Piwik Webtracking Image

NSu : Spuren zweier V-Leute

Verfassungsschutzchef Maaßen berichtet dem Ausschuss über die jüngsten "Corelli"-Funde im Amt

06.06.2016
2023-08-30T12:30:02.7200Z
3 Min

Zwei einstige V-Leute aus der Neonazi-Szene standen vergangene Woche im Mittelpunkt der Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses: Der 2014 verstorbene Thomas Richter alias "Corelli" und der in der Schweiz lebende Ralf Marschner alias "Primus". Zunächst musste sich der Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, rund 90 Minuten lang in nicht öffentlicher Sitzung zu einem peinlichen Vorgang in seiner Behörde rechtfertigen: den überraschenden Fund eines Handys und von vier Sim-Karten von "Corelli" im Tresor von dessen ehemaligem V-Mann-Führer. Der Vorgang ist für Maaßen auch deshalb höchst unangenehm, weil der ehemalige Grünen-Abgeordnete Jerzy Montag im Auftrag des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) 2015 einen umfangreichen Bericht zu "Corelli" vorgelegt hat und alle Beteiligten davon ausgingen, dass ihm der Verfassungsschutz dafür sämtliche verfügbaren Informationen zur Verfügung gestellt hat. Bis zur Sommerpause soll Montag nun im Auftrag des PKGr einen weiteren Bericht zu den Funden anfertigen.

Der Ausschuss-Vorsitzende Clemens Binninger (CDU) sagte nach der Sitzung vor Journalisten, dass sich das Handy und die Sim-Karten zusammen mit einer "Unmenge von Unterlagen" wie Akten und CDs in einem großen Tresor befunden hätten. Als der Beamte im vergangenen Sommer seine Stelle gewechselt habe, sei der Tresor geräumt worden. Dabei habe man das Mobiltelefon in einem Umschlag gefunden und zunächst niemandem zuordnen können. Erst im April 2016 sei das Handy untersucht worden, wobei man anhand von Fotos schnell festgestellt habe, dass es "Corelli" gehört haben muss. Laut Binninger gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass sich auf dem Handy brisante Daten mit Bezug zum NSU befinden. Die vier Sim-Karten seien ebenfalls in dem Tresor in einem Ordner mit zahlreichen anderen Unterlagen aufbewahrt worden. Binninger nahm Amtschef Maaßen gegen Vorwürfe in Schutz. Er habe 2014 angeordnet, dass seine Mitarbeiter in ihren Tresoren nur Gegenstände aufbewahren sollten, "die dort auch hingehören". Das sei leider missachtet worden. "Im Bundesamt für Verfassungsschutz herrscht das absolute Chaos", sagte Irene Mihalic (Grüne). Es sei richtig, dass Innenminister Thomas de Maizière (CDU) dort jetzt für Ordnung sorgen wolle. "Beim Verfassungsschutz gibt es noch immer kein Bewusstsein für die besondere Brisanz des Falles ,Corelli'", kritisierte der Obmann der SPD-Fraktion, Uli Grötsch.

Offene Fragen In öffentlicher Sitzung standen dann die Ermittlungen um den Rechtsextremisten und ehemaligen V-Mann Ralf Marschner im Mittelpunkt. Hintergrund ist ein Bericht der Zeitung "Die Welt" von Anfang April, wonach Marschner in den Jahren 2000 bis 2002 das NSU-Mitglied Uwe Mundlos und möglicherweise auch dessen Komplizin Beate Zschäpe in seiner Abrissfirma in Zwickau beschäftigt haben soll. Wichtigster Zeuge war Kriminaloberkommissar Paul Lehmann vom Bundeskriminalamt (BKA), der zu Marschner und dessen Umfeld ermittelte. Mehrere Ausschussmitglieder äußerten die Ansicht, dass bei diesen Ermittlungen gegen den seit 2008 in der Schweiz lebenden Marschner wichtige Fragen offengeblieben seien. Dafür könne man aber nicht Lehmann verantwortlich machen, der möglicherweise zu wenig Unterstützung gehabt habe, wie Binninger sagte.

Lehmann gab an, keine Hinweise auf eine Beschäftigung von NSU-Mitgliedern in Marschners Firma gefunden zu haben. Immerhin 16 Zeugen hätten die entsprechende Frage verneint. "Diese Aussagen sind glaubwürdiger als eine einzige anderslautende Aussage", sagte Lehmann. Allerdings gehörten viele Mitarbeiter von Marschners Firma selbst zur rechtsextremen Szene. Marschner hat bei Vernehmungen in der Schweiz bestritten, die drei NSU-Mitglieder gekannt zu haben. Binninger und andere Ausschussmitglieder halten diese Aussage für wenig glaubwürdig, da Marschner in Zwickau mit zahlreichen Unterstützern des Trios in Verbindung stand. Auf einem von ihm genutzten Computer fanden die Ermittler eine Datei mit der Titelmelodie des Films "Paulchen Panther", der in dem Bekennervideo des NSU eine zentrale Rolle spielt. Einen Bezug zu dem Video konnten die Ermittler aber nicht herstellen.

Die Linken-Obfrau Petra Pau präsentierte während der Sitzung einen Facebook-Eintrag Marschners. Wenige Tage nach der Enttarnung des NSU im November 2011 schrieb er unter seinem Pseudonym Rolf Rollig: "Trink ordentlich! Heil NSU... Hahaha..." Der BKA-Beamte räumte ein, dieses Posting nicht gekannt zu haben. Auch in den nächsten beiden Sitzungen des Ausschusses soll es um den Komplex Marschner gehen.