Im Frühjahr 2015 beendete die Sonderauswertungsgruppe mit einem Abschlussbericht ihren Einsatz. Über den Inhalt des als geheim eingestuften Dokuments mochte der Zeuge sich in öffentlicher Sitzung nicht äußern, zumal, da es erst ein Jahr nach Ende des Untersuchungszeitraums angefertigt wurde, für den der Ausschuss befugt ist.

Allerdings vermittelte Wingerath den Eindruck, dass die "Sonderauswertung" nicht viel erbracht hat: "Es haben sich keine Beweise im eigentlichen Sinne ergeben." Namentlich könne der Verfassungsschutz aus eigener Kenntnis nicht bestätigen, dass westliche Geheimdienste deutsche Ziele mit Mitteln der "technischen Aufklärung" ausgespäht haben. Jedenfalls nicht, wie von Snowden behauptet, massenhaft.

"Man macht sich Sorgen ums Land", resümierte Konstantin von Notz (Grüne), "wenn Sie für die Spionageabwehr zuständig sind."